Drei Hände mit jeweils leuchtenden Gläsern in Rot, Gelb und Grün sind in einem schiefen Dreieck angeordnet.
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Fördergeld-Affäre
Ampel-Fraktionen unentschlossen – Ministerin attackiert Union

Gehring erhält keine politische Positionierung der Koalitionsfraktionen zur Ausschuss-Sondersitzung "Fördergeld-Affäre". Die Ministerin teilt aus.

23.08.2024

Die Koalitionsfraktionen sind nicht bereit, Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger durch klare inhaltliche Forderungen zur Gestaltung der Bildungsausschuss-Sondersitzung am 10. September vermehrt unter Druck zu setzen. 

Der Ausschussvorsitzende Gehring hatte auf Anfrage der beiden Bildungspolitiker der Unionsfraktion, Thomas Jarzombek und Stephan Albani, ein Umlaufverfahren in Gang gebracht. Die Fraktions-Obleute im Ausschuss sollten bis zum 20. August per Fraktionsbeschluss unter anderem darüber entscheiden, ob Staatssekretärin a.D. Sabine Döring vom Ausschuss explizit eingeladen werden solle und vom Ministerium komplette Aktenübersendung zu fordern sei. Zuvor hatte Stark-Watzinger verlauten lassen, alleine in der Sondersitzung zu erscheinen und keine weitere Akteneinsicht zu gewähren. 

Koalitionsfraktionen haben nicht an Abstimmung teilgenommen 

Laut Antwortschreiben des SPD-Obmanns Oliver Kaczmarek, der Grünen-Obfrau Laura Kraft und des FDP-Obmanns Stephan Seiter, das "Forschung & Lehre" vorliegt, sei eine vorbereitende Sondersitzung der Obleute notwendig, um alle offenen Fragen zu klären und "um zwischen den Obleuten eine Vereinbarung über den Ablauf einer Ausschusssitzung zu treffen". Zudem seien laufende Gerichtsverfahren zu berücksichtigen, womit wohl die ausstehende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zur Aussage-Genehmigung Dörings gemeint ist. "Die Koalitionsfraktionen nehmen die gegenüber der Hausleitung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Raum stehenden Vorwürfe sehr ernst," heißt es im Brief der Obleute weiter.

Somit kam es seitens der Koalitionsfraktionen nicht zu dem Beschluss, durch die Einladung Dörings und die Forderung nach Aktenübersendung für aufklärende Transparenz in der Sache zu sorgen. Nach Aussagen Gehrings konnte weder ein Konsens noch ein Mehrheitsentscheidung erzielt werde, da lediglich die Oppositionsparteien am Verfahren teilgenommen hatten – so zu lesen in seinem Ergebnisbrief zum Umlaufverfahren, welcher "Forschung & Lehre" vorliegt. Gehring hat deshalb für den 30. August für vormittags eine Videokonferenz der Obleute vorgeschlagen. 

Gehring: "Unsere Sitzungen sind keine Gerichtsverhandlungen" 

Auf die Nachfrage von "Forschung & Lehre", warum die Akteneinsicht bisher nicht verlangt wurde, erläuterte Gehring: "Ein solches Aktenvorlagerecht ist laut der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages allein Untersuchungsausschüssen vorbehalten". Er habe deshalb die Fraktionen gebeten, sich diesbezüglich an das Ministerium direkt zu wenden. Ob der Ausschuss dennoch eine solche Akteneinsicht fordern solle, müssten die Obleute der Fraktionen entscheiden. 

"Forschung & Lehre" fragte den Ausschussvorsitzenden darüber hinaus, wie er zu Vorwürfen stehe, dass durch ihn und den Ausschuss nicht alle parlamentarischen Werkzeuge genutzt würden, um die Fördergeld-Affäre schnellstmöglich und so vollständig wie möglich aufzuklären und deshalb das Vertrauen der Wissenschaftsszene nachhaltig geschädigt werde? Gehring erklärte, dass nur die Bildungsministerin selbst die Vorwürfe entkräften könne. Er habe die gewünschte Sondersitzung anberaumt und sorge als Vorsitzender für die Wahrung des Mehrheitsprinzips und der Minderheitsrechte. 

"Die Ministerin könnte die Staatssekretärin a.D. sofort von ihrer beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht entbinden."
Kai Gehring, Bildungsausschussvorsitzender (Die Grünen) 

"Das Ministerium ist auch aus meiner Sicht weiter gefordert, für Transparenz und Aufklärung in der Sache zu sorgen und dafür alle notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Ministerin könnte die Staatssekretärin a.D. sofort von ihrer beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht entbinden, wir als Parlament und Ausschuss und ich als Vorsitzender können das leider nicht. Ein Fachausschuss ist kein Untersuchungsausschuss und unsere Sitzungen sind keine Gerichtsverhandlungen," führte Gehring weiter aus. 

Stark-Watzinger attackiert Union als unsachlich 

In einem am 23. August veröffentlichten Interview attackiert die Bundesbildungsministerin die Union für ihr Vorgehen: "Was mich besorgt, ist, dass die Union zahlreiche Vorwürfe gegen mich und mein Ministerium auf Grundlage von Mutmaßungen und Unterstellungen konstruiert", sagte sie gegenüber der "Rheinischen Post". Das schade der Debattenkultur im Land und damit auch der Demokratie. Die Union solle zur Sachlichkeit zurückkehren. Des Weiteren bekräftigte die Ministerin im Interview ihre Selbstwahrnehmung als Verteidigerin der Wissenschaftsfreiheit. Die Frage, warum sie ihre ehemalige Staatssekretärin Döring in der Sache nicht aussagen lasse, beantwortet sie ausweichend mit der beamtlichen Verschwiegenheitspflicht. 

Die seit Juni laufende Fördergeld-Affäre setzt die Ministerin zunehmend unter Druck. Aus Politik und Wissenschaft lässt die Forderung nach Anhörung aller Beteiligten sowie Offenlegung sämtlichen Schriftverkehrs einschließlich vorhandener Messenger-Absprachen nicht nach. 

Zuletzt hatte aus der Opposition unter anderem Die Linke über eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung (14.8.) indirekt den Druck auf die Bildungsministerin erhöht. Man wolle wissen, welche Bundesbehörden welche Messenger-Dienste zur internen Kommunikation nutzten, welche Regelungen für die Veraktung von Chats aus diesen Messengerdiensten gelten würden und ob das BMBF plane, interne Chats aus Wire (Bund), die nicht veraktet wurden, dem Bundesarchiv gemäß § 5 BArchG anzubieten. "In der Fördermittelaffäre um Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ist offenkundig geworden, dass unter anderem die Leitungsebene des Ministeriums über wichtige Entscheidungen in ministeriumsinternen Chats berät, die anschließend nicht aktenkundig werden," wird in die Anfrage begründet. Durch diese Praxis sei Behördenhandeln in diesen Fällen weder nachvollziehbar noch für die Öffentlichkeit zu kontrollieren. 


Dieser Artikel wurde am 23. August um 9:40 Uhr zum zweiten Mal aktualisiert (Ergänzung Attacke Stark-Watzinger, Kleine Anfrage Die Linke). Er wurde am 22. August bereits aktualisiert (Ergänzung Statements Gehring und Zitate Briefwechsel) und am selben Tag erstmals veröffentlicht.

cva