Horizon Europe
Assoziierung hängt an politischen Differenzen
Auch zehn Monate nach dem Ende der Brexit-Übergangsphase und der Planung der Beteiligung britischer Forschender an dem milliardenschweren Forschungsprogramm "Horizon Europe", ist Großbritannien weiterhin nicht assoziiert. Marija Gabriel, EU-Kommissarin für Forschung, Innovation und Bildung, Kultur und Jugend, hat im Gespräch mit "ScienceBusiness" erklärt, dass politische Uneinigkeiten der Assoziierung noch im Wege stehen.
Im September hatte Gabriel Medienberichten zufolge zum ersten Mal angedeutet, dass Konflikte über das Nordirland-Protokoll die Assoziierung Großbritanniens an "Horizon Europe" stören könnten. Seitdem betrachten Universitätsvertretungen und Hochschulvereinigungen die Verzögerungen mit Sorge.
Politische Hindernisse stehen im Weg der Einigung
Das Nordirland-Protokoll regelt den Status der Grenze zwischen dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland, und dem unabhängigen Irland, das weiterhin EU-Mitglied ist. Um zu verhindern, dass es eine harte Grenze mit Grenzkontrollen und Zöllen auf der irischen Insel selbst gibt, die das Karfreitagsabkommen von 1998 in Gefahr bringen könnte, das den gewalttätigen Teil des Nordirlandkonflikts beendete, wurde eine Zollgrenze zwischen Nordirland und Großbritannien beschlossen. So verbleibt die britische Provinz Nordirland de facto im europäischen Binnenmarkt. Nötige Warenkontrollen im Austausch mit Großbritannien finden an der Seegrenze in der Irischen See statt. Seit Beginn des Jahres haben Mitglieder der britischen Regierung Kritik am Nordirland-Protokoll geäußert und gedroht, Teile des Protokolls außer Kraft zu setzen: Das Protokoll störe den Handel zwischen Nordirland und dem Vereinigten Königreich. Der britische Premierminister Boris Johnson fordert daher seit Juli 2021 Nachverhandlungen. Für die EU geht es beim Nordirland-Protokoll auch um den Schutz des europäischen Binnenmarkts, da Nordirland zu diesem gehört, wie der EU Parlamentarier David McAllister im Gespräch mit dem "Deutschlandfunk" erläuterte.
Nach Ansicht von Vivienne Stern, Direktorin von "Universities UK International" blockiere nicht Großbritannien die Assoziierung, sondern die EU verhindere Fortschritte bei den Verhandlungen aus politischen Gründen. Sie fordere britische Forschende auf, sich für Fördermittel im Rahmen von "Horizon Europe" zu bewerben.
Times Higher Education berichtet, dass britische Universitätsleitungen und europäische Hochschulverbände kritisierten, dass der Stand der Assoziierung "als Druckmittel" zwischen der EU und Großbritannien genutzt werde. Die Verzögerungen der Assoziierung spielten den Teilen der britischen Regierung in die Hände, die sowieso nicht von der Teilnahme an "Horizon Europe" überzeugt gewesen seien, wie Stern zitiert wird. Stattdessen sollten Politikerinnen und Politiker die globalen Interessen nicht aus den Augen verlieren. Auch Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz rät, dass die EU und Großbritannien, sich dringend einigen sollten. Der monatelange Stillstand erzeuge unnötige Unsicherheiten in der europäischen Forschung und behindere gemeinsame Projekte, die Europa und der Welt nutzen könnten.
Die Schweiz und "Horizon Europe"
Neben Großbritannien ist auch der Status der Schweiz noch nicht gänzlich geklärt: Aktuell ist das Land ein nicht-assoziiertes Drittland. Allerdings hat der Schweizer Bundesrat letzte Woche das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) mit der direkten Finanzierung von Forschenden beauftragt, die an Forschungsprojekten im Rahmen von "Horizon Europe" teilnehmen möchten. So wird eine Finanzierung im Umfang von gut 400 Millionen Schweizer Franken im Jahr 2021 sichergestellt. Oberstes Ziel des Bundesrats bleibe aber laut Pressemitteilung nach wie vor eine möglichst rasche Assoziierung am Horizon-Paket.
cpy
