Fürsorgepflicht
Bearbeitung von Beihilfe-Anträgen dauert teils Monate
Hunderttausende Beamtinnen und Beamte in Baden-Württemberg müssen laut Deutscher Presseagentur teilweise monatelang auf die Erstattung von Arztrechnungen oder Medikamentenkosten durch das Land warten.
Gewerkschaften zufolge sind die Bearbeitungszeiten sogenannter Beihilfeanträge in den vergangenen Monaten deutlich angestiegen. "Wir bekommen täglich Mails von Kolleginnen und Kollegen, die acht Wochen auf eine Erstattung warten. Das ist keine Seltenheit", sagte Kai Rosenberger, Vorsitzender des baden-württembergischen Beamtenbunds (BBW). Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) spricht von einem größeren Problem.
Insgesamt gibt es in Baden-Württemberg laut Finanzministerium rund 350.000 Beamtinnen und Beamte sowie Versorgungsberechtigte – also Pensionäre oder Hinterbliebene –, die einen Anspruch auf Beihilfe haben. Bei ihnen übernimmt der Staat einen Teil der Gesundheitskosten, also etwa von Arzt- oder Krankenhausrechnungen. Dabei strecken die Beamtinnen oder Beamten die Kosten zunächst vor und reichen sie dann zur Erstattung ein. Für den restlichen Teil der Kosten schließen die meisten Beamtinnen und Beamten noch eine private Krankenversicherung ab. Die in manchen Bundesländern übliche sogenannte Kostendämpfungspauschale wird von der staatlichen Beihilfe zu krankheitsbedingten Aufwendungen abgezogen – ihre Rechtmäßigkeit wurde im Frühjahr gerichtlich angezweifelt.
Beamtenbund: "Nichts anderes als ein zinsloses Darlehen"
Aus Sicht des Beamtenbunds sind die langen Wartezeiten bei der Beihilfe ein großes Ärgernis. "Viele Beamten gehen teils tausende Euro in Vorleistung. Das ist nichts anderes als ein zinsloses Darlehen und das kann so nicht weitergehen", sagte Rosenberger.
Das zuständige Finanzministerium führt die Wartezeiten vor allem auf eine gestiegene Zahl an Anträgen zurück. Für 2024 werde mit einem Plus von 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gerechnet, teilte ein Sprecher mit. "Und das alles bei einem im Wesentlichen unveränderten Personalbestand. Infolgedessen kommt es derzeit bei den Fällen, bei denen eine personelle Sachbearbeitung notwendig ist, zu längeren Bearbeitungszeiten", so der Sprecher.
Längere Bearbeitungszeiten bestätigt auch die Landesgeschäftsführerin (LGF) des Deutschen Hochschulverbands (DHV), Birgit Ufermann auf Anfrage von "Forschung & Lehre": "Auch bei mir als LGF Baden-Württemberg kommen häufiger Beschwerden von Mitgliedern an, dass sich die Wartezeiten in den letzten Wochen noch weiter verschlechtert haben – vielleicht auch urlaubsbedingt. Teilweise müssen die verbeamteten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer mehrere Monate auf die Erstattung der vorgestreckten Kosten für Arzneimittel, Arztrechnungen und so weiter warten".
Wege zur schnelleren Bearbeitung
Dem Sprecher des Landesfinanzministeriums zufolge ist das Ziel, dass die durchschnittliche Bearbeitungszeit vier Wochen nicht überschreitet. Derzeit liege die durchschnittliche Wartezeit bei 19,6 Arbeitstagen. Aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der CDU-Fraktion im Landtag geht hervor, dass Anfang Juli knapp 30 Prozent aller unbearbeiteten Anträge auf Beihilfe sechs Wochen oder älter waren.
"Ich rate immer dazu, Rechnungen gesammelt einzureichen, um so die Antragszahl nicht unnötig zu erhöhen, aber sonst kann man wirklich als Antragstellerin beziehungsweise Antragsteller nichts machen", erläutert DHV-Landesgeschäftsführerin Birgit Ufermann gegenüber "Forschung & Lehre". Da das Problem schon länger virulent sei, bedürfe es einer größeren Anzahl von Mitarbeitenden beim zuständigen Landesamt: "Vielleicht nur für zwei, drei Monate, um so den Berg an aufgelaufenen Anträgen einmal vollständig abgearbeitet zu bekommen", schlägt Ufermann vor. So könne man danach wieder zu einer normalen Bearbeitungszeit von höchstens vier Wochen kommen.
"Es geht hier immerhin um das Geld von verbeamteten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern, über das sie nicht verfügen können."
Birgit Ufermann, Landesgeschäftsführerin des DHV
"Es geht hier immerhin um das Geld von verbeamteten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern, über das sie nicht verfügen können, weil die Beihilfevorgänge nicht bearbeitet werden. Auch eine zeitnahe Rückzahlung fällt in den Bereich der angemessen Alimentation von Beamtinnen und Beamten", konstatiert die DHV-Landesvertreterin.
Schlaglicht auf die Bearbeitungszeiten diverser Bundesländer
Ähnlich sieht es in einzelnen anderen Bundesländern aus. Stichprobenhaft lässt sich feststellen, dass die Bearbeitungszeit beispielsweise in Hessen und Brandenburg nach eigenen Angaben ebenfalls bei rund acht Wochen liegt, in Mecklenburg-Vorpommern bei etwa fünf. Für das Bundesland Rheinland-Pfalz berichtete der Südwestdeutsche Rundfunk vor einiger Zeit von Wartezeiten von durchschnittlich 30 Werktagen – also sechs Wochen –, so dass man in der Behörde bereits auf Samstagsarbeit zurückgreife. Auf der Website des Landesamts für Finanzen ist allerdings von nur 12 Arbeitstagen die Rede, wobei die Aktualität der Angaben unklar ist.
Sehr gut sieht es hingegen in Nordrhein-Westfalen aus, wo die Finanzverwaltung derzeit Beihilfeanträge mit Eingangsdatum 2.8. bearbeitet, dicht gefolgt vom Thüringer Landesamt für Finanzen mit den in Arbeit befindlichen Anträgen aus der letzten Juliwoche.
Ministerium: Maßnahmen weitgehend ausgereizt
Laut des baden-württembergischen Finanzministeriums optimiert das für die Anträge zuständige Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) seine Prozesse ständig und setzt auch Künstliche Intelligenz bei der Bearbeitung ein. Zudem habe man bereits mit Samstagsarbeit, Überstunden und Umschichtung von Personal versucht, die Wartezeiten zu verkürzen. "Diese Maßnahmen sind jedoch weitgehend ausgereizt", so der Sprecher.
Kai Rosenberger vom Beamtenbund sieht die Schuld für die langen Wartezeiten nicht bei den Bearbeiterinnen und Bearbeitern im LBV. "Die Kolleginnen und Kollegen tun alles, was sie können, aber mit diesem Personalbestand kann das nicht erledigt werden", sagte er. Dafür brauche es deutlich mehr Stellen.
Tipps für Antragsstellende für schnellere Bearbeitung
Einige Behörden geben auf ihren Websites Tipps, wie man als antragsstellende Person selbst die Wartezeit zumindest ein wenig beschleunigen kann: Diese reichen von der Nutzung der digitalen Antragsstellung über die Sicherstellung der guten Lesbarkeit der einseitigen Kopien bis zur Vermeidung der Heftung oder Beklebung von Unterlagen bei postalischer Einreichung. Auch wird von der Einreichung von Kassenbelegen zusätzlich zum quittierten Rezept meist abgeraten.
Außerdem kommunizieren einige Einrichtungen Antragswellen, die es zu vermeiden gilt. Insbesondere zum Jahreswechsel als auch in den Urlaubszeiten komme es immer wieder zu Stoßzeiten, die zu einer Verlängerung der Bearbeitungszeiten führen. Manche Behörden bieten zur Vermeidung von Rückzahlungslücken Abschlagszahlungen an, die insbesondere bei Kosten für Dauerbehandlungen und Dauermedikation sinnvoll sind.
Teils wird darauf hingewiesen, dass es auch die Möglichkeit einer Direktabrechnung der Beihilfestelle mit der rechnungsstellenden Einrichtung gebe. Dafür würden entsprechende Antragsvordrucke bereitgestellt, beispielsweise für die Abrechnung mit Krankenhäusern. Bei einigen Ämtern werden Anträge mit sehr hohen Beträgen prioritär behandelt. Generell helfe es den bearbeitenden Stellen beim Zeitsparen, wenn von schriftlichen und telefonischen Nachfragen zum Bearbeitungsstand abgesehen würde.
cva/dpa