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Vertragsverlängerungen
Bundesregierung ändert wegen Corona-Pandemie WissZeitVG

Die Höchstgrenze von Befristungen nach dem WissZeitVG kann wegen der Corona-Pandemie angehoben werden. Unterstützung aus der Wissenschaft.

09.04.2020

Das Bundeskabinett hat ein Gesetzespaket zur Corona-Pandemie beschlossen. Damit sollen die negativen Effekte auf die Wissenschaft abgemildert werden. Befristet Beschäftigte sowie Studierende sollen profitieren und das "schnell und unbürokratisch", wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in einer Mitteilung schreibt.

Das Vorhaben beinhaltet laut Mitteilung unter anderem eine Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG). "Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen als Arbeitgeber von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in ihrer Qualifizierungsphase haben damit die Möglichkeit, Beschäftigungsverhältnisse über die bisherigen Höchstbefristungsgrenzen hinaus um sechs Monate zu verlängern, zum Beispiel, wenn sich Forschungsprojekte aufgrund der aktuellen Ausnahmesituation verzögern", schreibt das BMBF.

Darüber hinaus will das BMBF Anreize dafür schaffen, dass sich etwa Studierende für die Eindämmung des Virus "Sars-CoV-2" engagieren. "Der Hinzuverdienst aus allen systemrelevanten Branchen und Berufen wird komplett von der Anrechnung auf das BAföG ausgenommen", so das Ministerium. "Wer in der aktuellen Krise in systemrelevanten Branchen unsere Gesellschaft unterstützt, behält damit seine volle BAföG-Förderung." Bereits im Vorfeld hatte Bundeswissenschaftsministerin Anja Karliczek betont, dass Bafög auch weiter gezahlt werde, wenn Schulen und Hochschulen vorerst geschlossen blieben.

Der Entwurf eines Wissenschafts- und Studierendenunterstützungsgesetzes (WissStudUG) soll kurzfristig als Entwurf der Koalitionsfraktionen in den Deutschen Bundestag eingebracht und beschlossen werden. Stimmt dieser zu, tritt das Gesetz rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft.

DHV und HRK: Gesetzespaket setzt wichtiges Signal

Das Vorhaben der Bundesregierung stieß auf positive Resonanz in der Wissenschaft. "Das ist ein richtiger und wichtiger Schritt, der die Sorgen vieler befristet beschäftigter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern konstruktiv aufnimmt", betonte der Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), Professor Bernhard Kempen am Donnerstag. Der DHV hatte bereits vor einigen Tagen dafür plädiert, dass es bei befristeten Verträgen eine Corona-bedingte zusätzliche Verlängerung geben müsse.

Kempen wies aber auch darauf hin, dass allein durch die Gesetzesänderung noch kein befristeter Vertrag verlängert werde. Vielmehr bedürfe es einer konkreten Umsetzung im Einzelfall, insbesondere in den Ländern. Sie seien nun in der Verantwortung diese "Ermöglichungsnovelle" zugunsten der betroffenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anzuwenden.

Auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) begrüßte den Vorstoß. "Sollte der Bundestag dieses Gesetz verabschieden, dann setzt er ein starkes, ermutigendes Signal", sagte  HRK-Präsident, Professor Peter-André Alt am Mittwoch. "Hoch qualifizierte Forschende bilden die Basis für die Leistungsfähigkeit der Hochschulen und des Wissenschaftssystems insgesamt. Und die Befähigung zum gesellschaftlichen Engagement ist aus Sicht der Hochschulen ein ganz wesentliches Ziel jedes Hochschulstudiums." Es sei wichtig, dass der Bund dies honoriere.

Die Hochschulen könnten durch die vorgeschlagenen Maßnahmen "zumindest einen Teil der Zeit ausgleichen, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durch die Krise in der Qualifikationsphase verloren geht". Das sei auch langfristig für die Entwicklung der Wissenschaft wichtig. 

Hochschulen suchen derzeit nach Möglichkeiten, um Verträge von befristet Beschäftigten länger als geplant zu finanzieren. Im Gespräch mit Forschung & Lehre sagte beispielsweise die Rektorin der Universität Düsseldorf, Professorin Anja Steinbeck, über Geld aus dem Hochschulpakt und dem Pakt für Studium und Lehre Verträge um mehrere Monate sichern zu können. Auch einige Förderer haben bereits konkrete Zusagen getroffen.

Zusagen von Förderern aufgrund von Corona-Pandemie

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) will ihre Förderrichtlinien an die Corona-Pandemie anpassen. Fristen sollen verlängert und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch zu einem späteren Zeitpunkt als geplant noch gefördert werden – sofern das Geld von Bund und Ländern käme. Die zuständige Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) wolle dies unterstützen, teilte sie auf Nachfrage mit. Nicht geäußert hat sie sich zu möglichen zusätzlichen Kosten durch die Corona-Pandemie; diese seien "bisher nicht bekannt".

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) plant mit seinen Mitgliedshochschulen "flexible Lösungen" für bewilligte Projekte zu finden. Geplante Vorhaben sollten verschoben oder digital durchgeführt werden. Auch Stipendiatinnen und Stipendiaten von Auslandsaufenthalten sollen keine Nachteile durch das Coronavirus haben.

Die Europäische Kommission hat die Frist zur Einreichung neuer Anträge unter dem Förderprogramm "Horizont 2020" mit einer Deadline innerhalb der kommenden Tage verlängert. Können Projekte nicht rechtzeitig fertiggestellt werden, entscheide die EU-Behörde von Fall zu Fall. Spielraum dafür biete eine Vertragsklausel zur "höheren Gewalt". Davon sollen auch Geförderte über das Erasmus+-Programm profitieren.

Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lohnt es sich, nachzufragen. Einige Förderer hätten laut Aussagen von Forschenden eine Anpassung der Förderrichtlinien auf Nachfrage bekanntgegeben.

aktualisiert: 9.4.20, 11:38 Uhr, zuerst veröffentlich: 8.4.20, 14 Uhr

kas