Frühe Karrierephasen
Bundesregierung sieht Befristung Promovierter kritisch
"Dass promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Wissenschaftseinrichtungen weiterhin in sehr vielen Fällen befristet beschäftigt sind, oftmals unselbständig arbeiten und ihre Karrieren nur sehr bedingt planen können, ist aus Sicht der Bundesregierung problematisch", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Bundesregierung. Diese hat sie dem Deutschen Bundestag zusammen mit dem Bundesbericht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer frühen Karrierephase 2025 (BuWiK) kürzlich vorgelegt.
Veröffentlicht wurde der neueste BuWiK – vormals Buwin – bereits Anfang des Jahres. Der Bericht bescheinigt Deutschland eine hohe Befristungsquote unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in frühen Karrierephasen (WiKa). Nun hat die Bundesregierung zu einzelnen Befunden schriftlich Stellung bezogen.
Stellungnahme zu wissenschaftlichen Karrieren Promovierter
Karrierewege
Die Bundesregierung erkennt den Befund als positiv an, dass sich mit der Tenure-Track- und Junior-Professur sowie der Nachwuchsgruppenleitung Karrierewege etabliert haben, die mit Selbstständigkeit und Unabhängigkeit sowie mit einem hohen Maß an Planbarkeit einhergehen. Sie geht davon aus, dass sich die Tenure-Track-Professur nach und nach weiter durchsetzt. Diese stelle einen national und international anerkannten und konkurrenzfähigen Karriereweg dar und sei besonders weit verbreitet in den Fächergruppen Ingenieurwissenschaften sowie Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik.
Das Durchschnittsalter bei Erstberufung oder Abschluss der Habilitation ermöglicht aus Sicht der Bundesregierung Aussagen dazu, wie attraktiv wissenschaftliche Karrieren nach der Promotion im Vergleich zu einer Karriere außerhalb der Wissenschaft oder an einer Wissenschaftseinrichtung außerhalb Deutschlands sind. Hier gebe es weiter Verbesserungspotential, da das Durchschnittsalter im Vergleich zum BuWin 2021 leicht gestiegen ist.
Befristungen
Aus Sicht der Bundesregierung können Befristungen in der Orientierungsphase aufgrund erwarteter hoher Mobilität und Flexibilität funktional sein. Umso mehr seien "verlässliche und planbare Perspektiven sowie gute Rahmenbedingungen im Anschluss an diese anspruchsvolle Phase erforderlich". Die Befristungsquote bei den Promovierten müsse gesenkt werden. Nur so bleibe der Wissenschaftssektor als Arbeitgeber weiterhin attraktiv, heißt es in der Stellungnahme. Zusätzlich zu mehr Tenure-Track-Professuren müsse es Stellen(-kategorien) unterhalb beziehungsweise neben der Professur geben, "die ebenfalls zuverlässig in dauerhafte und attraktive Beschäftigungen im wissenschaftlichen wie wissenschaftsnahen Bereich münden".
Entwicklungen der letzten Jahre im Bereich Personalentwicklung, beispielsweise durch neue Stellenkategorien wie (Senior) Lecturer und (Senior) Researcher/Scientist, sowie der Ausbau von professionalisierten Unterstützungsstrukturen an den Einrichtungen sind aus Sicht der Bundesregierung "ausdrücklich zu begrüßen und weiter nachhaltig zu fördern". Damit einher gehe auch ein Wechsel hin zu einer wesentlich strategischeren Personalplanung einschließlich einer einrichtungsspezifischen Bedarfsanalyse. Dieser Wechsel müsse flächendeckend und vergleichbar erfolgen. Das im Juli verabschiedete Positionspapier des Wissenschaftsrates "Personalstrukturen im deutschen Wissenschaftssystem" biete hierfür den geeigneten Orientierungsrahmen, der auch international anschlussfähig sei.
Die Bundesregierung wird laut Stellungnahme entsprechend dem Koalitionsvertrag das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) reformieren, um verlässlichere und transparentere Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Karrierewege zu unterstützen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern.
Gleichstellung
Die leicht ansteigende Entwicklung der Frauenanteile bei den W2- und W3-Erstberufungen hält die Bundesregierung für positiv. Dies zeigt aus ihrer Sicht, dass sich die Bemühungen der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zwar auszahlen, man "mit Blick auf Parität aber noch lange nicht am Ziel" ist. Die Wissenschaftseinrichtungen müssten sich konsequent darum bemühen, die Chancen von Wissenschaftlerinnen auf allen Karrierestufen nach der Promotion und insbesondere auf Professuren und Leitungspositionen weiter zu verbessern.
Stellungnahme zu allgemeinen Perspektiven Promovierter
Da bislang in allen Bundesberichten eine niedrige Erwerbslosenquote bei Promovierten festgestellt worden sei, bestätige dies, dass sie "für den Arbeitsmarkt hoch attraktiv" seien und die Nachfrage nach hochqualifiziertem Personal voraussichtlich weiter steigen werde. Die Zahl der Promovierenden und der Promovierten in Deutschland erscheint der Regierung daraus abgeleitet "funktional".
Die Bundesregierung nimmt die Unterschiede in den Karriereverläufen und beim Einkommen von Männern und Frauen nach der Promotion zur Kenntnis. Promovierte Männer verdienen demzufolge nach wie vor deutlich besser als promovierte Frauen. Auch arbeiten Frauen weiter häufiger in Teilzeit als Männer. "Sollten hinter der Entscheidung für eine Teilzeitbeschäftigung strukturelle, geschlechterspezifische Benachteiligungen liegen, besteht aus Sicht der Bundesregierung auch hier dringender Handlungsbedarf", bewertet diese das Ergebnis. Weshalb nach wie vor mehr Männer als Frauen in den privaten Sektor wechseln, solle ebenfalls untersucht werden, "um potentiell nachteilige Strukturen für Wissenschaftlerinnen ausschließen zu können".
In der Stellungnahme werden die Befunde positiv hervorgehoben, dass Promovierte über alle Fächer hinweg gute Karriereperspektiven haben. Dies zeige, "dass sich die Investitionen in eine Promotion in doppelter Hinsicht auszahlen: Zum einen gilt dies aus individueller Perspektive, zum anderen aus staatlicher und somit gesamtgesellschaftlicher und volkswirtschaftlicher Perspektive".
Stellungnahme zu Befunden rund um die Promotionsphase
Möglichkeiten, Dauer und Quote
Die Bundesregierung äußert sich in ihrer Stellungnahme positiv über das Engagement und die Beteiligung aller außeruniversitären Einrichtungen bei der Ausbildung und Qualifizierung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Weg zur Promotion. Sie begrüßt, "dass die Länder den Zugang zu Promotionsmöglichkeiten und den dafür erforderlichen Rechtsrahmen überdenken und schrittweise modifizieren", da dies neue Karrierewege eröffne. Elementar seien aus Sicht der Bundesregierung gleiche Unterstützungsstrukturen für alle Promovierenden. Betreuungsvereinbarungen könnten dabei helfen, die Qualität der Promotion zu sichern.
Die fachspezifischen Unterschiede bezüglich der Dauer einer Promotion bewertet die Bundesregierung nicht. Sie kritisiert allerdings als "nicht zufriedenstellend", dass die Promotionsdauer nach wie vor nur näherungsweise erfasst werden kann. Auch die Tatsache, dass Einrichtungen übergreifend keine einheitliche Definition von Beginn und Ende einer Promotion angelegt hätten, sei kritikwürdig. Die berichtete eher rückläufige Tendenz der Promotionsquoten und deren mögliche Bedeutung für die Promotion im Wissenschaftssektor sowie für die fachspezifischen Arbeitsmärkte seien weiter zu beobachten.
Als "sehr kritisch" sieht die Bundesregierung den Berichtsbefund, dass der elterliche Bildungshintergrund weiter eine entscheidende Rolle im Bildungsverlauf und bei der Aufnahme einer Promotion spielt. Sie betont die Wichtigkeit, weitere Maßnahmen zu ergreifen, "um das deutsche Wissenschaftssystem inklusiver werden zu lassen, damit keine Talente verloren gehen" und appelliert daher mit Nachdruck an alle Verantwortlichen und Beteiligten.
Befristung
"Die Bundesregierung stellt fest, dass sich die Sachlage bezogen auf befristete Beschäftigungsverhältnisse Promovierender insgesamt verbessert hat", heißt es in der Regierungsstellungnahme zur Beschäftigungssituation an Wissenschaftseinrichtungen. Die mit der Promotionsphase in der Regel verbundenen befristeten Beschäftigungsverhältnisse seien für das Wissenschaftssystem "grundsätzlich funktional". Ziel sollte jedoch weiter sein, die Vertragslaufzeiten insgesamt an die Dauer der Promotion anzugleichen und Kurz- und Kettenbefristungen zu vermeiden.
"Der Befund, dass Promovierende Kinderwünsche oftmals aufschieben, zeigt, wie wichtig es ist, dass die Hochschulen die wissenschaftliche Karriere während und nach der Promotion verantwortungsvoll gestalten", heißt es an die Hochschulen gerichtet. Die Bundesregierung sieht es in ihrer Stellungnahme als erforderlich an, dass alle beteiligten Akteurinnen und Akteure weiter auf eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Elternschaft und wissenschaftlicher Karriere hinwirken.
Bewertender Ausblick zur Weiterentwicklung des Berichts
Die Bundesregierung appelliert an die Verantwortlichen in den jeweiligen Organisationen, die eigenen Möglichkeiten hin zu einer verbesserten Datenqualität zu prüfen und weiter auszubauen. Eine hohe Verfügbarkeit, Vergleichbarkeit und Qualität der Daten seien notwendig für evidenzbasierte Aussagen und zielgenaue Maßnahmen zur Förderung der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Sie begrüßt zudem Überlegungen, den Bericht konzeptionell weiterzuentwickeln. Angedacht sei etwa die zusätzliche Betrachtung von Karriereoptionen in anderen Sektoren und Organisationstypen oder anderen Zielpositionen im wissenschaftlichen und wissenschaftsnahen Umfeld neben der universitären Professur, wie zum Beispiel Lecturer, Researcher, Research Manager.
cva