Mehrere Stapel mit ausgezählten Stimmzetteln für das Referendum über den Entwurf einer neuen Verfassung für Chile
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Referendum
Chilenen lehnen Entwurf für neue Verfassung ab

Die Mehrheit der Wähler in Chile hat die Vorlage für eine neue Verfassung abgelehnt. Das ist auch eine Niederlage für Bildung und Forschung im Land.

05.09.2022

In Chile ist der Plan für eine neue Verfassung klar gescheitert. In einer Volksabstimmung sprach sich eine große Mehrheit von 61,9 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung dagegen aus. Dies teilte die nationale Wahlbehörde nach Auszählung nahezu aller Stimmen am Montag in der Hauptstadt Santiago de Chile mit. Nur 38,1 Prozent stimmten dafür. Damit behält das südamerikanische Land seine aktuelle Verfassung, die noch aus der Zeit der Militärdiktatur unter General Augusto Pinochet (1973-1990) stammt.

Umfragen hatten bereits darauf hingedeutet, dass der Entwurf abgelehnt werden könnte, der klare Ausgang überraschte dann aber doch viele. An dem Referendum beteiligten sich am Sonntag mehr als 13 Millionen der insgesamt rund 15 Millionen wahlberechtigten Chilenen. In dem 19-Millionen-Einwohner-Land galt Wahlpflicht. An dem Entwurf hatte eine demokratisch gewählte Verfassungsgebende Versammlung ein Jahr lang gearbeitet.

Die nun durchgefallene Verfassung hätte Medienberichten zufolge das Land grundlegend verändert. Sie sollte unter anderem ein Recht auf Bildung, Gesundheit, Arbeit und Wohnraum garantieren, indem der Staat die Daseinsfürsorge übernimmt – Bereiche, die aktuell größtenteils in privater Hand sind. Der Entwurf enthielt auch eine Reihe von Artikeln, die darauf abzielten, das Bildungssystem zu verbessern und die Wissenschaft zu fördern, inklusive kostenloser Bildung für alle und einer Garantie auf Forschungsfreiheit. In der aktuellen Verfassung wird die Wissenschaft nur vergleichsweise kurz erwähnt. Das Bildungssystem ist durch starke soziale Ungleichheit geprägt.

Niederlage für das Bildungswesen

Das Scheitern bedeutet auch für Präsident Gabriel Boric eine schwere Niederlage. Der ehemalige Studentenführer, der im Dezember 2021 mit erst 35 Jahren zum Staatschef gewählt wurde, hatte sich eine neue Verfassung auf die Fahne geschrieben – eine der Hauptforderungen der Demonstranten, die 2019 auf die Straße gingen. Er versprach ein öffentliches Bildungs- und Gesundheitswesen nach dem Vorbild des europäischen Sozialstaats. Die Niederlage beim Referendum erkannte Boric gleich an.

Vor zwei Jahren war die Unterstützung einer neuen Verfassung in der Bevölkerung mit fast 80 Prozent noch sehr breit. Wie es nun weitergeht – ob etwa ein komplett neuer Verfassungstext ausgearbeitet werden soll oder die erste Version überarbeitet wird –, ist noch unklar. Präsident Boric lud für diesen Montag bereits alle Parteien ein, um über die nächsten Schritte zu sprechen, wie die Zeitung "La Tercera" berichtete.

dpa/ckr