Chinesische Flagge vor einem modernen Gebäude.
picture alliance/dpa | Soeren Stache

Science Diplomacy
Chinesische Wissenschafts-Delegation in Deutschland

Die Chinesische Wissenschaftsakademie besucht aktuell deutsche Wissenschaftsorganisationen. Was sagt das über die Wissenschaftsdiplomatie aus?

31.10.2024

In dieser Woche hat die erste Delegation der Chinesischen Wissenschaftsakademie (CAS) seit 2019 Deutschland besucht. Auf dem Terminplan standen Treffen mit der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Zunächst feierten CAS und MPG 50 Jahre Kooperation und Netzwerkbildung. Dann tauschten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die Präsidenten von CAS und Leopoldina auf der gemeinsamen Konferenz "Science for Future" zu Wegen in Richtung Kohlenstoffneutralität aus.

Zuletzt waren die Wissenschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China eher von Misstrauen bestimmt. Es dominierte die Frage, inwieweit deutsche Forschende mit Kolleginnen und Kollegen aus der Volksrepublik kooperieren sollten angesichts der Gefahr, dass Forschungsergebnisse für militärische Zwecke verwendet werden. Vor allem von Seiten der Politik wurde vor chinesischen Institutionen als Kooperationspartner gewarnt – etwa in der China-Strategie der Bundesregierung. Es solle eine Risikominimierung, ein "De-Risking" stattfinden, wenn auch keine Trennung der Kontakte, "De-Coupling".

Gemeinsame Konferenz "Science for Future"

Die Konferenz sei auch "ein Signal" an die Öffentlichkeit gewesen, sagte Dr. Ruth Narmann, Leiterin der Abteilung Internationale Beziehungen der Leopoldina gegenüber "Table.Media": "Wir brauchen die Kooperation, wir kommen an China nicht vorbei." Gerade bei dem Thema Kohlenstoffneutralität sei ein Austausch unverzichtbar. Als Ergebnis dieses Austausches haben die Diskussionsteilnehmenden ein gemeinsames, von den beiden Akademie-Präsidenten Professor Gerald Haug und Professor Jianguo Hou unterzeichnetes Papier veröffentlicht.

In der "Berlin Declaration" betonen CAS und Leopoldina die Bedeutung von Grundlagenforschung und internationaler Zusammenarbeit für das Erreichen der Kohlenstoffneutralität und formulieren konkrete Maßnahmen zur CO2-Reduzierung, wie die Leopoldina am Dienstag mitteilte. Zu diesen Maßnahmen gehöre die Entwicklung von Mess- und Überwachungstechniken für Kohlenstoff sowie für einen globalen CO2-Bepreisungsmechanismus und einen globalen Kohlenstoffmarkt. Auch sollten Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien sowie zum Kohlenstoffkreislauf-Management gefördert und ausgebaut werden. Mit der gemeinsamen Erklärung bekräftigten Leopoldina und CAS laut Mitteilung aber auch ihre Absicht, weiterhin vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.

Wie schätzen China-Fachleute den Austausch ein?

"Forschung & Lehre" hat einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gebeten, den Delegationsbesuch in Hinblick auf die deutsch-chinesische Wissenschaftsdiplomatie einzuschätzen. Der Austausch wird zwar begrüßt, aber Vorsicht bleibe nötig.

Dr. Sigrun Abels, Leiterin der China Centers der TU Berlin und Sprecherin des "Verbunds der Chinazentren an deutschen Hochschulen" (VCdH), begrüßt den Austausch mit China und hält ihn für notwendig. Für eine vertrauensvolle akademische Zusammenarbeit müssten allerdings faire und transparente Regeln existieren, sowie Datensicherheit und gegenseitiger Nutzen. "Wir sollten unsere Partner und das chinesische Wissenschaftssystem besser kennen." Zu den Risiken der Kooperation mit China berichtet Abels, dass in ihrem China Center ein Risiko-Analyse-Tool entwickelt werde, das ein Hilfsmittel im Prüfprozess internationaler Kooperationen darstellen werde.

Der Sinologe Dr. Hannes Gohli, ehemaliger Geschäftsführer des China Kompetenzzentrums an der Universität Würzburg, sieht die Verunsicherung vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland. So gingen Deutschland spannende Projekte (und Talente) mit und aus China verloren, denn chinesische Forschungseinrichtungen gehörten zu den besten der Welt. Natürlich müsse man Vorsicht in Hinblick auf das autoritäre Regime beibehalten, so Gohli. Allerdings fehlten klare Anweisungen und Unterstützungsorgane, ebenso wie ein Verständnis der chinesischen Wissenschaftslandschaft, den militärnahen Forschungseinrichtungen und den Verflechtungen der Universitätsleitungen mit der Partei. Bei der Aufklärung helfen sicher Fortbildungsangebote und Sensibilisierungsprogramme, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der 'China Regio' Förderung im letzten Jahr ins Leben gerufen hat, so Gohli. Eine bessere Verflechtung zwischen China Kompetenzzentren, Exportkontrollstellen und Ethikkommissionen sei nötig, beispielsweise überregional koordiniert. So könne Wissen zu Rechtsfragen rund um die Exportkontrolle, kulturelles Feingefühl und Sprachkompetenz für das Land China zusammengebracht werden.

Eine Teilnehmerin der Konferenz berichtete "Forschung & Lehre", dass beide Präsidenten Haug und Hou in ihren Keynotes erwähnten, dass der Klimawandel ein Thema sei, das politische und sozioökonomische Rahmenbedingungen brauche. Leider sei es auf der Konferenz primär um technische und naturwissenschaftliche Lösungen und Forschung gegangen. Nur ein Panel habe sich mit dem Thema Marktbedingungen und politische Rahmenbedingungen befasst. Es fehlte die Präsentation von sozialwissenschaftlichen Forschungen, die zum Beispiel untersuchen, welchen Beitrag die chinesische und deutsche Gesellschaft zur Kohlenstoffneutralität leisten können, welche politischen Strukturen und wirtschaftlichen Prioritäten diesen Prozess beeinflussen oder hemmen. "Das zeigt, dass zwar auf politischer Ebene in China und Deutschland beide erklären, dass die Kooperation im Bereich Klimawandel und Kohlenstoffneutralität gestärkt werden soll, aber dass vor allem die chinesische Seite die Zusammenarbeit lieber auf den technischen Bereich fokussiert, während sozialwissenschaftliche Forschungen in den Hintergrund rücken", so die Wissenschaftlerin.

"Die Konferenz verschleiert unbequeme Wahrheiten, indem sie den Fokus auf technische Lösungen lenkt", beurteilt auch der Assoziierte Professor Andreas Fulda, Universität Nottingham, im Gespräch mit "Forschung & Lehre" die Veranstaltung. Die Konferenz suggeriere "fälschlicherweise, dass China ein verlässlicher Partner im Kampf gegen den Klimawandel sein könnte". Die chinesische Führung habe zwar ehrgeizige Klimaziele formuliert, doch die Realität sehe anders aus: Kohle bleibe unangefochten die zentrale Energiequelle und China untergrabe das Ziel der Klimaneutralität konsequent durch den rasanten Ausbau von Kohlekraftwerken. Die Kommunistische Partei strebe eine globale Führungsrolle im Bereich erneuerbarer Energien an und dominiere die Photovoltaik-Produktion, halte aber gleichzeitig an fossilen Energien fest. Die Konferenz scheine solche Konflikte nicht anzusprechen. Stattdessen werde der Eindruck erweckt, dass Dialog und Kooperation mit China Probleme lösen könne. "Zweifel sind angebracht", so Fulda.

cpy