Portraifoto von Bettina Stark-Watzinger
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Bildung
"Das deutsche Bildungssystem steckt in tiefer Krise"

Vor dem Bildungsgipfel am kommenden Dienstag fordern Ampel-Politikerinnen und -Politiker bessere Zusammenarbeit. Ein "Team Bildung" sei nötig.

12.03.2023

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat tiefgreifende Reformen im Schul- und Bildungssystem gefordert. Sie sagte der "Bild am Sonntag": "Das deutsche Bildungssystem steckt in einer tiefen Krise, die uns alle betrifft." Bund, Länder und Kommunen müssten in der Bildung an einem Strang ziehen. Der Bund könne nicht immer weiter Geld geben. "Wir müssen endlich an die strukturellen Probleme ran. Das wird nur mit einer neuen Form und Kultur der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten gehen. Wir müssen ein Team Bildung aufstellen, statt mit dem Finger auf andere zu zeigen."

In Berlin kommen am Dienstag Vertreter von Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zum "Bildungsgipfel" zusammen, an dem Treffen nimmt auch Stark-Watzinger teil. Die Ampel hatte ein Treffen unter diesem Titel in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Verbesserungen im Bildungssystem werden oft wegen der verschiedenen Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen erschwert. Nach dem Treffen soll eine neue Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Seiten und zusätzlichen Experten Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit erarbeiten.

Die Bildungsministerin sagte der Zeitung, besonders bei der Digitalisierung brauche es "mehr Tempo". "Von den fünf Milliarden Euro des eigentlichen Digitalpakts ist zwar schon viel verplant, aber noch zu wenig an den Schulen angekommen. Das liegt auch an der zu bürokratischen Umsetzung." Zugleich kritisierte Stark-Watzinger, dass vielerorts Schulgebäude marode seien: "Es stimmt, dass die Schulen in Deutschland teilweise in einem schlimmen Zustand sind. Nicht nur bei der Digitalisierung gibt es Defizite, sondern auch in Bezug auf sanitäre Anlagen und Turnhallen. Der Investitionsstau muss parallel zur Digitalisierung angegangen werden."

Mehr Zusammenarbeit gegen "Bildungskrise" gefordert

Auch Bildungsexperten der Grünen mahnten eine bessere Kooperation der verschiedenen Ebenen und Akteure in der Bildungspolitik an. "Der Bildungsgipfel muss ein Ausrufezeichen setzen und klarmachen, dass nur ein erfolgreicheres Zusammenwirken für bessere und chancengerechte Bildung die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sichert", sagte der Vorsitzende des Bildungsausschusses des Bundestages, Kai Gehring, der Deutschen Presse-Agentur. Das Treffen müsse der Startschuss für eine neue Kultur der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen mit der Bildungsforschung und Zivilgesellschaft sein.

Er verwies auf brennende Probleme wie den Lehrkräftemangel, Lernrückstände und Leistungsverschlechterungen bei Schülern sowie eine hohe Schulabbrecherquote vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels. Alle Ebenen und Akteure seien aufgefordert, für mehr Chancengerechtigkeit, höhere Durchlässigkeit, Qualität und Leistungsfähigkeit sowie Aufstiegsmöglichkeiten zu sorgen, "damit wir nicht in eine tiefe Bildungskrise schlittern".

SPD-Chefin Saskia Esken hatte vor dem Bildungsgipfel ihre Forderung nach einem 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögen für die Bildung bekräftigt. Sie erwarte von der Veranstaltung einen "Startschuss" für einen Bildungsaufbruch, sagte Esken laut der "Rheinischen Post" von Montag.

Der Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, Professor Ludger Wößmann, warnte indes vor einer Entwertung der Abiturnoten in Folge der Corona-Pandemie. "Wir müssen dringend zurück zur früheren Benotung und zum vorherigen Leistungsanspruch, sonst geht die wichtige Signalwirkung der Abiturnoten verloren", sagte er der "Bild am Sonntag".

Die bildungspolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Ria Schröder, kritisierte unterschiedliche Anforderungen in den Bundesländern: "Deutschland leistet sich 16 verschiedene Schulsysteme, Lehrpläne und Prüfungsordnungen. Dabei kann kein einheitliches Abitur herauskommen", sagte Schröder der Zeitung. "Wir brauchen mehr Qualität durch Vergleichbarkeit in der Bildung."

Absagen aus der Union

Einige der zentralen Akteure, die das Bundesbildungsministerium (BMBF) zum Bildungsgipfel eingeladen hatte, werden dem Treffen allerdings voraussichtlich fernbleiben – die Landesressortchefs der Union. "Die Kultusminister der Union werden auf Staatssekretärsebene vertreten sein", bestätigte eine Sprecherin des Ministeriums am Sonntag einen Bericht des Portals "Table.Media".

Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) begründete die Absage unter anderem mit fehlender Abstimmung im Vorfeld. "Das BMBF hätte einen solchen Gipfel professionell vorbereiten müssen; weder der Termin noch Format und Inhalte waren mit uns abgesprochen", sagte er "Table.Media" am Sonntag. "Schon in der Planung hätte die Ministerin alle Akteure an einen Tisch holen müssen, dann hätte man inhaltliche Pflöcke einschlagen können", sagte der CDU-Politiker. "Das BMBF zäumt das Pferd vom Schwanz auf." In seinem Fall verwies er zudem auf Terminschwierigkeiten wegen eines Ausbildungsgipfels in Hessen am selben Tag.

aktualisiert am 13.03.2023 um 10.06 Uhr, zuerst veröffentlicht am 12.03.2023

dpa/cpy