

Chief Scientific Advisor
Debatte über neuen Zuschnitt des BMBF
Bundestagswahlen, Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen erzeugen Hoffnungen. Was wäre wenn? Diesem Gedankenspiel folgen auch Organisationen und Personen aus der Wissenschaftscommunity. Welche Rolle könnten Wissenschaft, Forschung und Innovation in der bevorstehenden Legislaturperiode spielen und wie würde sich das im Regierungszuschnitt abbilden?
Ein starkes Forschungs- und Innovationsministerium steht nicht nur auf der politischen Wunschliste der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), welche sich in ihrem aktuellen Gutachten explizit dafür ausspricht, "die Zuständigkeiten für die F&I-Politik in einem Ministerium zu bündeln", um sie "gesamtheitlich in den Blick zu nehmen". Zu den Befürwortern zählen auch die Volkswagenstiftung, der Stifterverband und die Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Sie bescheinigen dem aktuellen politischen Handeln in ihrem Thesenpapier zum Forschungsstandort Deutschland "fragmentierte Zuständigkeitsdiskussionen und eine kleinteilige Steuerung", welche "Ineffizienzen" generiere. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen äußert sich ähnlich.
Darüber hinaus zielte der Vorschlag des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, im Vorfeld der Bundestagswahl, "wissenschaftlicher Politikberatung einen Platz zu geben, der hoch aufgehängt ist" und "von keiner politischen Strömung erfassbar sein dürfe". Damit könne die Wissenschaft eine Langzeitperspektive in die Politik einbringen und politische Entscheidungen wirksamer machen. Cramer nannte Großbritannien und Kanada als Vorbild für die Einrichtung eines derartigen Amtes. Er betonte, wie "wirkmächtig" die theoretische Biologin Professorin Angela McLean als wissenschaftliche Chefberaterin sei, da sie mit am Kabinettstisch sitze. Ihr sei es zu verdanken, dass Großbritannien demnächst wahrscheinlich wieder an Erasmus+ teilnehmen werde.
Im Wiarda-Blog ist aktuell zu lesen, dass eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Telekom-Stiftung zeige, dass es sowohl für die Einrichtung eines Chief Scientific Advisors als auch eines eigenständigen Bundesbildungsministeriums eine breite Zustimmung der bundesdeutschen Öffentlichkeit gebe.
Schlaglicht: wissenschaftliche Regierungsberatung Made in Britain
In Großbritannien ist der wissenschaftliche Regierungsberater beziehungsweise die wissenschaftliche Regierungsberaterin (Government Chief Scientific Adviser, GCSA) verantwortlich dafür, exzellente wissenschaftliche Beratung ins Zentrum der Entscheidungsfindung zu stellen, formuliert die Regierung auf ihrer Website.
Diesem Auftrag komme die Person im Amt nach, indem sie dem Premierminister oder der Premierministerin und dem Kabinett wissenschaftliche Beratung proaktiv oder auf Anfrage zur Verfügung stelle. Diese solle "relevant, exzellent und zielgerichtet" geliefert werden. Darüber hinaus ist es die Aufgabe des GCSA, in Zusammenarbeit mit der Regierung "Mechanismen für wissenschaftliche Beratung zu implementieren, die effizient und effektiv sind". Diese Mechanismen sollen zudem sicherstellen, dass wissenschaftliche Beratung gegenüber den Machhabenden immer die Wahrheit formulieren könne und "unwiderruflich" in den Regierungssystemen verankert sei.
McLean ist seit 2023 die wissenschaftliche Regierungsberaterin. Zuvor war sie die wissenschaftliche Hauptberaterin des Verteidigungsministeriums. Im Vorfeld hatte sie eine Stelle als Professorin für mathematische Biologie am Zoologischen Institut der Universität Oxford inne. Sie hat an der Modellierung von Epidemien wie der Vogelgrippe und COVID-19 gearbeitet, was ihre Expertise in der Krisenbewältigung für die Regierung besonders wertvoll machte.
McLean erklärte in einem Interview mit der "Association of british science writers" nach einem Jahr im Amt, dass ihre Beratung des Premierministers durch ihr Büro, Government Office for Science (GO-Science), unterstützt wird und auf einem Netzwerk von wissenschaftlichen Hauptberaterinnen und Hauptberatern basiert, die befristet in verschiedenen Ministerien tätig sind. Diese Positionen könnten ihren Ausführungen nach für wissenschaftliche Kolleginnen und Kollegen herausfordernd sein, da sie oft das Gefühl hätten, "ein Fremder in einem fremden Land" zu sein.
Die Beziehung zwischen Wissenschaft und Regierung würden laut McLean gestärkt, wenn "Beamtinnen und Beamte sich wohlfühlen, wissenschaftliche Fragen zu stellen, und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereit sind zu erklären", so McLean weiter. Sie betonte, dass es von Vorteil wäre, wenn Personen aus Politik und Verwaltung tiefere Diskussionen mit Forschenden führen würden.
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