Sechs lachende Studierende mit und ohne Kopftuch vor einem Universitäts-Gebäude
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Wissenschaftsfreiheit
Debatte um Kopftuch-Konferenz

Die Hochschule als Ort freier Meinungsäußerung und offener Debatten? Nicht immer ist dieses Ideal Realität, wie eine Diskussion in Frankfurt zeigt.

Von Sandra Trauner 07.05.2019

700 Anmeldungen für 150 Plätze, erhöhte Sicherheitsvorkehrungen wegen angekündigter Proteste – eine Podiumsdiskussion über das islamische Kopftuch wurde schon im Vorfeld angefeindet. Die Veranstaltung des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam stößt aber auch auf reges Interesse. Wenn die Diskussion mit dem Titel "Das Islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?" am Mittwoch (8. Mai) stattfindet, geht es nicht nur um Pro und Contra einer religiösen Kopfbedeckung. Es geht auch um die Frage, wie es aktuell um die Diskussionskultur an den Hochschulen steht.

Das Podium ist hochkarätig – und durchaus ausgewogen – besetzt: Kopftuch-Gegnerinnen wie Alice Schwarzer sind dabei, Kopftuch-Trägerinnen wie Khola Maryam Hübsch und auch Sozialminister Kai Klose (Grüne) ist eingeladen. Dennoch sah sich die Direktorin des Zentrums, Professorin Susanne Schröter, Anfeindungen ausgesetzt. In sozialen Medien wurde ihr "anti-muslimischer Rassismus" vorgeworfen. Nach der Kampagne "Schroeter_raus" heißt es inzwischen "wirbleibenlaut", wie der Sprecher der Forschungszentrums berichtet.

Kürzlich hatten Studierende an der Frankfurter University of Applied Sciences einen Hörsaal besetzt und sich verbarrikadiert. Sie wollten verhindern, dass der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen an einer Diskussionsveranstaltung zur Europawahl teilnimmt. Die Polizei musste den Saal räumen, damit die Debatte stattfinden konnte. Auch hier war das Podium vielfältig besetzt, die AfD musste sich mit CDU, SPD, FDP und Linken auseinandersetzen.

Sollen nicht gerade an Hochschulen Debatten möglich sein? Sollten nicht gerade hier Argumente ausgetauscht und bewertet werden? Ja, sagt der Marburger Sozialpsychologe Professor Ulrich Wagner, so sähe die ideale Welt aus, aber die Psychologie stelle uns immer wieder Fallen.

"Unsere Idee von Wissenschaft und unsere Idee von Demokratie sind sehr ähnlich", sagt Wagner. Alle legen ihre Argumente auf den Tisch, alle Argumente sind gleich viel wert, es ist egal, wer das Argument vorbringt: "Soweit die ideale Welt des wissenschaftlichen Diskurses und der liberalen Demokratie."

"Wir hören am liebsten Argumente, die unsere Meinung bestätigen."

In der Realität sehe das aber anders aus: Viele Probleme seien so komplex, dass oft stark vereinfacht wird; wir hören am liebsten Argumente, die unsere Meinung bestätigen; wer besser reden kann wird mehr gehört; wer mehr Macht hat, sichert sich eine bessere Position. "Das alles widerspricht unserer Idee von offenen, liberalen Auseinandersetzungen."

Die Hochschulleitungen haben sich klar positioniert, wann immer Studierende Veranstaltungen torpedieren wollten: Hass-Kampagnen stünden "außerhalb jeglichen demokratischen Diskurses", öffentliches Bloßstellen sei kein Mittel der politischen Auseinandersetzung, Hochschulen seien "der politischen Neutralität verpflichtet". Aber nicht immer verfangen solche Appelle.

Ein Gedicht von Eugen Gomringer wurde von der Fassade einer Berliner Hochschule entfernt, weil Studierende es sexistisch fanden. In Frankfurt stürmten linke Aktivisten eine Vorlesung und verteilten Flugblätter gegen eine angeblich rechtsgesinnte Studentin – mit Foto, Namen, Anschrift und dem Aufruf zum Protest. Beispiele – so unterschiedlich in Motiv und Mittel sie sein mögen – gibt es viele.

Dass Studierende aggressiver oder intoleranter sind als früher, glaubt Wagner nicht: "Denken Sie nur an die 68er." Allerdings sieht der Sozialpsychologe zwei Veränderungen: Zum einen würden Anti-Haltungen schneller kommuniziert und Proteste medial stärker wahrgenommen. Zum anderen könne das Bemühen um Political Correctness dazu führen, "dass es ein größeres Maß an Sensibilität gibt."

Positionen, die einem persönlich widerstreben, vom Diskurs auszuschließen, hält Wagner "nicht für klug". Veranstalter sollten sich nicht unter Druck setzen lassen: Für Wissenschaft wie Demokratie sei es unerlässlich, dass alle die Möglichkeit haben, ihre Argumente vorzubringen, sofern diese sich an die Regeln halten.

dpa