Ein Schüler zeigt im Unterricht auf
dpa

Kompetenzen von Schülern
Deutschland in Pisa-Studie erneut leicht verschlechtert

Die siebte Pisa-Studie liegt auf dem Tisch. Schülerinnen und Schüler aus Deutschland kommen schlechter weg und sind doch überdurchschnittlich.

03.12.2019

Nach mehrjährigem Aufwärtstrend bis 2013 erlebt Deutschland nun den zweiten Pisa-Knick in Folge. Die deutschen Schülerinnen und Schüler haben sich in allen drei Bereichen der internationalen Vergleichsstudie – Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften – verglichen mit 2016 leicht verschlechtert. Auch damals waren ihre erzielten Punkte in zwei Bereichen verglichen zur vorherigen Erhebnung gesunken.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wies bei der Vorlage der Zahlen am Dienstag in Berlin aber auch darauf hin, dass die deutschen Schülerinnen und Schüler leistungsmäßig weiterhin über dem OECD-Durchschnitt und damit auf einem guten Niveau lägen. In Mathematik und Naturwissenschaften sei Deutschland sogar deutlich besser als der Durchschnitt der OECD-Länder. Der Abstand zur Spitzengruppe in Europa und Asien mit Singapur, Hongkong, Japan, Estland, Kanada oder Finnland bleibt dennoch groß.

"Einer der Faktoren hinter dem Leistungsrückgang können die seit der Flüchtlingskrise gestiegenen Ansprüche an das Bildungssystem sein", hieß es von der OECD. Der Anteil von Schülerinnen und Schülern "mit eigener Migrationserfahrung" sei seit der letzten Pisa-Erhebung deutlich gestiegen, und deren Integration in das Bildungssystem sei eine große Herausforderung.

Die Pisa-Studie ist die größte internationale Leistungsvergleichsstudie von Schülerinnen und Schülern. Dieses Mal nahmen rund 600.000 Schülerinnen und Schüler aus 79 Ländern teil, in Deutschland knapp 5.500. Es war die mittlerweile siebte Runde. Seit dem Jahr 2000 werden für den Vergleichstest alle drei Jahre weltweit Hunderttausende im Alter von 15 Jahren in den Bereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften getestet.

Lesekompetenz im Fokus der Pisa-Studie 2019

Schwerpunktmäßig wird jeweils ein Bereich stärker abgefragt. Diesmal ging es vor allem um die Lesekompetenz. Die Tests finden inzwischen vor allem am Computer statt. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich durch verschiedene Aufgaben klicken.

Im Bereich Lesen erreichten die Deutschen einen Punktwert von 498 (2016: 509), in Mathematik 500 (2016: 506) und in Naturwissenschaften 503 (2016: 509). Die Spitzenländer kamen auf Werte zwischen 550 und 590, Länder am Ende der Skala wie die Dominikanische Republik oder die Philippinen auf Werte zwischen 325 und 340.

Vergleicht man die Ergebnisse der aktuellen Studie mit der letzten Schwerpunktstudie Lesen, die 2010 veröffentlicht wurde, erreichen die 15-Jährigen in Deutschland heute ähnliche Ergebnisse.

In Deutschland – so wie auch in allen anderen OECD-Staaten – schnitten die Mädchen bei der Lesekompetenz deutlich besser ab als die Jungen. In Mathe sind die Jungen vorne. Bei den Naturwissenschaften sieht das Autorenteam in Deutschland keine Unterschiede. Als bedenklich eingestuft wird, dass jeder fünfte 15-Jährige beim Lesen nur ein sehr geringes Leistungsniveau erreicht. Das heißt, er oder sie kann mit ganz einfachen Leseanforderungen nicht umgehen. Auch in Mathe und Naturwissenschaften liegt der Anteil der leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler bei rund 20 Prozent.

Die Autorinnen und Autoren kritisieren bei der Vorlage der Ergebnisse ein altbekanntes Problem in Deutschland: Der Schulerfolg hänge in der Bundesrepublik weiterhin stärker von der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler ab als im Durchschnitt der OECD-Länder. Privilegierte Schüler hätten einen deutlichen Leistungsvorsprung zu denen, die "sozioökonomisch benachteiligt" seien.

Neben den Tests, die die Teilnehmenden absolvieren mussten, wurde auch das Thema "Lesefreude" abgefragt. Im Zehnjahresvergleich wird dabei sichtbar, dass das Interesse der Jugendlichen am Lesen abnimmt. Jeder zweite befragte 15-Jährige in Deutschland sagte: Ich "lese nur, wenn ich lesen muss" oder "um Informationen zu bekommen, die ich brauche". Lesen als liebstes Hobby gab nur jeder Vierte an. Mehr Schülerinnen und Schüler (34 Prozent) sagten dagegen, für sie sei Lesen Zeitverschwendung.

Karliczek: "Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein"

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek zeigte sich unzufrieden mit den aktuellen Ergebnissen. "Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein", sagte die CDU-Politikerin laut einer gemeinsamen Mitteilung ihres Ministeriums und der Kultusministerkonferenz vom Dienstag. Die Bundesministerin hob zwar auch hervor, dass Deutschland ein gutes Schulsystem habe und auch in dieser Pisa-Studie leicht über dem OECD-Durchschnitt liege, sagte jedoch: "Damit können wir nicht zufrieden sein. Andere Staaten ziehen an uns vorbei."

Besonders bedenklich sei, dass jeder fünfte 15-Jährige nicht einmal auf Grundschulniveau lesen könne, sagte Karliczek. Bund und Länder seien gemeinsam gefordert, das Bildungssystem weiter zu verbessern, "jeder in seinem Verantwortungsbereich". So werde der Bund Programme zur frühkindlichen Leseförderung "noch konsequenter weiterverfolgen".

Derweil betonen Bildungsforscher wie zuletzt die Münchener Professorin Kristina Reiss im "Spiegel", dass Pisa kein Schulwissen teste, sondern die allgemeinen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Die Ergebnisse sagten auch viel darüber aus, wie gut Eltern ihre Kinder fördern könnten, sagte die Koordinatorin der Pisa-Studie in Deutschland.

aktualisiert: 03.12.19, 10:50 Uhr

dpa/kas