Containerschiff im Hafen, im Vordergrund eine deutsche Flagge
picture alliance/dpa | Daniel Bockwoldt

Ukraine-Krieg
Deutschlands Exportstärke bedroht

Der Ukraine-Krieg wird die globalisierte Welt verändern. Vor allem Deutschland muss als Exportnation mit Einschränkungen rechnen, sagt ein Historiker.

10.03.2022

Der Historiker Professor Andreas Wirsching sieht im Krieg in der Ukraine einen tiefen Einschnitt der Weltgeschichte und ein Ende der bisherigen Globalisierung. Der Angriff Russlands auf die Ukraine bringe "das erste Mal seit 1945 den Krieg als Überfall eines souveränen Staates zurück nach Europa", sagte der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte der Deutschen Presse-Agentur. "Damit wird die internationale Sicherheitsarchitektur weltweit erschüttert." Außerdem werde es nach dieser Zäsur kein Zurück zur bisherigen Globalisierung geben. Gerade Deutschland müsse sich "auf weitere Störungen des internationalen Handels, wirtschaftliche und finanzielle Unsicherheit" einstellen und auf Millionen Flüchtlinge.

Deutschlands Zukunft werde "weniger rosig aussehen als unsere jüngere Vergangenheit", sagte Wirsching, Inhaber des Lehrstuhls für Neueste Geschichte an der Universität München. "Deutschland war mit seiner Exportstärke einer der großen Profiteure der Globalisierung und ihren weltweit offenen Grenzen. Deren Kehrseite liegt im Anwachsen direkter und indirekter Marktabhängigkeiten. Sie wurden teilweise schon durch die Pandemie sichtbar, die bekanntlich schwere Lücken in die globalen Lieferketten gerissen hat. Aufgrund des russischen Krieges gegen die Ukraine droht nun das Gespenst einer Energiekrise; und auch künftig wird es keinen einfachen Weg zurück geben."

Friedensordnung aufgekündigt

Der Krieg in der Ukraine habe "die Friedensordnung von 1990 definitiv aufgekündigt". "Mit seinem Angriffskrieg evoziert Putin schlimme Erinnerungen an die 30er Jahre. 1938/39 überließen die Westmächte die militärisch hilflose Tschechoslowakei ihrem Schicksal." Das seien die ersten Zeichen für einen großen europäischen Krieg gewesen.

2022 mache aber "zumindest etwas Mut, dass Putins Attacke auf einen weitgehend geschlossenen Westen trifft". "In der Vergangenheit hat sich der Westen äußerlich als zu schwach und im Innern zu uneins präsentiert, um großen Respekt einzuflößen. Man denke nur an die Rückzüge der Amerikaner in Afghanistan und vor allem in Syrien." Außerdem gebe es existenzielle innenpolitische Zerreißproben insbesondere in den USA, in Großbritannien, Polen und anderswo. "Überdies hat die Corona-Krise die offenen westlichen Gesellschaften besonders hart getroffen, ihre Wirtschafts- und Finanzkraft geschwächt und wichtige Zeit für dringende Reformen gekostet."

Das 1949 gegründete Institut für Zeitgeschichte (IfZ) ist eine außeruniversitäre Einrichtung, die die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart in ihren europäischen und globalen Bezügen erforscht. Als erstes Institut sollte es einst vor 70 Jahren die nationalsozialistische Diktatur wissenschaftlich erschließen.

dpa