Portraitfoto von Professor Lambert T. Koch, DHV-Präsident
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Wissenschaftspolitik
DHV fordert Reformen für zukunftsfähige Wissenschaft

Das Wissenschaftssystem muss konstruktiv weiterentwickelt werden, fordert der Deutsche Hochschulverband. Auch die Finanzierung müsse angemessen sein.

02.04.2025

Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hat in einer Resolution für die Wissenschaft in Deutschland Stellung bezogen. Die Erklärung wurde anlässlich des 75. DHV-Tags verabschiedet. In ihr fordert der Verband laut Mitteilung vom Mittwoch bessere Karrierechancen für Forschende und appelliert, eine verlässliche und angemessene Hochschulfinanzierung sicherzustellen. "Nicht zuletzt angesichts unsicherer Karriereaussichten kehren immer mehr Talente der Wissenschaft den Rücken", sagte DHV-Präsident Professor Lambert T. Koch am Dienstag in Berlin. Dies müsse verhindert werden, indem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in frühen Karrierephasen bessere berufliche Chancen bekommen. Er forderte zudem, Berufswege auf und neben der Professur auszubauen. Auch der Personalschlüssel von 59 Studierenden pro Professor oder Professorin müsse verbessert werden.

Um mehr Frauen für Spitzenpositionen zu gewinnen, plädiert der Verband für familiengerechte Arbeitsbedingungen. Dazu gehörten Hilfen bei der Kinderbetreuung, flexible Teilzeitlösungen und die Lockerung von dienstrechtlichen Altersgrenzen ebenso wie der Ausbau von "Tenure Track"-Modellen.

Wie Unterstützungen finanziert werden könnten

Der DHV fordert von Bund und Ländern eine "verlässliche und angemessene Hochschulfinanzierung". "Wer den Wohlstand und die Innovationskraft unseres Landes sichern will, darf trotz sich eintrübender Konjunktur und vielfältiger innen- und außenpolitischer Herausforderungen bei Bildung und Wissenschaft und damit der Zukunft unseres Landes nicht sparen", erklärte Koch.

Große Investitionen könnten durch Kürzungen in anderen Bereichen finanziert werden. Alternativ könnten Forschung und Lehre auch als "Zukunftsinvestition" von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Von dem unlängst beschlossenen milliardenschweren Infrastrukturpaket müssten unbedingt auch die Hochschulen profitieren, so der Verbandspräsident. Bauvorhaben müssten vereinfacht werden und sollten in Zusammenarbeit mit der freien Wirtschaft geprüft und umgesetzt werden.

Stärkung der Attraktivität und Freiheit des Forschungsstandorts

In Hinblick auf sich abzeichnende Personalengpässe an den Hochschulen in Deutschland fordert der Verband vereinfachte und beschleunigte Visa-Vergabeverfahren für auswärtige Wissenschaftstalente. "Nicht nur Hochschulen, sondern Staat und Gesellschaft als Ganzes sind gefordert, ihre Willkommenskultur konsequent fortzuentwickeln", sagte Koch. Rassismus und Gewalt müssten "auf allen Ebenen konsequent begegnet werden". Auch der Schutz von Forschenden, die wegen ihrer wissenschaftlichen Positionierungen angegriffen werden, sei eine "Gemeinschaftsaufgabe".  

Bei der Leistungsbewertung begrüßt der DHV ausdrücklich Initiativen, die den unreflektierten Einsatz von Metriken zurückdrängen möchten: Die Qualität wissenschaftlicher Ergebnisse beruhe auf "differenziertem Abwägen anstatt auf standardisiertem 'Abwiegen'". Auch das Einwerben von Drittmitteln sei kein "valider Prädiktor" für herausragende Forschung, ebenso wenig wie dies weitere Metriken erlaubten, etwa Publikationszahlen und Zitationsindices.

Wertschätzung für mutige Forschung und evidenzbasiertes Wissen

Bei der Forschungsfinanzierung empfiehlt der DHV, dass die Programmpauschalen erhöht werden, allerdings "nicht auf Kosten der Bewilligungsquoten", so Koch. Damit knüpft er an Forderungen des Wissenschaftsrats an, der diese zuletzt Anfang 2023 in einem Positionspapier zu den Strukturen der Forschungsfinanzierung geäußert hatte. Auch individueller Mut zum Risiko müsse sich lohnen und belohnt werden. Der DHV-Präsident befürwortet es, die Einzelförderung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu stärken. Nur so könne sichergestellt werden, dass Forschung "nicht zu sehr durch Förderprogramme gesteuert" wird, da diese oft "konkreten Verwertungsinteressen" unterliegen. Die Grundlagenforschung dürfe nicht vernachlässigt werden.

Der DHV rät dazu, die politische Beratungsfunktion der Wissenschaft weiter zu stärken. In Streitfragen könne sie "evidenzbasiertes Wissen zur Verfügung stellen", an dem die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sich orientieren können. Dafür bedürfe es einer transparenten Kommunikation zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. "Vertrauen bildet die Basis dafür, dass Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen wertgeschätzt und unterstützt werden", so Koch.

75 Jahre DHV – Jubiläumsfeier in Berlin

Der DHV wird in diesem Jahr 75 Jahre alt. Mit 300 Gästen aus Hochschule, Politik und Gesellschaft hat der Verband das Jubiläum am 31. März im Konzerthaus in Berlin im Rahmen der "Gala der Wissenschaft" gefeiert. 

Am Folgetag fand unter dem Motto "Was Wissenschaft bewegt" eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung statt. In der inhaltlichen, instrumentellen und institutionellen Dimension analysierten die Rednerinnen und Redner Themen von besonderer gesellschaftlicher Relevanz wie beispielsweise den Klimawandel und Künstliche Intelligenz und wie die Wissenschaft sich zu ihnen verortet. Die Mai-Ausgabe von "Forschung & Lehre" greift diese Perspektiven schwerpunktmäßig auf.

Im Rahmen der sich anschließenden Delegiertenversammlung wurde am Dienstag Professor Lambert T. Koch als DHV-Präsident im Amt bestätigt, ebenso wie die Erste Vizepräsidentin Professorin Ilona Rolfes. Außerdem gehören dem Präsidium weiterhin als Vizepräsidentin und Vizepräsident an: Professorin Christina Marie Thiele, Professor Bernd Helmig und Professor Karl-Rudolf Korte. Als neue Vizepräsidentinnen gewählt wurden Professorin Heike Kielstein und Professorin Judith Froese.
 

cpy