Fördergeld-Affäre
Döring bleibt Aussage versagt
*** Update vom 9. September: ***
Das Verwaltungsgericht Minden hat die beantragte Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht der ehemaligen BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring am 6. September abgelehnt. Laut Mitteilung des Gerichts wird die Ablehnung unter anderem damit begründet, dass Dörings Persönlichkeitsrecht durch die Presseerklärung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vom 16. Juni nicht verletzt worden sei, in welchem sie als Veranlasserin des erbetenen Prüfauftrags dargestellt worden war. Sie selbst hätte sich dem Gericht zufolge als Antragstellerin des Prüfauftrags ausgegeben und habe somit kein berechtigtes Interesse an einer Aussage in dieser Sache. Vor Gericht könne Döring zudem nur ihre eigenen Interessen und nicht die der Öffentlichkeit geltend machen. Döring könne Rechtsmittel gegen die Eil-Entscheidung einlegen.
Somit werde Döring auch nicht bei der heutigen Sitzung der Arbeitsgruppe "Bildung und Forschung" der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion aussagen dürfen, konkretisiert der Wiarda-Blog die Folgen des Urteils. Wenige Tage zuvor habe das BMBF kurzfristig die Herausgabe aller relevanten Dokumente an den Bildungsausschuss angekündigt, um dann lediglich bereits bekannte Akten und Informationen zu liefern. Für dieses Vorgehen sei Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger selbst aus den eigenen Koalitionsreihen scharf kritisiert worden. Beispielsweise betonte der bildungspolitische Sprecher der SPD, Oliver Kaczmarek, dass die vom BMBF vorgelegten Unterlagen nicht ausreichen würden, um die gegen das Haus und die Ministerin gerichteten Vorwürfe zu entkräften.
*** Update vom 2. September: ***
Döring am 10. September nicht dabei
Die Obleute-Runde des Bildungsausschusses hat sich am 30. August gegen die Einladung der ehemaligen BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring entschieden. Auch der Abteilungsleiter "Hochschule", Jochen Zachgo, wird bei der Ausschuss-Sondersitzung am 10. September nicht dabei sein, heißt es in diversen Medienberichten.
*** Stand vom 30. August: ***
Döring drängt vor Gerichtsurteil auf Ausschuss-Einladung
Während sowohl das Bundesbildungsministerium (BMBF) als auch die Koalitions-Obleute im Bildungsausschuss es nach eigenen Aussagen für notwendig halten, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden über die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht der ehemaligen Staatssekretärin Sabine Döring abzuwarten, sieht sie selbst das anders.
In einer Mail vom 26. August an den Vorsitzenden des Bildungsausschusses, Kai Gehring, sowie an die Obleute-Runde der Fraktionen im Bundestag fordert Döring die Ausschussmitglieder explizit auf, sie für eine Aussage in die Sondersitzung zur Fördergeld-Affäre am 10. September einzuladen: "Der zuständige Ausschuss des Deutschen Bundestages könnte hier Klarheit schaffen, indem er das große Ausmaß des öffentlichen Interesses durch eine persönliche Einladung an mich dokumentiert, die das VG Minden dann in seine unabhängige Entscheidung einfließen lassen mag."
Dass der Ausschuss die Entscheidung des Gerichts nicht abwarten müsse, sei laut Döring die "Auffassung führender Juristen".
Auf Anfrage von "Forschung & Lehre" führt Döring diese Einschätzung aus: "Die Wissenschaftler und die Fachjournalisten haben die Zulassung meiner Aussage vehement eingefordert und tun dies nach wie vor. Exemplarisch der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Herr Professor Lambert Koch. Namhafte Juristen wie Professor Ralf Michaels und Professor Klaus Ferdinand Gärditz haben die Begründung der Ministerin, meine Verschwiegenheitspflicht nicht aufzuheben, für 'unsinnig' erklärt. Die Einladung von (externen) Gesprächspartnern zu TOPs in Selbstbefassung steht dem Ausschuss meines Wissens frei." Nach Dörings Auffassung gelte das auch für ehemalige Staatssekretärinnen und Staatssekretäre.
"Da ich bei Abstimmungen anwesend und einbezogen war, die heute der Kritik ausgesetzt sind, mag es persönliche Interessen geben, dass diese Inhalte nicht offenbart werden."
Sabine Döring, BMBF-Staatssekretärin a.D.
Sie habe zudem für die Weigerung der Bundesministerin Stark-Watzinger, sie von ihrer dienstlichen Verschwiegenheitspflicht zu befreien, keine rationale Erklärung. "Da ich bei Abstimmungen anwesend und einbezogen war, die heute der Kritik ausgesetzt sind, mag es persönliche Interessen geben, dass diese Inhalte nicht offenbart werden", erklärt Döring gegenüber "Forschung & Lehre".
Als Beamtin und Wissenschaftlerin zur Aufklärung verpflichtet
In Dörings Mail, welche "Forschung & Lehre" vorliegt, formuliert die im Rahmen der Affäre von der Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger vorzeitig in den Ruhestand versetzte Staatssekretärin ihre Aufklärungsabsichten und persönliche Motivation deutlich: "Ich leiste gern meinen Beitrag zu Aufklärung und Transparenz und erachte dies zudem als meine Pflicht als Beamtin der Bundesrepublik Deutschland. Auch als Wissenschaftlerin, die zudem ausgerechnet zu Wissenschaftsfreiheit publiziert hat und weiterhin forscht, ist das für mich sehr wichtig."
"Auch als Wissenschaftlerin, die zudem ausgerechnet zu Wissenschaftsfreiheit publiziert hat und weiterhin forscht, ist das für mich sehr wichtig."
Sabine Döring, BMBF-Staatssekretärin a.A.
Ihre Aussage könne einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung leisten, welche sowohl seitens der Öffentlichkeit als auch explizit durch die Wissenschaft mehrfach eingefordert worden wäre, führt Döring in ihrem Schreiben weiter aus. Die Mail erreichte die Adressierten wenige Tage vor der von Gehring anberaumten Obleute-Sitzung am Freitag, den 30. August.
Döring kämpft gegen erfahrenen Reputationsschaden
Auf Anfrage von "Forschung & Lehre" erläutert Sabine Döring zusätzliche persönliche Gründe, warum sie für Aufklärung sorgen will: "Bundesministerin Stark-Watzinger hätte mich als Staatssekretärin jederzeit ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzen können. Sie hat aber den Weg gewählt, in einer Pressemitteilung öffentlich zu behauptet, dass ich – eine Ethikprofessorin, die unter anderem zu 'Wissenschaftsfreiheit' publiziert hat und forscht – eine Prüfung 'potentieller förderrechtlicher Konsequenzen' des offenen Briefes veranlasst hätte."
Dies sei in der öffentlichen Berichterstattung als der Vorwurf einer groben Verletzung der Wissenschaftsfreiheit ihrerseits und als Grund ihrer Demission verstanden worden. Das hätte für Döring nicht nur das Ende ihrer Tätigkeit als politischer Beamtin bedeutet, sondern auf die Vernichtung ihres beruflichen und persönlichen Ansehens als Wissenschaftlerin abgezielt. "Die Darstellungen und die daraus abgeleiteten Bewertungen meines Handelns geraderücken zu können, hat für mich existenzielle Bedeutung", fasst Döring ihre persönliche Motivation entsprechend zusammen.
Reaktionen aus der Politik auf Dörings Mail
Der bildungspolitische Sprecher der CDU, Thomas Jarzombek, äußerte gegenüber "Table.Media" als Reaktion auf die Mail bereits die Einschätzung, dass eine Einladung nun unumgänglich sei, da ansonsten Dörings entscheidende Stimme fehle. Er schätze es als Versäumnis ein, dass der Ausschussvorsitzende Döring nicht schon längst ohne zusätzliche Obleute-Befragung eingeladen hätte. Kai Gehring selbst weist diese Aussagen "Table.Media" zufolge zurück. Die Entscheidung, ob und wer als Auskunftsperson eingeladen wird, obliege den Obleuten. "Eine Verpflichtung, eine bestimmte Person auf Wunsch einer (qualifizierten) Minderheit einzuladen und sie anzuhören, gibt es nicht", erklärte er.
Bereits am 22. August hatte Gehring gegenüber "Forschung & Lehre" betont, dass die Ministerin am Zug sei, für Aufklärung zu sorgen und die Staatssekretärin a.D. sofort von ihrer beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht entbinden könnte. Das Parlament und der Ausschuss oder er als Vorsitzender könnten das leider nicht. Darüber hinaus sei ein Fachausschuss kein Untersuchungsausschuss und dessen Sitzungen seien keine Gerichtsverhandlungen.
Eilantrag auf Grundlage presserechtlichen Auskunftsanspruchs
Der "Tagesspiegel" berichtete am 28. August von einem selbst initiierten Eilantrag beim Kölner Verwaltungsgericht auf Grundlage des presserechtlichen Auskunftsanspruchs, woraufhin das BMBF ihnen eine Erklärung vorgelegt hätte. Darin werde bestätigt, dass Döring am Morgen des 13. Mai wohl telefonisch eine rechtliche Prüfung des Sachverhalts unter allen Aspekten veranlasst habe, ohne dass aus der sogenannten "Morgenlage" im Ministerium ein Prüfauftrag hervorgegangen wäre. Am 17. Mai habe Döring dann mit Kenntnis der Ministerin per Mail eine weitere verfassungsrechtliche beziehungsweise rechtliche Prüfung beauftragt.
Allen vorangeprescht sei der Leiter der Abteilung für das "Hochschul- und Wissenschaftssystem" (Jochen Zachgo, Anm.d.Red.) bereits am 10. Mai mit einer Anforderung einer Liste aller Unterzeichnenden des "Statement von Lehrenden an Berliner Hochschulen" – dies ohne Kenntnis der Staatssekretärin oder der Ministerin und rein zum Ziel der Vorbereitung möglicher Nachfragen, heißt es laut Tagesspiegel.
Statement zur Affäre 3.335 Mal aus Wissenschaft unterzeichnet
Seit Mitte Juni ist im Netz eine Stellungnahme aus der Wissenschaft zur Fördergeld-Affäre zu finden. Diese wurde inzwischen bereits 3.335 Mal von Forschenden aus der ganzen Bundesrepublik gezeichnet wurde (Stand 29.8.). Dort ist von einem Angriff auf die Grundrechte die Rede, die seitens der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der Affäre hätte erlebt werden müssen. In der Stellungnahme wird als erwiesen angesehen, dass die Bildungsministerin "am 13.5. diesen Jahres dienst- und strafrechtliche Sanktionen gegen Beamtinnen, Beamte und Angestellte der Länder sowie die Option des Widerrufs von Förderungen durch Mitarbeitende im BMBF prüfen" lassen habe. Dies mache Stark-Watzinger als Ministerin untragbar.
Darüber hinaus wird in dem Statement von der Folge, "das hart erkämpfte Abwehrrecht der Wissenschaftsfreiheit gegenüber politischen und staatlichen Einflussnahmen nachhaltig zu beschädigen", gesprochen. Bereits der Anschein, die freie, gesellschaftliche Diskussion werde staatlich beschnitten, würde der demokratischen Gesellschaft und dem Ansehen des Wissenschaftsstandorts Deutschland in der Welt schaden, heißt es im Statement aus der Wissenschaft weiter.
Zu den Unterzeichnenden gehören renommierte Wissenschaftsgrößen wie Professorin Aleida Assmann (Universität Konstanz), Professor Axel Honneth (Columbia University/Goethe Universität Frankfurt), Professor Hartmut Rosa (Friedrich-Schiller-Universität Jena), Professorin Maria-Sibylla Lotter (Ruhr-Universität Bochum) und Professor Robert Arlinghaus (Humboldt-Universität zu Berlin).
Hintergrund: endloser Streit um BMBF-Umgang mit Protestbrief
Hintergrund der sogenannten Fördergeld-Affäre ist ein offener Brief von Hochschullehrenden, der die Räumung eines propalästinensischen Camps an der Freien Universität Berlin kritisiert. Bildungsministerin Stark-Watzinger hatte den Brief gerügt. Später wurde bekannt, dass das Ministerium überprüfte, ob der Brief strafrechtlich relevant ist und ob den Unterzeichnenden Fördermittel gestrichen werden könnten. Stark-Watzinger entließ daraufhin Staatssekretärin Döring, die die Prüfung nach Aussagen des BMBF initiiert hatte.
Dem BMBF und vor allem der Bildungsministerin werden viele Anfragen, Anhörungen und öffentlichen Stellungnahmen später seitens Stimmen aus der Presse, Politik und Wissenschaft anhaltend fehlender Aufklärungswille vorgeworfen.
Dieser Artikel wurde am 9. September um 11:00 Uhr zum dritten Mal aktualisiert (Gerichtsurteil Verschwiegenheitspflicht und Aktenzulieferung an Ausschuss). Weitere Aktualisierungen fanden am 2. September (Ausgang Obleute-Abstimmung am 30. August) sowie am 30. August (Antworten Sabine Döring an "Forschung & Lehre") statt. Die Erstveröffentlichung war am 29. August.
cva