Foto von Susanne Eisenmann
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Streit um Batteriefabrik
Eisenmann fordert Rücktritt von Karliczek

Der Streit um den Standort für die neue Forschungsfabrik eskaliert. Landesministerin Eisenmann wirft der Bundesforschungsministerin Einflussnahme vor.

14.10.2019

Baden-Württembergs Kultusministerin, Susanne Eisenmann, hat Bundesforschungsministerin Anja Karliczek nahegelegt, von ihrem Amt zurückzutreten. Sofern sich die Vorwürfe der Einflussnahme bei der Standortscheidung für die neue Batterieforschungsfabrik bewahrheiten sollten, müsse "die Forschungsministerin Konsequenzen ziehen", sagte Eisenmann dem SWR und der "Stuttgarter Zeitung".

Karliczek zeigte sich "irritiert" angesichts der Rücktrittsforderung. Sie warf Eisenmann vor, ohne nähere Kenntnis des wahren Sachverhaltes zu bewerten, wie die "Süddeutsche Zeitung" und die "FAZ" berichteten. Aus dem Ministerium hieß es: "Eisenmann, die in der Sache für Forschungsfragen nicht zuständig ist, hat das Gespräch mit dem BMBF bislang nicht gesucht."

Die Fronten im Streit um das millionenschwere Projekt sind verhärtet. Im Juni hatte Karliczek bekannt gegeben, dass Münster und nicht der vermeintliche Favorit Ulm Hauptstandort für die neue Forschungsfabrik wird. Seither werfen die übrigen Standorte im Rennen der Forschungsministerin Einflussnahme vor, da Münster direkt neben Karliczeks Heimat und Wahlkreis Ibbenbüren liegt.

In einem offenen Brief an Angela Merkel forderten etwa die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachen, die Entscheidungsfindung aufzuklären. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) stellte daraufhin sämtliche Papiere zur Verfügung und wies die Vorwürfe wiederholt zurück. "Es hat ein faires Verfahren gegeben. Alle beteiligten Länder und Standorte sind gleich behandelt worden", sagte der zuständige Staatssekretär, Wolf-Dieter Lukas, am Montag in Berlin. "Wir stehen zu der Entscheidung, wir können sie begründen." Karliczek stellte sich im Juli in einer Anhörung den Fragen der Kritiker und beteuert nach wie vor, sich aus dem Auswahlverfahren herausgehalten zu haben.

NRW erhielt Informationen vorab

Neue Details zum Vergabeverfahren geben jedoch weitere Rätsel auf. Wie die "Stuttgarter Zeitung" und die "Stuttgarter Nachrichten" am Mittwoch berichteten, habe Nordrhein-Westfalen (NRW) wichtige Informationen vom BMBF vor allen anderen Bewerbern bekommen. Das Ministerium bestätigte, dass NRW sich zu den Spezifikationen des gesuchten Grundstücks erkundigt hatte und dazu auch Informationen vom Ministerium bekommen habe. Anfragen von anderen Bewerbern habe es vorab nicht gegeben.

Diese Informationen bezogen sich laut Ministerium jedoch auf ein Konzept der Fraunhofer-Gesellschaft, das bereits im Mai 2018 vorgestellt und mit Vertretern von Wissenschaft und Industrie diskutiert worden sei. Die tatsächlichen Vorgaben in der finalen Ausschreibung seien anders gewesen und im März 2019 allen Bewerbern gleichermaßen zur Verfügung gestellt worden. Die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachen kündigten an, dies zu prüfen.

Weitere Unterlagen aus dem Entscheidungsprozess, über die die "FAZ" berichtete, zeigen, dass es unter den Experten keinen Konsens über den führenden Standort gegeben hat. Die beteiligten Mitglieder der Gründungkommission und der Fraunhofer-Gesellschaft wollten oder konnten keine klare, unabhängige Empfehlung für einen Standort auf der Grundlage objektiver Kriterien abgeben, so die "FAZ". Laut den Unterlagen seien die Standorte Ulm, Münster und Salzgitter zu diesem Zeitpunkt als "gleichwertig" bewertet worden, daher müsse politisch entschieden werden. Dafür seien drei zusätzliche Kriterien eingeführt worden – zugunsten von Münster. Susanne Eisenmann forderte eine zweite, unabhängige Evaluierung der Standortvergabe.

Das BMBF hatte vergangene Woche ein Treffen mit allen acht am Auswahlverfahren beteiligten Standorten angekündigt, das noch im Oktober stattfinden soll. Dabei werde es um die "Gesamtkonzeption" für die Batteriezellforschung gehen. Auch Karliczek hatte immer wieder betont, in einem Gesamtkonzept mehrere Standorte an dem Projekt zu beteiligen.

Die neue "Forschungsfertigung Batteriezelle" soll Mitte 2022 ihren Betrieb aufnehmen. Ein Großteil der 500 Millionen Euro sollen an den Hauptstandort Münster gehen. Für die übrigen Standorte bleiben nach Ministeriumangaben noch etwa 100 Millionen Euro.

ckr/dpa