Foto von Sabine Verheyen, Abgeordnete des Europäischen Parlaments, bei einer Pressekonferenz
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Wissenschaftsfreiheit
EU-Abgeordnete sorgen sich um akademische Freiheit in Ungarn

Abgeordnete des EU-Parlaments haben den Eindruck, dass die Wissenschaftsfreiheit an ungarischen Unis schwindet. Ungarn sieht das anders.

27.04.2023

Acht Abgeordnete des Europäischen Parlaments sind im vergangenen November nach Budapest gereist, um sich ein Bild von der Bildungs- und Forschungspolitik in Ungarn zu machen. In einem im März veröffentlichten Bericht über die Informationsreise äußern sie starke Besorgnis über eine Verschlechterung der akademischen Freiheit im Land, berichtete "Science Business" am Mittwoch. Zudem beobachteten die Abgeordneten Selbstzensur unter Forschenden, insbesondere in den Geistes-, Sozial- und Gesundheitswissenschaften, und einen problematischen Einfluss der Regierung auf Medien, Gerichte, Kunst und Kultur. Die Häufung dieser Probleme in Ungarn sei besorgniserregend.

Die Politikerinnen und Politiker sitzen im Ausschuss für Kultur und Bildung und gehören verschiedenen Parteien an. Die Reise sei ursprünglich für das Frühjahr 2020 geplant gewesen, wegen der Corona-Pandemie aber verschoben worden.

Ungarn sieht akademische Freiheit nicht geschwächt

Die ungarische Rektorenkonferenz sowie Wissenschafts- und Regierungsvertreter hätten gegenüber den angereisten EU-Abgeordneten erklärt, dass die Umstrukturierung des Hochschulsystems in den vergangenen Jahren keine Auswirkungen auf die akademische Freiheit habe. Vielmehr erleichtere es die Modernisierung der Universitäten, da die Abläufe nun weniger bürokratisch seien. Die Politikerinnen und Politiker aus Brüssel waren laut Bericht anderer Meinung: In Ungarn gebe es kein klares Rechtssystem, das Wissenschaftsfreiheit garantiere; die Gesetzesänderungen in Ungarn hätten den gesetzlichen Schutz der akademischen Freiheit geschwächt.

"Wir hatten den Eindruck […], dass einige Leute, die wir getroffen haben, etwas mehr sagen wollten, aber dass sie Einschränkungen oder negative Konsequenzen [von der Regierung] befürchten", zitiert "Science Business" die Leiterin der EU-Delegation, Sabine Verheyen.

Für die Europäische Union sei es schwierig, Einfluss auf die Wissenschaftspolitik in Europa, insbesondere in Ungarn, zu nehmen. Daher habe das Europäische Parlament im Dezember eine Gruppe mit dem Namen "European Parliament Forum for Academic Freedom" eingerichtet, die künftig über die akademische Freiheit in den EU-Staaten berichten soll. Nach Änderungen im ungarischen Hochschulsystem hat der EU-Rat ebenfalls im Dezember beschlossen, die Finanzierung von "Horizon Europe" und "Erasmus+" für 21 Universitäten des Landes auszusetzen, deren Leitung die ungarische Regierung an Stiftungen übertragen hatte, um mehr Einfluss auf die Hochschulen zu haben. Ende März veröffentlichte das EU-Parlament einen weiteren Bericht über den Stand der Wissenschaftsfreiheit in den EU-Mitgliedsstaaten und stellte dabei Ungarn negativ heraus – wegen struktureller Verletzungen der akademischen Freiheit.

ckr