Maisfeld
pixabay

Genom-Editing
EU-Berater plädieren für Änderung des Gentechnik-Rechts

Die wissenschaftlichen Berater der Europäischen Kommission dringen auf mehr Freiheiten bei neuen Gentechnik-Methoden. Das ist umstritten.

16.11.2018

Die wissenschaftlichen Berater der Europäischen Kommission haben sich für eine Änderung der Gentechnik-Vorgaben in der EU ausgesprochen. "Wir brauchen eine Gesetzgebung, die klar, evidenzbasiert [...] und flexibel genug auf die künftigen Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie reagiert", schreiben sie in einer Stellungnahme von Dienstag.

Sie reagieren damit auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vor einigen Monaten. Dieser hatte beschlossen, dass neue gentechnische Methoden zur Veränderung landwirtschaftlicher Produkte dem EU-Recht zur Gentechnik unterliegen müssten.

Die zugrundeliegende Definition gentechnisch veränderter Lebensmittel stamme aus dem Jahr 1990. Darin wird differenziert zwischen "natürlichen" und "menschlich erzeugten" Mutationen. Dabei hätten gezielte Eingriffe – etwa über die Genschere Crispr-Cas9 – in der Regel weniger drastische Auswirkungen als natürliche, ungeplante genetische Veränderungen.

Nach Meinung des wissenschaftlichen Beirats sollte der Fokus bei der Bewertung neuer gentechnischer Methoden daher weniger auf dem Herstellungsprozess, sondern mehr auf dem letztlichen Produkt liegen.

Schwindende Bedeutung der EU bei Gentechnik

Die EU riskiere in der internationalen Debatte über Gentechnik an Bedeutung zu verlieren. Strikte Regeln zur Kontrolle von Produkten würden es enorm erschweren, Produkte aus Drittländern einzuführen – vor allem, wenn die Lieferkette über verschiedene Länder reiche. Dies werde hohe wirtschaftliche Einbußen zur Folge haben.

Auch würden die gesellschaftlichen Chancen der Methoden verschenkt: So könnten mehr Menschen ernährt werden, da Pflanzen resistenter und ergiebiger würden.

EU-Forschungskommissar Carlos Moedas unterstützte das Plädoyer und forderte einen Rechtsrahmen, der dazu diene, "ein hohes Schutzniveau aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Innovationen zum Nutzen von Umwelt und Mensch zu ermöglichen."

Vytenis Andriukaitis, Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, rief zu einer Reflexion über das Thema auf. "Als Wissenschaftler halte ich es für enorm wichtig, dass die Gesetzgebung mit Innovationen Schritt hält, damit die Gesellschaft von neuen Wissenschaften und Technologien profitieren kann."

"Die Stellungnahme enthält viele starke wissenschaftliche Argumente." Peter Dabrock

Peter Dabrock, Professor für Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, beurteilt das Papier aus Brüssel differenziert. Es enthalte "viele starke wissenschaftliche Argumente, die verwendet werden könnten, eine Anpassung der Richtlinie zu gentechnisch veränderten Organismen zu begründen", sagte er gegenüber Forschung & Lehre.

Die Diskussion sollte dabei jedoch nicht auf Grundlage der Gerichtsentscheidung des EuGHs geführt werden. Auch wenn die Beweisführung des Gerichts teils "dürftig" gewesen sei, habe dieses nur seine Aufgabe erfüllt und geltendes Recht ausgelegt."Schon vor dem Urteil gab es ernstzunehmende juristische Gutachten, die aufgezeigt haben, dass das Gericht in ordentlicher Rechtsauslegung des Europäischen Rechts wohl gar keine Alternative habe."  Es sei die Politik, die versäumt habe, früher aktiv zu werden und der Bevölkerung plausibel zu machen, "dass die Genschere – jedenfalls bei bestimmten Anwendungen – enormes Potenzial besitzt".

EU-Bürger setzten Crispr-Pflanzen überwiegend mit anderen genetisch modifizierten Organismen gleich. "Nimmt man die Bevölkerung nicht in partnerschaftlichen Diskussionen auf Augenhöhe mit, werden die Versuche einer rechtlichen Ausdifferenzierung gesellschaftlich scheitern", glaubt Dabrock.

Statt "Richterschelte zu betreiben", sollten sich diejenigen, die mit dem Urteil aus diversen Gründen unzufrieden seien, als europäische Bürger begreifen und die Politik zum Genome Editing mitgestalten.

Kritiker der neuen Gentechnik-Verfahren warnen, dass die genaue Wirkung der neuen Methoden nicht vollständig abzuschätzen sei. Für neue Verunsicherung sorgten Studien, die mit Bezug auf die Anwendung beim Menschen zu dem Schluss kamen, dass die Wirksamkeit der Methode zweifelhaft sei.


Gen-Editierung mit Crispr-Cas9: Wie funktioniert das?


kas