In drei Blumentöpfen aus Glas sind jeweils Geldstücke und Sprösslinge zu sehen: je mehr Geld, desto größer die Pflanze.
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Finanzierung
EU-Kommission kritisiert Sparpolitik

Laut Analyse der EU-Kommission könnte das Wirtschaftswachstum höher ausfallen – hätten Deutschland und andere nicht bei den Investitionen gespart.

24.06.2024

Die EU-Kommission hat den Mitgliedstaaten letzte Woche im Rahmen des sogenannten "Frühjahrspakets des Europäischen Semesters" politische Leitlinien für den Aufbau einer robusten und zukunftssicheren Wirtschaft an die Hand gegeben. So solle angesichts eines schwierigen geopolitischen Umfelds Wettbewerbsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und langfristiger Wohlstand für alle gesichert und gleichzeitig für solide öffentliche Finanzen gesorgt werden. 

Forschung und Innovation als "Schlüsselpriorität"

"Die besondere Aufmerksamkeit, die der Forschung und Innovation im diesjährigen Frühjahrspaket gewidmet wird, ist eine klare und rechtzeitige Erinnerung daran, dass Forschung und Innovation im derzeit schwierigen fiskalischen Umfeld eine Priorität bleiben und zukunftsorientierte, wachstumsfördernde Investitionen erhalten und verstärkt werden sollten", stellt Anna Panagopoulou, Direktorin für den Fachbereich "Europäischen Forschungsraum (EFR) und Innovation" bei der Generaldirektion Forschung und Innovation der Kommission bilanzierend für diesen Sektor heraus. 

Forschung und Innovation (F&I) sei in fast allen Länderberichten als "Schlüsselpriorität" identifiziert worden. Die Analyse zeige drei Bereiche auf, in denen Europa weitere Anstrengungen benötige: 

  1. Wissenschaftliche Exzellenz fördern, Talente anziehen und Investitionen in Forschung und Innovation ankurbeln. 
  2. Enge Verbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ausweiten. 
  3. Geschäftsinnovationen stimulieren und fördern. 

Maßgeschneiderte Antworten auf diese Herausforderungen, die an die einzigartigen Forschungs- und Innovationsökosysteme der einzelnen Mitgliedstaaten angepasst sein sollten, seien von entscheidender Bedeutung, um das EU-Ziel zu erreichen, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Forschung und Entwicklung bereitzustellen. 

Wachstumsaussichten Deutschlands nachhaltig beeinträchtigt 

Mit Blick auf die Zukunft prognostiziert die Frühjahrsprognose 2024 aufgrund eines starken Arbeitsmarkts und eines dynamischen privaten Konsums ein BIP-Wachstum von 1,0 Prozent in der EU und 0,8 Prozent im Euroraum. Im Jahr 2025 wird mit einer weiteren Beschleunigung des Wachstums im Euroraum gerechnet. In den Länderberichten werden die Entwicklungen in den einzelnen Mitgliedstaaten analysiert und länderspezifische Empfehlungen vorgeschlagen. 

Wie aus den diesjährigen Länderberichten hervorgehe, hätten EU-Finanzierungsprogramme den Wiederaufbau der EU hin zu einer grüneren, digitaleren, gerechteren und widerstandsfähigeren Zukunft durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, verbesserte Wettbewerbsfähigkeit, makroökonomische Stabilität sowie territorialen und sozialen Zusammenhalt unterstützt. 

Beispielhaft für den deutschen Innovations-Sektor wird der Regionalentwicklungs-Fonds genannt: "Im Zeitraum 2021–2027 soll der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) mit einer Mittelzuweisung von 10,8 Milliarden Euro die Forschungs- und Innovationskapazitäten stärken und die Einführung fortschrittlicher Technologien, vor allem in kleine und mittlere Unternehmen (KMU), unterstützen. Rund 43.500 Unternehmen werden voraussichtlich Unterstützung erhalten". 

Für Deutschland resümiert die EU-Kommission die tendenzielle staatliche Investitionszurückhaltung kritisch: "Von 2000 bis 2022 lag die öffentliche Investitionsquote in Deutschland bei 2,2 Prozent des BIP gegenüber einem EU-Durchschnitt von 3,2 Prozent. Zusammen mit den jüngsten Schwierigkeiten bei der Ankurbelung privater Investitionen könnte dies die Wachstumsaussichten des Landes nachhaltig beeinträchtigen". 

Forschungsinvestitionen für mehr Wettbewerbsfähigkeit 

Das Frühjahrspaket fordert die Mitgliedstaaten auf, politische Maßnahmen zu ergreifen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern und die Produktivität zu steigern. Speziell in den Politikbereichen Bildung, Forschung und Innovation sieht die Kommission länderübergreifend Nachholbedarf und empfiehlt: 

  • Die Verbesserung der Bildungsergebnisse und Förderung der Kompetenzentwicklung durch hochwertige Bildung und Ausbildung auf der Grundlage modernisierter Lehrpläne. Die Behebung des Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels sei für die Sicherung des Wohlstands der EU von entscheidender Bedeutung. Deutschland habe einen der höchsten Anteile an Schulabbrecherinnen und Schulabbrechern in der EU. 
  • Die Umsetzung ehrgeiziger Reformen zum Aufbau integrierter Forschungs- und Innovationsökosysteme , beispielsweise mit Schwerpunkt auf der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie dem Wissenstransfer. 
  • Die Beschleunigung des ökologischen und digitalen Wandels durch die Steigerung der öffentlichen Investitionen in die digitale Infrastruktur und digitale Kompetenzen sowie die Beseitigung regulatorischer Hindernisse. 

Nach den neuen Regeln müssen die Mitgliedstaaten mittelfristige Pläne erstellen, in denen sie ihre Ausgabenpläne sowie ihre vorrangigen Reformen und Investitionen darlegen. Die im Frühjahrspaket enthaltenen Empfehlungen bilden eine solide Grundlage für die Reform- und Investitionsverpflichtungen, die die Mitgliedstaaten in diesen Plänen darlegen müssen. 

Kommission bemängelt "Investitions-Spar-Lücke" Deutschlands 

Insgesamt haben sich laut Kommissions-Bericht die makroökonomischen Ungleichgewichte nach der Energiekrise des Jahres 2022 in den meisten Mitgliedstaaten tendenziell abgeschwächt. In Frankreich, Spanien und Portugal gebe es beispielsweise keine Ungleichgewichte mehr, in Deutschland, Zypern, Ungarn, den Niederlanden und Schweden bestünden sie hingegen weiterhin. Für Deutschland wird eine hoher Leistungsüberschussbilanz und somit eine "Investitions-Spar-Lücke" konstatiert, welche angesichts der Größe der deutschen Volkswirtschaft und ihrer Handelsintegration in den Euroraum negative Auswirkungen auf den gesamten Wirtschaftsraum habe. 

"Trotz eines leichten Anstiegs der öffentlichen Investitionen als Prozentsatz des BIP in den letzten Jahren haben die öffentlichen Investitionen nicht mit dem Investitionsbedarf in Infrastruktur, Bildung, Ausbildung sowie den grünen und digitalen Wandel Schritt gehalten", analysiert das Dokument mit den Länderempfehlungen für Deutschland

Im Länderbericht heißt es in diesem Zusammenhang speziell zur Verwirklichung der "Ziele für nachhaltige Entwicklung" (SDGs) unter anderem: "In den Bereichen hochwertige Bildung (SDG 4) und Verringerung der Ungleichheiten (SDG 10) muss Deutschland den EU-Durchschnitt aufholen. (…) Deutschland liegt bei SDG 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur) über dem EU-Durchschnitt. Mit 3,13 Prozent des BIP, die im Jahr 2022 für Forschung und Entwicklung bereitgestellt werden, weist Deutschland eine der höchsten Forschungs- und Entwicklungsausgaben in der EU auf. (…) Dennoch stagniert die FuE-Intensität unter Deutschlands eigenem Ziel von 3,5 Prozent für 2025". 

In diesem Semesterzyklus habe die Kommission erstmals eine zweistufige Analyse der Bereiche Beschäftigung, Kompetenzen und soziale Herausforderungen in jedem Mitgliedstaat durchgeführt. Sie schlägt für das Jahr 2024 Leitlinien für die Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten vor. Die Leitlinien umfassten Maßnahmen zur Bekämpfung des Qualifikations- und Arbeitskräftemangels sowie zur Verbesserung der Grund- und Digitalkompetenzen. Neue Technologien, Künstliche Intelligenz und algorithmisches Management sowie ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt seien ebenfalls berücksichtigt worden. 

"Die Steigerung von Forschung, Entwicklung und Innovation in allen Regionen, insbesondere in den östlichen Regionen, sowie die Unterstützung von Bildung und Ausbildung zur Bewältigung der Herausforderungen, die sich durch den grünen und digitalen Wandel ergeben, sind der Schlüssel zur weiteren Verringerung von Unterschieden bei der regionalen Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung", heißt es im Hinblick auf politische Maßnahmen in Deutschland im Ratschlagsdokument der EU-Kommission . 

Nächste Schritte: Dialog mit dem Parlament 

Die Kommission fordert die Eurogruppe und den Rat auf, das Paket zu erörtern und die vorgelegten Leitlinien zu billigen. Es folgt ein Dialog mit dem Europäischen Parlament über den Inhalt des Pakets. Die Kommission hat für 2025 ein Budget von 13,5 Milliarden Euro für Forschung und Innovation vorgeschlagen, von denen 12,7 Milliarden Euro für Horizont Europa vorgesehen sind. Forschende warten gespannt auf eine Antwort des neugewählten Europäischen Parlaments auf den Haushaltsvorschlag. Die Abgeordneten waren bisher dafür bekannt, für konsistente Budgets für Forschung und Innovation zu kämpfen, aber im Parlament haben sich die Machtverhältnisse seit der Wahl am 9. Juni verändert.

Europäisches Semester der EU-Kommission 

Während des Europäischen Semesters stimmen die Mitgliedstaaten ihre Haushalts- und Wirtschaftspolitik mit den auf EU-Ebene vereinbarten Regeln ab. Dabei wird ein integrierter Ansatz in allen Politikbereichen verfolgt: makroökonomische Stabilität, Förderung ökologischer Nachhaltigkeit, Produktivität und Gerechtigkeit. Das Europäische Semester sorgt für diese politische Koordinierung. Der Zyklus des Europäischen Semesters liefert auch aktuelle Berichte über die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung und identifiziert Investitionsprioritäten.

cva