Zwei pinkfarbene Holzklötze auf orangefarbenem Grund mit der Aufschrift "Zero Tolerance", Null Toleranz.
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Antidiskriminierung
EU-Verhaltenskodex für Förderung von Forschung

"Null Toleranz" bei geschlechtsspezifischer Gewalt verlangt ein Papier der EU-Kommission. Die EU sieht Förder-Organisationen in der Prüfungspflicht.

18.11.2024

Organisationen, die Forschung finanziell unterstützen, sollen sich Antidiskriminierungsmechanismen und Gewaltpräventionsmaßnahmen innerhalb der geförderten Institutionen vorab darlegen lassen. Zudem sollen beispielsweise Promovierende durch vertragliche Klauseln explizit davor geschützt werden, dass die Anzeige sexualisierter Gewalt berufliche oder finanzielle Nachteile für sie bedeuten. Das legt der aktuelle Verhaltenskodex "Zero-tolerance code of conduct" der Europäischen Kommission fest. Demnach sollen Forschungsförderungs-Organisationen außerdem klare Informationen über geschlechtsspezifische Gewalt bereitstellen sowie Schulungen für Forschende und andere Beteiligte organisieren, um zur Schaffung eines sicheren und integrativen Forschungsumfelds beizutragen. 

Der Null-Toleranz-Kodex versteht sich als Teil der Policy Agenda für 2022-2024 der European Research Area (ERA). Diese hat als ein ausgewiesenes Ziel, Europa für die führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler attraktiv zu machen. "Dieser Null-Toleranz-Verhaltenskodex besteht aus einer Reihe von Grundsätzen, deren Anwendung darauf abzielt, ein europäisches Forschungs- und Innovationsumfeld zu schaffen, das frei von allen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt ist und auf den Werten der Gleichstellung der Geschlechter, der Inklusivität, des Respekts, der Würde und der Sicherheit aufbaut", wird die Ausrichtung der Richtlinien erklärt. 

Die offerierten Leitlinien sind nach eigenen Angaben nicht bindend. Allerdings sind sexuelle und geschlechtsspezifische Belästigung bereits durch die sogenannte "Gleichbehandlungsrichtlinie" des europäischen Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen seit dem 5. Juli 2006 explizit verboten. 

Die Pflicht von Hochschulen bei der Bekämpfung von Gewalt 

Das über "Horizon 2020" finanzierte UniSAFE-Projekt habe durch eine europaweite Umfrage 2022 eindeutige Beweise für die Prävalenz und die Folgen von Gewalt in europäischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen geliefert. Fast 62 Prozent der 42.000 Befragten gaben an, mindestens eine Form von geschlechtsspezifischer Gewalt an ihrem Arbeits- oder Studienort erlebt zu haben. Besonders alarmierend sei die niedrige Meldequote: Nur 7 Prozent der Studierenden und 23 Prozent des Personals, die solche Gewalt erlebten, hätten den Vorfall gemeldet. 

Bei geschlechtsspezifischer Gewalt handele sich um ein Problem mit erheblichen Folgen auf individueller (psychische und physische Gesundheit), organisatorischer (vermindertes Vertrauen, erhöhte Fehlzeiten) und gesellschaftlicher Ebene (Verlust an Talent, Innovation und ungenutztem Potenzial). Die einzelnen Hochschul- und Forschungseinrichtungen sollten deshalb Grundsatzdokumente verabschieden, in denen sie sich ausdrücklich zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt verpflichten. Dazu gehörten auch die Einrichtungen eines anonymen und nicht anonymen Systems für Beschwerden und die Benennung entsprechender Personen, die für die Bearbeitung der Fälle zuständig seien. Hinzu kämen Kontaktstellen für Studierende und Mitarbeitende, festgelegte Verfahrensschritte im Anzeigefall, weitestgehende Transparenz bezüglich der Ermittlungsergebnisse gegenüber der Beteiligten und der Öffentlichkeit, die Bereitstellung von Nachbetreuung für die Überlebenden von Gewalt sowie weitere etwaige institutionelle Anpassungen zur Prävention und Bekämpfung. 

Das europäische Umsetzungsprojekt GenderSAFE unterstützt seit März Forschungs- und Hochschuleinrichtungen dabei, umfassende Strategien und Kontrollmechanismen zur wirksamen Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt zu entwickeln, wie sie in der Null-Toleranz-Leitlinie angedacht sind. Dazu werden die Erkenntnisse und entwickelten Werkzeuge aus dem UniSAFE-Projekt genutzt. „Diese Ergebnisse verdeutlichen die Normalisierung und Toleranz von Gewalt im Hochschul- und Forschungsbereich und zeigen das Versagen der Einrichtungen bei der Bekämpfung aller Erscheinungsformen geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich psychischer Misshandlung und anderer Formen, die nicht ausdrücklich durch gesetzliche Definitionen abgedeckt sind“, resümiert der erläuternde Teil des Verhaltenskodex.

cva