University College London
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Brexit
"Europa ist Teil unserer institutionellen DNA"

Wie bereiten sich britische Universitäten auf den anstehenden Brexit vor? Darüber spricht Uta Staiger vom University College London.

Von Katrin Schmermund 23.01.2019

F&L: Britische Universitäten wie das University College London (UCL) haben zahlreiche Kooperationen mit anderen EU-Staaten. Was bedeutet der Brexit für die Zukunft Ihrer Universität?
 
Uta Staiger: Das UCL arbeitet seit Jahrzehnten mit Universitäten und Forschungsinstituten in anderen europäischen Mitgliedsstaaten äußerst eng zusammen – sei es in Forschung, Lehre oder in der wissenschaftlichen und studentischen Mobilität. Die EU bot hierbei einen Rahmen, in dem sich die Zusammenarbeit immer reibungsloser entwickeln konnte. Es liegt in der Natur der Dinge, dass der Brexit nun Veränderungen in diesem Ökosystem mit sich bringt. Viel hängt noch von den Austrittsverhandlungen und von innenpolitischen Entscheidungen ab. Aber wir müssen uns zum Beispiel darauf vorbereiten, dass sich die Bedingungen für den Zugang zu – zumindest Teilen – der EU-Förderprogramme ändern könnten, oder dass ein neuer, weniger attraktiver Status für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende die Freizügigkeit, also die in der EU geltende freie Mobilität von EU-Bürgern, ersetzt.

"Ein Problem könnten Programme für die individuelle Forschungsförderung und Mobilität sein."

Dr. Uta Staiger
Dr. Uta Staiger ist Mitbegründerin und Geschäftsführerin des "UCL European Institute". Miguel Navarro

F&L: Welche Veränderungen erwarten sie?

Uta Staiger: Ich gehe davon aus, dass sich Forschende auch weiterhin auf Förderungen der EU unter "Horizon 2020" und dem Folgeprogramm "Horizon Europe" bewerben können. Ein Problem aber könnten Programme für die individuelle Forschungsförderung und Mobilität sein, welche für herausragende jüngere wie auch führende Wissenschaftler natürlich besonders wichtig sind. Dazu zählen die Marie Skłodowska-Curie Actions" (MSCA) oder Förderungen des Europäischen Forschungsrats (ERC). Die britische Forschungsförderung (UKRI) untersucht, wie diese Programme adäquat national ersetzt werden könnten, zum Beispiel indem strukturell analoge Programme entwickelt und finanziert werden. Das UCL hat die Regierung explizit aufgefordert, solche Programme auch für internationale Forscherinnen und Forscher zu öffnen und in das neue Einwanderungssystem zu integrieren.

F&L: Wie sieht es mit Blick auf künftige Visa-Bestimmungen aus?

Uta Staiger: Laut Kommission will die EU von Briten für Aufenthalte bis zu 90 Tagen kein Visum verlangen, solange dies auch für EU-Bürger in Großbritannien gilt. Die Teilnahme an Konferenzen sollte daher unproblematisch bleiben. Visabestimmungen für längere Aufenthalte könnten Arbeitgebern jedoch zusätzliche Bürokratie aufbürden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Mobilität erschweren. Das UCL arbeitet daher bereits mit einer externen Agentur zusammen, um die Abwicklung für Wissenschaftler zu erleichtern.

F&L: Wie bereiten Sie sich am UCL ansonsten auf den anstehenden Brexit vor?

Uta Staiger: Wir haben eine "Brexit Mitigation Group" gegründet, die unter Federführung des Rektors mögliche Folgen des Brexits für die Universität analysiert und strategisch vorbeugende Maßnahmen entwickelt. Da noch nicht absehbar ist, wie sich Großbritanniens Beziehung zur EU künftig gestalten wird, müssen diese Maßnahmen für verschiedene mögliche Szenarien gelten. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir alle – über 100 – "Technischen Mitteilungen" der Regierung für den Fall eines ungeordneten Austritts durchgekämmt und sechs übergeordnete Arbeitspläne aufgestellt haben. Diese decken im Detail eine unglaubliche Spannbreite ab, von der rechtlichen Grundlage für klinische Prüfungen über die Einlagerung von Tiereinstreu bis hin zu Fragen von Datenschutz, EU-Förderanträgen oder dem Status sich im Ausland befindlicher Studierender.

F&L: Bringen Sie sich denn auch weiterhin politisch ein?

Uta Staiger: Das UCL engagiert sich aktiv in der Interessenvertretung des Hochschulsektors gegenüber der britischen Regierung und der europäischen Institutionen. Der Rektor des UCL, Professor Michael Arthur, zum Beispiel, ist Mitglied des Brexit-Komitees des britischen Universitätsministers und leitet die EU Advisory Group der Russell Group. Besonders wichtig ist es aber jetzt, unsere Mitarbeitenden und Studierenden aus anderen EU-Staaten zu unterstützen. Brexit ist eben auch ein zutiefst persönliches Thema, das enorme Unsicherheiten birgt. Auch sind wir sehr aktiv dabei, unseren Partnern im EU-Inland unser ungebrochenes Engagement zu versichern, Partnerschaften zu konsolidieren und strategisch auszubauen. Europa ist Teil unserer institutionellen DNA, das kann und wird sich nicht ändern.

Das University College London (UCL)

Das University College London (UCL) ist eine der angesehensten Universitäten der Welt. Die staatliche Hochschule ist Mitglied der Russell Group, einem Verbund der führenden britischen Universitäten.

International ist das UCL stark vernetzt und derzeit in Europa die Einrichtung mit den meisten Verbundprojekten von Horizon 2020. Hinzu kommen zahlreiche gemeinsame Studiengänge, Berufungen und Mobilitätsprogramme mit Universitäten anderer Länder.

21 Prozent der Beschäftigten am UCL kommen aus anderen EU-Staaten. Bei den Studierenden sind es circa zwölf Prozent. 

F&L: Wie wollen Sie Forschende und Studierende am UCL halten?

Uta Staiger: Eine besonders wichtige Aufgabe ist es, Mitarbeitende und Studierende über relevante politische Entwicklungen zu informieren, auf universitätsinterne Maßnahmen hinzuweisen und sie so gut wie möglich in dieser von Unsicherheit geprägten Zeit zu unterstützen. So haben wir alle europäischen Mitarbeiter über das "settlement scheme" der britischen Regierung informiert, das bereits in Großbritannien lebenden Personen den Aufenthalt sichern soll. Die Kosten für den Antrag werden vom UCL erstattet. Außerdem bieten wir Unterstützung bei technischen Problemen bei der Registrierung und weiterführende rechtliche Beratungen an. Wir organisieren regelmäßig Informationsveranstaltungen in den Fakultäten des UCL, veröffentlichen Mitteilungen auf einer eigens entwickelten Webseite oder schreiben Forschende und Studierende direkt an. Um die Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen in ausgewählten europäischen Städten zu unterstützen, haben wir das "Cities partnerships Programme" gegründet, ein für den Sektor bislang einmaliges, mehrjähriges Programm. Darüber hinaus haben wir die Beratung und Begleitung von Antragstellern für europäische Fördergelder intensiviert, und aktiv gemeinsame Projekte und Berufungen mit Partneruniversitäten unterstützt. So wollen wir Forschern und Studierenden langfristige Perspektiven bieten.

F&L: Haben seit dem Brexit-Referendum mehr Forschende als vorher ihren Vertrag am UCL gekündigt?

Uta Staiger: Das ist bislang nicht der Fall, nein.


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