Mann geht vor dem Berlaymont-Gebäude in Brüssel entlang, dem Sitz der Europäischen Kommission
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European University Association
Europa setzt zu stark auf angewandte Forschung

Die Interessenvertretung europäischer Hochschulen kritisiert den neuen EU-Forschungsrahmen "Horizont Europa". Dessen Ausrichtung sei zu kurzsichtig.

15.06.2018

Die Europäische Union steuert immer stärker in Richtung der anwendungsbezogenen Forschung. Dabei drängt sie nicht nur einzelne Fächer in die Enge, sie verpasst auch die Chance auf mittel- und langfristige Durchbrüche in der Forschung. Das kritisieren Mitglieder einer Arbeitsgruppe zur Forschungspolitik der "European University Association" (EUA). Die Vereinigung vertritt die Interessen europäischer Hochschulen in Brüssel.

Das "instant-gratification system" der EU-Forschungsförderung beschreibt Professorin Dr. Teresa Roldán Arjona von EUA als eine gefährliche Entwicklung. Sie treibe die Grundlagenforschung in eine unverdiente zweitrangige Position.

"Es ist wichtig zu verstehen, dass Grundlagenforschung im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger ist, weil sie ein Grundpfeiler für Innovation ist", schreibt Roldán Arjona. Die Wirtschaft könne keinen direkten Nutzen daraus ziehen; eine Förderung sei von dieser Seite also nicht zu erwarten. Daher müsse man entsprechende Forschungsprojekte öffentlich fördern.

Der Europäische Forschungsrat (ECR) dient der Finanzierung von Grundlagenforschung in der EU. Im laufenden Forschungsrahmenprogramm "Horizont 2020" waren für ihn rund 13 Milliarden Euro vorgesehen. Im neuen Programm "Horizont Europa" sind für 2021-2027 16,6 Milliarden für den ECR angekündigt. Insgesamt soll das Förderbudget bei rund 100 Milliarden Euro liegen.

EUA-Vertreterin Roldán Arjona sieht in dem vergleichsweise niedrigen Budget für die Grundlagenforschung einen Widerspruch zu öffentlichen Äußerungen von Kommissionsvertretern. So habe Forschungskommissar Carlos Moedas 2017 mit Blick auf den ECR von einem "jewel in the crown" gesprochen. Bei so einer Aussage sei mehr zu erwarten, als ein nahezu gleichhohes Budget im neuen Forschungsrahmenprogramm, kritisiert Roldán Arjona.

EU-Strategie verlangt stärkere Zusammenarbeit von Universitäten mit der Wirtschaft

Die Analysten Professor Dr. Lokesh Joshi und Dr. Gary Lupton von EUA rechnen damit, dass die EU in den kommenden Jahren zunehmend nicht-akademische Forschung fördern werde. Die universitäre Wissenschaft müsse sich daher neu erfinden und stärker mit Forscherinnen und Forscher aus dem außeruniversitären Bereich zusammenarbeiten. So könnten Wissenschaftler in der vordersten Reihe dabei sein, wenn es darum gehe, Lösungen für globale gesellschaftliche Herausforderungen zu finden und die wirtschaftliche Wettbewerbsstärke der EU zu sichern.

Zunehmend schwierig werde es bei der Bewerbung um EU-Forschungsgelder für die Sozial- und Humanwissenschaften. Schon heute sei ihre Erfolgsquote bei Anträgen vergleichsweise gering.

kas