Studierende auf dem Rasen vor der Mensa der Universität Hohenheim
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Bildungsstandards in Deutschland
Experten empfehlen regionales Fördersystem für Hochschulen

Der Aktionsrat Bildung sieht keine großen regionalen Bildungsunterschiede in Deutschland zwischen Stadt und Land. Das könnte sich jedoch bald ändern.

24.05.2019

Der Aktionsrat Bildung hat das Hochschulnetz in Deutschland untersucht. Die Experten sehen keine großen regionalen Bildungsunterschiede zwischen Stadt und Land, wie das von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) ins Leben gerufene Gremium in dieser Woche mitteilte. Die oftmals noch immer als solche wahrgenommene Benachteiligung in der Bildung auf dem Land sei damit nicht mehr gegeben.

Damit das so bleibt, raten die Autoren der Studie rechtzeitig zu handeln und haben Empfehlungen für die Politik entwickelt. Denn ein in allen Regionen gleichermaßen leistungsfähiges Bildungssystem sei der Grundpfeiler für die Fachkräftesicherung, so die Experten.

Der Aktionsrat Bildung empfiehlt zum Beispiel, mehr Personal in der frühen Bildung einzustellen und Grundschulen im ländlichen Raum zu erhalten. Ebenso fordern die Autoren des Gutachtens, dass Hochschulen und Substandorten in ländlich-peripheren Regionen als Teil einer umfassenden Förderung durch Bund, Länder und Kommunen gegründet werden.

Außerdem plädiert der Rat für mehr duale Studiengänge, schnelleren Internetzugang für ländliche Behörden und Unternehmen, einen realistischen Länderfinanzausgleich im Hinblick auf Investitionen in Studierende und eine Förderinitiative für mehr Bildungsforschung.

Maximal 60 Kilometer zur nächsten Hochschule

In den letzten 30 Jahren sei ein engmaschiges Hochschulnetz in Deutschland entstanden. Die Zahl der Hochschulen habe stark zugenommen, vor allem bei den Fachhochschulen und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Auch in Regionen, in denen es zuvor keine Hochschulen gab, sodass heute kein Postleitzahlbezirk mehr als 59 Kilometer vom nächsten Standort entfernt liege. Dadurch hätten nun alle Menschen in Deutschland gleiche Zugangschancen zur Hochschulbildung, unabhängig vom Wohnort. Mit der Gründung einer Hochschule sei nachweislich der Anteil der Personen mit Hochschulabschluss in einem Bundesland um sieben Prozent gestiegen.

Jedoch gebe es hohe regionale Unterschiede hinsichtlich Arbeitsmöglichkeiten, Wohnraum, Versorgung, Freizeit und Kultur. Damit könne trotz gleicher Bildungschancen nicht von gleichwertigen Lebensverhältnissen gesprochen werden. Die Experten empfehlen daher ein Regionalfördersystem durch Bund, Länder und Kreise, an dem Hochschulen "als Motor ihrer Region" maßgeblich beteiligt sein sollten.

Viele Studienanfänger entscheiden sich laut Gutachten jedoch nicht für die nächstgelegene Hochschule, sondern verlassen für den gewünschten Studiengang ihren Wohnort, wodurch eine innerdeutsche – und zunehmen auch innereuropäische – Bildungsmigration entstehe. Dabei gebe es große regionale Unterschiede in der Migrationsbereitschaft der Studienanfänger, etwa zwischen den Bundesländern, Ost- und Westdeutschland, Stadt und Land, nach Art der angestrebten Hochschule und nach Fächergruppe. Für Medizin, Kunst sowie Agrar- und Ernährungswissenschaften sei die "Importquote" am größten.

Unterm Strich suchen laut der Studie umso mehr Studierende ihr Glück an einem ferneren Standort, je besser dort das Bildungsangebot und je attraktiver der neue Wohnort sei. Dazu zählten die Zahl der Hochschulen und Studienplätze, Wohn- und Studienkosten, NC-Quote, Arbeitsmarkt und wirtschaftliche Stellung. Zusammen mit dem demografischen Wandel entstehe dadurch die Gefahr, dass Hochschulen in ländlichen Regionen in Zukunft schließen müssten.

Vor allem ländliche Regionen verlieren Hochschulabsolventen

Nach dem Abschluss ziehe rund ein Drittel der Absolventen in ein anderes Bundesland, um eine ausbildungsadäquate Beschäftigung zu finden. Dabei verlören vor allem ostdeutsche Bundesländer und ländliche Regionen ihre Hochschulabsolventen.

Ob ein Absolvent in der Region seines Studienortes bleibe, hänge dabei sowohl von der Größe der Hochschulstädte als auch maßgeblich von der Zusammenarbeit der Hochschulen mit den Unternehmen der Region ab. Neben Informationsmaßnahmen über die wirtschaftliche Umgebung seien Praktika, Praxissemester und Abschlussarbeiten in Kooperation mit nahen Unternehmen besonders effektiv, um Absolventen zu rekrutieren und so das Fachwissen in der Region zu halten.

In ländlichen Regionen gelinge es so den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften besser als Universitäten, Absolventen in der Region zu halten. Die Maßnahmen seien aber auch für Metropolregionen wichtig, um Humankapital nicht zu verlieren.

Die Analyse der Hochschulen im regionalen Bezug ist Teil eines umfassenden Gutachtens des Aktionsrates zur deutschen Bildungslandschaft. Die Experten haben darin untersucht, wie sich der Wohnort auf die Bildung aller Altersstufen auswirkt.

ckr