Professor Uwe Cantner, Vorsitzernder der Expertenkommission Forschung und Innovation und Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Übergabe des EFI-Jahresgutachtens 2025.
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EFI-Jahresgutachten 2025
Expertenkommission sieht Chancen bei Quanten

Deutschland könnte in der Quantenforschung international weiter mithalten. In anderen Bereichen sieht die EFI allerdings deutlichen Nachholbedarf.

26.02.2025

Es seien "äußerst problematische Zeiten", sagte Professor Uwe Cantner bei der Übergabe des Jahresgutachtens der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) am Mittwochnachmittag an Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Vorsitzende der Kommission zählte auf: Die deutsche Wirtschaft schwächele, ihre "Kraftmaschine der Vergangenheit", die Innovationsfähigkeit, sei angeschlagen. Transformative technologische Entwicklungen zögen an Deutschland vorbei. Das Land würde wirtschaftlich von europäischen Partnern überholt und auch weitere Volkswirtschaften wie Indien drohten Deutschland hinter sich zu lassen.

Cantner kritisierte: Mit der Zukunftsstrategie "Forschung und Innovation" sei zwar das Richtige aufgeschrieben worden, die Umsetzung habe aber entweder nicht stattgefunden oder sei hängengeblieben. Die Expertenkommission empfehle den Politikansatz der Missionsentwicklung weiter fortzusetzen. Die Effizienz verschiedener Maßnahmen müsse kritisch in Blick genommen werden. Besonderes Augenmerk sollte auf der Industriepolitik liegen.

Schwerpunkte des EFI-Jahresgutachtens

In einem Schwerpunktkapitel des diesjährigen Berichts blickt die Expertenkommission auf den Strukturwandel durch Digitalisierung und Dekarbonisierung und welche arbeitsmarktpolitischen Begleitungen jeweils nötig seien. Von existenzieller Bedeutung ist laut Cantner auch das Thema Wasser und die Frage, wie eine stabile Versorgung trotz der Volatilität durch den Klimawandel sichergestellt werden könne. Innovationen in der Wasserwirtschaft ist daher ein weiteres Kernthema des Gutachtens. Einen dritten Schwerpunkt legt es auf die Quantentechnologien.    

Quantentechnologien in Deutschland

Die deutsche Quantenforschung habe gute Voraussetzungen, langfristig mit der Konkurrenz aus den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und China mitzuhalten und eine führende Rolle einzunehmen, urteilt die Expertenkommission. Die Entwicklung der Quantentechnologien stünde in vielen Bereichen noch am Anfang, daher müssten die richtigen strategischen Weichen gestellt werden. Dabei bedarf es laut Gutachten eines gemeinsamen europäischen Vorgehens und einer verlässlichen Forschungs- und Innovationspolitik der neuen Bundesregierung, die vor allem den Transfer von Forschung in marktfähige Anwendungen unterstützt.

Europäische Kooperation in der Quantenforschung

Deutschlands "hervorragende Ausgangsposition", um Entwicklungen in den Quantentechnologien "maßgeblich voranzutreiben", liege an der exzellenten Grundlagenforschung und der starken Tradition der Quantenphysik in Deutschland. Das sagt die stellvertretende Vorsitzende der EFI, Professorin Irene Bertschek, laut Mitteilung der Expertenkommission. Allerdings könne Deutschland als "einzelner Akteur" im internationalen Wettbewerb um das Quantencomputing nicht mithalten, ergänzte demnach EFI-Mitglied Professorin Carolin Häussler. "Eine enge Zusammenarbeit und Bündelung der Kräfte innerhalb der EU ist daher essenziell, um beispielsweise ein 'Quantum Computing Made in Europe' perspektivisch zu ermöglichen", erläuterte Häussler. Es müsste auf europäischer Ebene ermöglicht werden, dass Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Investoren sich grenzüberschreitend vernetzen und koordinieren können.

Transfer: Aus der Forschung auf den Markt

Eine deutsche Schwäche sieht die EFI laut Gutachten im Transfer von Innovation in praktische Anwendungen. Von den weltweit knapp 1.800 Patentanmeldungen der letzten zwei Jahrzehnte im Bereich Quantencomputing stamme etwa die Hälfte aus den USA und nur gut 70 aus Deutschland. Um bei den Quantentechnologien zu vermeiden, dass in Deutschland entwickelte Ideen anschließend anderswo zur Marktreife gebracht würden, müsse der Transfer besser gefördert werden. Die EFI fordert daher die Unterstützung von Gründerinnen und Gründern aus der Forschung, verbesserte Finanzierungsbedingungen für Start-ups und staatliche Ankerkundenverträge für zentrale Großprojekte.

Strategie für Quantentechnologien in Deutschland

Eine nationale Quantenstrategie müsse einen Rahmen für die Weiterentwicklung der Quantentechnologien schaffen, so die Kommission. Dazu gehören laut Gutachten langfristig ausgerichtete und flexibel anpassbare Pläne für die Technologieentwicklung, der gezielte Ausbau regionaler Innovationscluster mit klaren Forschungsschwerpunkten, ein einfacher Zugang zu moderner Forschungsinfrastruktur und der Aufbau einer "Quanten-Benchmarking-Plattform". Diese Plattform könnte Quantentechnologien anhand von allgemein akzeptierten Kriterien bewertbar machen. Kompetenzen im Bereich der Quantentechnologien müssten gezielt gefördert und die Standortattraktivität erhöht werden, um internationale Spitzenforscherinnen und -forscher anzulocken und zu halten.

Die sechsköpfige Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) legt seit 2008 jährlich ein Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Sie entwickelt Vorschläge für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik. Das aktuelle Gutachten ist online einsehbar. Mitarbeitende des Deutschen Hochschulverbands haben zu Fragen der Erleichterung der "Mobilität zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung" Input über vorübergehende Tätigkeiten von Beamtinnen und Beamten in der Privatwirtschaft geliefert.
 

Was sind Quantentechnologien

Quantentechnologien versprechen im Bereich des Quantencomputings eine enorm gesteigerte Rechenleistung im Vergleich zu bisherigen Computern. Sie sollen darüber hinaus beispielsweise neue Möglichkeiten in der Messtechnik, der Bildgebung und der Kommunikationssicherheit liefern. Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2025 zum "Internationalen Jahr der Quantenwissenschaft und Quantentechnologien" erklärt.

cpy