Gebäude der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV)
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Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar
Fakultäts-Schließung lässt Professoren im Unklaren

Die private Hochschule in Vallendar hat die bundesweit einzige universitäre Fakultät für Pflegewissenschaft. Nun wird sie überraschend geschlossen.

03.05.2021

Während die Pflege in der Corona-Krise aktuell gefordert ist wie nie, schließt die bundesweit einzige Fakultät für Pflegewissenschaft. Wie die private Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar (PTHV) in Reinland-Pfalz Ende März bekanntgab, wird die Fakultät gänzlich stillgelegt. Die Angehörigen der Fakultät traf die Entscheidung der geschäftsführenden Pallottiner überraschend.

"Die Mitteilung hat uns kalt erwischt", sagt Erika Sirsch, Dekanin der Fakultät und Professorin am Lehrstuhl für Akutpflege. Erst einen Tag vor der offiziellen Bekanntgabe an die Öffentlichkeit und alle Hochschulangehörigen habe sie davon erfahren. Wie es für die aktuell sieben Lehrstuhlinhaberinnen und Lehrstuhlinhaber weitergeht, sei völlig offen. Das wissenschaftliche Personal sei zum April bereits größtenteils auf andere Hochschulbereiche verteilt worden. Auslaufende Zeitverträge würden nicht verlängert. "Der akademische Mittelbau existiert an der Fakultät für Pflegewissenschaft nicht mehr", sagt Sirsch.

Die Studierenden erwartet ein strenger Zeitplan. Die PTHV sichert allen eingeschriebenen Studierenden zu, ihren Abschluss noch machen zu dürfen, vorausgesetzt sie bleiben in der Regelstudienzeit. Neue Studierende werden nicht mehr angenommen. Wer die Lehre bis zum Ende des Studiums der jetzigen Zweitsemester organisiert, wenn kaum noch Personal da ist? "Wir versuchen zu retten, was zu retten ist", sagt Sirsch. Die Lehramtsstudierenden, die in einer Kooperation der PTHV mit der Uni Koblenz ausgebildet werden, sollen möglichst fertig studieren. Derzeit hat die Pflegewissenschaftliche Fakultät nach Angaben der Hochschule rund 250 Studierende, von denen rund 90 Personen in Kooperation mit der Universität Koblenz für den Bereich Pflege an berufsbildenden Schulen ausgebildet werden. Die anderen Studiengänge – Community Health Nursing, Bachelor Pflegeexpertise und Master Pflegewissenschaft – und vor allem die Promovierenden haben nur wenige Ausweichmöglichkeiten auf ähnliche Studiengänge an deutschen Hochschulen.

Kaum Lehrstühle für Pflege an deutschen Unis

Auch die Professorinnen und Professoren der Fakultät haben nur begrenzte Möglichkeiten, universitäre Lehrstühle für Pflegewissenschaften sind in Deutschland sehr selten. Nur neun Universitäten haben bundesweit ein Institut für Pflegewissenschaft. Die aktuell rund 60 Promovierenden der Fakultät in Vallendar haben laut Sirsch noch zwei Jahre Zeit von der Hochschule bekommen, um ihre Promotion abzuschließen. Der Umfang einer Doktorarbeit in den Pflegewissenschaften sei dabei vergleichbar mit den MINT-Fächern und erfordert deutlich mehr als zwei Jahre. Die laufenden Forschungsprojekte der Fakultät könnten noch fertig gestellt, jedoch nicht erweitert werden, teilte die Hochschule mit.

Die Schließung begründet die private Hochschule damit, dass sie nicht wirtschaftlich sei. Die Studiengebühren – rund 300 Euro pro Monat – reichten nicht aus. Höhere Studiengebühren seien mit Blick auf die Verdienstmöglichkeiten in der Pflege nicht angemessen, erklärte die Geschäftsführerin der PTHV gGmbH, Julia Sander. "Da zu wenig zahlende Studierende eingeschrieben sind und die Studierendenzahlen seit Jahren rückläufig sind, ist es der ordensähnlichen Gemeinschaft nicht möglich, die Fakultät aufrechtzuerhalten", heißt es in der Mitteilung der Hochschule. Die Pallottiner sind seit Beginn des Jahres alleiniger Gesellschafter der kirchlich und staatlich anerkannten Hochschule in freier Trägerschaft. Die Marienhaus Holding, die die Fakultät hauptsächlich getragen habe, sei ausgestiegen.

Zudem habe sich die „bei der Gründung der Fakultät der Pflegewissenschaft gehegte Hoffnung", dass die Pflege in Deutschland akademisiert werde, "nicht im nötigen Maße erfüllt". Die PTHV strukturiere sich daher um. Im Januar hat sie eine Fakultät für Humanwissenschaft gegründet. Ursprünglich sollte die 2006 gegründete Pflegefakultät in abgespeckter Version darin aufgehen. Stattdessen habe die Provinzleitung der Pallottiner im März beschlossen, sie zu schließen.

Rückschlag für Akademisierung der Gesundheitsberufe

Fachverbände werteten die Schließung als Rückschlag für die Entwicklung der Pflege. "Im internationalen Vergleich ist Deutschland jetzt schon beim Grad der Akademisierung der Pflege ein Entwicklungsland", sagte die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), Christel Bienstein, der Deutschen Presseagentur. Die Dekanin Sirsch sucht nun Hilfe in der Politik und fordert den Erhalt der Fakultät in Vallendar.

Die Akademisierung der Gesundheitsberufe ist eine häufige politische Forderung. In Europa ist sie an den Hochschulen längst gängige Praxis, in Deutschland wenig fortgeschritten, stellte eine Studie im Auftrag des BMBF 2014 fest. Anders als in den meisten europäischen Nachbarländern werden in Deutschland die Angehörigen der Gesundheitsberufe vorrangig im sekundären Bildungssektor ausgebildet. Einige wenige Ausnahmen gibt es für die Pflege und Therapeuten. Für Hebammen ist der Bildungsweg seit diesem Jahr vollständig akademisiert.

ckr