Ukrainische Soldaten in Uniform bei einer Übung im Gebiet von Donezk, im Hintergrund ein Panzer..
picture alliance / AA | Wolfgang Schwan

Ukraine
Konflikt mit Russland bedroht Forschung in der Ukraine

Die Situation im russisch-ukrainischen Konflikt spitzt sich aktuell mehr und mehr zu. Forschende bereiten sich auf den Ernstfall vor.

22.02.2022

Forschende in der Ukraine sind wegen der Spannungen mit Russland besorgt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fürchten, dass Fortschritte, die die Ukraine vor allem im Bereich Wissenschaft und Forschung seit 2014 gemacht hätte, in Gefahr seien. Im Gespräch mit "Nature" haben sie berichtet, was sie tun, um sich und ihre Arbeit zu schützen. Damals hatte Russland die Krimhalbinsel annektiert und der russisch-ukrainische Konflikt begann. Aktuell eskaliert die Situation erneut: Am Montag hat der russische Präsident Wladimir Putin die Unabhängigkeit der sogenannten "Volksrepubliken Donezk und Lugansk" anerkannt und die Entsendung von militärischer Präsenz in Form von "Friedenstruppen" angekündigt.

Beide völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Grenzgebiete werden von prorussischen Separatisten kontrolliert. In ihnen kommt es bis heute zu Auseinandersetzungen. In der Folge wurden laut Bericht 18 ansässige Universitäten in andere Teile der Ukraine verlegt, etwa die Nationale Wassyl-Stus Universität Donezk, die nun in Winnyzja liegt. Viele Forschende verloren dabei ihre Labore und Wohnungen, berichtet "Nature". Allgemein habe sich die Ukraine seit Beginn des russisch-ukrainischen Konflikts von wissenschaftlichen Kooperationen mit Russland abgekehrt und sich mehr an Europa orientiert. Das Knüpfen dieser neuen europäischen Verbindungen sei nicht leicht gewesen, wie Professor Illya Khadzhynov berichtet, stellvertretender Rektor für Wissenschaft der Universität.

Forschende sind verunsichert

Dr. Irina Yehorchenko, Mathematikerin am Institut für Mathematik der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Kiew nah der belarussischen Grenze, sorgt sich laut Bericht, dass ein Krieg droht. Sie wisse nicht, wie lange sie noch unbehelligt arbeiten könne. Sie habe zwar den Eindruck, es sei sinnlos Vorbereitungen zu treffen, aber sie sorge dafür, dass ihre elektronischen Geräte geladen seien und sie im ständigen Kontakt zu ihrer Familie sei. Alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Ukraine täten das.

Allgemein führten die Spannungen mit Russland dazu, so Yehorchenko, dass die wirtschaftliche Situation in der Ukraine leide, dass es weniger Fördergelder gebe, Reisen schwierig und Konferenzen in der Ukraine selbst unmöglich würden.

Teilweise würden Universitätsmitarbeiter vor allem an Einrichtungen im Grenzgebiet für den militärischen Ernstfall trainiert. An der Sumy National Agrarian University etwa, 30 Kilometer von der Grenze entfernt, existierten Pläne, wie Angestellte Zuflucht suchen sollten und wie Forschungsequipment und Proben geborgen werden könnten. Ein Wirtschaftswissenschaftler der Hochschule sagte gegenüber "Nature", dass einige bereits Notfallkoffer gepackt hätten. Bei einer russischen Invasion müssten viele Forschende in die von der Ukraine kontrollierten Gebiete fliehen, um weiterhin arbeiten zu können, sie würden nicht für "den Feind" arbeiten.  

Auch auf der russischen Seite bedauern Forschende die Spannungen mit der Ukraine. Wladimir Kuznetsow, Biologieprofessor am K. A. Timiryazew Institut für Pflanzenphysiologie in Moskau, erklärte gegenüber "Nature", dass die Situation inakzeptabel sei und er hoffe, dass es bald zu einer Stabilisierung komme. Die Kooperationen zwischen ukrainischen und russischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hätten nachgelassen – wenn sie noch bestünden, würden sie auf der ukrainischen Seite verheimlicht, um niemanden zu gefährden.

cpy