

Sondervermögen
Grundgesetz-Änderung im Bundestag beschlossen
Der 20. Bundestag hat in einer namentlichen Schlussabstimmung entschieden, dass das Grundgesetz geändert wird. So wird das von Union und SPD geplante Finanzpaket ermöglicht. Von 718 Stimmen haben am Dienstagnachmittag 512 Abgeordnete für die Änderung und 206 Abgeordnete dagegen gestimmt, Enthaltungen gab es keine. Die für eine Grundgesetzänderung benötigte Zweidrittelmehrheit von 489 Stimmen ist damit erreicht worden. Vorausgegangen war eine emotionale Debatte über die Pläne für Verteidigungs- und Infrastrukturinvestitionen.
Was entschieden wurde
Bei der Änderung im Grundgesetz geht es darum, dass die Schuldenbremse – die der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen setzt – für Ausgaben in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit gelockert wird. Für alle Ausgaben in diesen Bereichen, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, dürfen Kredite aufgenommen werden.
Außerdem wird ein Sondervermögen geschaffen, für das die Schuldenbremse nicht gilt und das mit Krediten bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert wird. Damit sollen "zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur" sowie "zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045" getätigt werden. 100 Milliarden sollen in den Klima- und Transformationsfonds fließen, weitere 100 Milliarden sind für die Länder vorgesehen. Die Laufzeit ist auf zwölf Jahre festgelegt. Das Geld darf nur fließen, wenn im normalen Kernhaushalt eine angemessene Investitionsquote gilt. Mit der Absicherung dieser "Zusätzlichkeit" wollen die Grünen verhindern, dass das Geld genutzt wird, um auf Umwegen Wahlgeschenke zu finanzieren.
Union, SPD und Grüne hatten sich vorab geeinigt: Der Gesetzesentwurf hatte am Sonntagnachmittag den Haushaltsausschuss passiert, wie der Bundestag am Montag mitgeteilt hat. Grundlage war ein gemeinsamer Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, CDU/CSU und die Grünen. Der ursprüngliche Entwurf hatte die Ausnahmen aus der Schuldenregel nur für Verteidigungsausgaben vorgesehen. Das Sondervermögen für Infrastruktur berücksichtigt nun auch Investitionen in die Klimaneutralität. Die Laufzeit von vormals zehn Jahren wurde erhöht.
Wissenschaftsorganisationen hoffen auf Sanierungsgelder
Schon vor der Abstimmung hatten Wissenschaftsorganisationen wie der Deutsche Hochschulverband und die Hochschulrektorenkonferenz vorsichtig optimistisch auf die Ankündigungen des Sondervermögens für Infrastruktur reagiert. Die Pläne von Union und SPD weisen "angesichts der gegebenen außergewöhnlichen Situation in die richtige Richtung", wie der Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Professor Lambert T. Koch am 6. März gegenüber "Forschung & Lehre" sagte. Die Hochschulen benötigten "dringend eine bedarfsgerechte und zukunftsfähige Infrastruktur, für die letztlich Bund und Länder gemeinsam Verantwortung tragen", so Koch.
Professor Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hatte ebenfalls Anfang März angemerkt, dass es bei der "konkreten Ausgestaltung" darauf ankommen werde, "die Wissenschaftsinfrastrukturen nachhaltig zu stärken und das volle Innovationspotenzial der Hochschulen zu entfalten". Die Einrichtung des Sondervermögens sei "ein wichtiger Schritt". Zuletzt kündigte Rosenthal im Gespräch mit der Zeitung "ZEIT" an, dass die Hochschulrektorenkonferenz sich dafür starkmachen werde, dass das Geld auch bei den Hochschulen ankomme. Dabei solle das Geld "bevorzugt an die Länder gehen, die effiziente Planungsprozesse haben und sich finanziell beteiligen". Auch sei das Geld des Sondervermögens nur ein "Start für eine Sanierungswelle". Diese sei eine "gesamtstaatliche Ewigkeitsaufgabe".
Expertinnen und Experten des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) schlagen vor, knapp 35 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für den Hochschulbau vorzusehen, berichtet "Table.Media" am Dienstag. Dies hält Ulf Richter laut dem Medium für zu wenig. Der Kanzler der Universität Duisburg-Essen ist Sprecher des Arbeitskreises Hochschulbau der Vereinigung der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten Deutschlands. Es müssten damit "weitere Mittel der Länder gehebelt werden", etwa durch Vorgaben und Anreize für die Mittelvergabe. Wenn das Geld zudem "möglichst unbürokratisch zur Verfügung gestellt" würde, dann wäre es ein "Befreiungsschlag".
Wie sich die Parteien in der Debatte positioniert haben
In seiner Rede beschrieb Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) die geplanten Ausgaben als Wechsel für die Zukunft des Landes. Er erklärte die mit ihnen verbundenen Milliardenschulden, die nur unter "ganz besonderen Umständen eine Rechtfertigung finden" mit der Sicherheit Deutschlands, Europas und der Nato. "Es ist ein Krieg auch gegen unser Land, der täglich stattfindet", sagte der mutmaßliche nächste Kanzler mit Blick auf Russland. Die "Entscheidung zur Verteidigungsbereitschaft" sei nicht weniger, "als der erste Schritt zu einer neuen europäischen Verteidigungsgemeinschaft". Merz kündigte zudem Sparmaßnahmen und einen Rückbau der Bürokratie an.
SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil warb mit Vorteilen der geplanten Investitionen für Bürgerinnen und Bürger. Das Finanzpaket werde die Wirtschaft und das Wachstum ankurbeln. "Dieses Paket wird die Mehrheit der Menschen in ihrem Alltag entlasten." Es sei ein wichtiges Zeichen der politischen Kultur, gegen Spaltung und für die Sicherheit. Auch er pochte auf Reformen. Geld alleine könne die Herausforderungen, vor denen das Land stehe, nicht lösen. Der Staat müsste besser werden: "Wir müssen überall effizienter, zielgenauer und professioneller werden." Es sei wichtig, das freie Europa zu verteidigen.
Scharfe Kritik kam hingegen von FDP und AfD. FDP-Fraktionschef Christian Dürr, dessen Partei dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören wird, warf der Union vor, sich gegen den wirtschaftlichen Erfolg des Landes zu entscheiden. "Viel Geld, keine Reformen. Das wird Ihre Kanzlerschaft kennzeichnen", sagte Dürr an Merz gewandt. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla warf Merz vor, nicht nur kein Rückgrat zu haben, sondern inzwischen "komplett wirbellos" zu sein. Er verwies darauf, dass "planlos" die Staatsverschuldung massiv erhöht werde.
FDP und AfD scheiterten bereits vor der Debatte mit dem Versuch, die Sitzung noch zu verhindern, indem sie das Vorgehen von SPD und Union kritisierten, noch mit dem alten Bundestag abzustimmen. CDU, CSU, SPD und Grüne lehnten Anträge ab, die geplante Änderung des Grundgesetzes in mehreren Punkten von der Tagesordnung zu nehmen.
Die Grünen haben das Finanzpaket zwar in den vergangenen Tagen mit CDU, CSU und SPD ausgehandelt, stehen dem Vorgang aber nicht unkritisch gegenüber. Fraktionschefin Britta Haßelmann ließ sich die Chance zur Abrechnung mit Merz nicht nehmen. Alle, auch Merz, hätten bereits im vergangenen Jahr gewusst, dass Deutschland dringend Investitionen und zugleich mehr Geld für die Verteidigung brauche. Er und seine Partei hätten das öffentlich nie zugegeben und die Grünen sogar noch für entsprechende Forderungen diffamiert. "Aber ich bin dennoch in der Sache froh, dass wir das jetzt heute so entscheiden, denn es ist notwendig für unser Land", sagte Haßelmann.
Bundesrat stimmt Finanzpaket zu
Wie die "Tagesschau" berichtet, hat der Bundesrat am 21. März mit 53 von 69 Stimmen für das Schuldenpaket von Schwarz-Rot gestimmt. Um die nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen, wären 46 Stimmen ausreichend gewesen. Für die Grundgesetzänderung hätten sich zwölf Bundesländer ausgesprochen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen hätten sich wie erwartet enthalten. Dass eine Zweidrittelmehrheit zustande kommen würde, war länger unklar, bis sich in Bayern am Montag CSU und Freie Wähler auf eine Zustimmung einigten. Da nun Bundestag und Bundesrat mit der verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit zugestimmt haben, kann das Gesetz in Kraft treten. Der 21. Deutsche Bundestag wird am 25. März 2025 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten.
aktualisiert am 21.03.2025 um 12:15 Uhr [Zustimmung Bundesrat], korrigiert am 19.03.2025 um 15.45 Uhr [fälschlicherweise stand im Artikel, dass die Länder 100 Millionen und nicht Milliarden erhalten], zuerst veröffentlicht am 18.03.2025
cpy/dpa