

USA
Harvard im Visier der Trump-Regierung
Im Streit um den von ihr verlangten Kurswechsel an Hochschulen enthält die US-Regierung der privaten Elite-Universität Harvard Fördergeld in Milliardenhöhe vor. Begründet wurde der Schritt mit angeblicher Missachtung von Bürgerrechten und unzureichendem Einsatz gegen Antisemitismus an der renommierten Uni, die eine Reihe von Forderungen der Regierung nicht erfüllen will. Insgesamt ließ US-Präsident Donald Trump 2,2 Milliarden US-Dollar (1,9 Milliarden Euro) an mehrjährigen Zuschüssen und 60 Millionen Dollar an mehrjährigen Verträgen der Regierung mit Harvard auf Eis legen.
Die Regierung hatte der Universität mit Sitz in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts in einem Schreiben vom 11. April mehrere Änderungen abverlangt und sie aufgefordert, verschiedene Verpflichtungen einzugehen. In dem Schreiben wurde von der Universität verlangt, ausländische Studierende bei Verstoß gegen Verhaltensregeln den Bundesbehörden zu melden, die Meinungsvielfalt unter Hochschulangehörigen überprüfen zu lassen sowie die Zulassung von Studierenden und die Einstellung von Mitarbeitenden nach Diversitätskriterien zu beenden.
Forderungsbrief nicht autorisiert – Harvard zieht vor Gericht
Medienberichten zufolge ließen Behörden-Verantwortliche Harvard wissen, dass der offizielle Brief mit den Forderungen am 11. April ohne Absprache verschickt worden sei. Öffentlich gab es aber keine Abkehr von der Position, meldet die Deutsche Presseagentur am 22. April.
Die Elite-Universität Harvard zieht indes vor Gericht. Die Klage zielt darauf, die Blockade milliardenschwerer Fördergelder zu lösen. Das Vorgehen der Regierung von Präsident Trump verstoße gegen die im ersten Zusatzartikel zur US-Verfassung festgeschriebene Meinungsfreiheit, argumentiert Harvard unter anderem.
Harvard klagte namentlich unter anderem gegen Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., Bildungsministerin Linda McMahon und Verteidigungsminister Pete Hegseth – nahm Trump aber nicht in die Liste auf.
Hunderte von Universitäten rufen öffentlich zu Widerstand auf
Die Vereinigung der US-amerikanischen Hochschulen (American Association of Colleges and Universities, AAC&U) hat am 22. April eine Erklärung veröffentlicht, in der sie sich explizit gegen die "beispiellose staatliche Übergriffigkeit und politische Einflussnahme" ausspricht. Mit dem Titel "Aufruf zum konstruktiven Engagement" äußern sich die amtierenden Hochschulleitungen erstmals in großer Zahl gemeinsam zu diesem Thema. "Wir werden stets effektive und faire Finanzierungspraktiken anstreben, müssen aber den zwangsweisen Einsatz öffentlicher Forschungsmittel ablehnen", stellen die Unterzeichnenden heraus.
Die Leitungskräfte seien zwar "offen für konstruktive Reformen und stellen sich nicht gegen legitime staatliche Aufsicht", machen aber in ihrem Aufruf zugleich deutlich, dass sie sich gegen Versuche zur Einschränkung oder Untergrabung der grundlegenden Freiheiten der Hochschulbildung stellen werden. "Gemeinsam ist den amerikanischen Hochschulen die grundlegende Freiheit, auf akademischer Ebene selbst zu bestimmen, wen sie aufnehmen und was, wie und von wem gelehrt wird", heißt es in der öffentlichen Erklärung. Die zentrale Rolle der Hochschulen für den Wohlstand, die Kultur, die Forschung, die Gesundheitsversorgung und die Demokratie wird im Aufruf betont. Dieser unverzichtbare Beitrag der Hochschulen sei jedoch nur aufgrund der gewährten Freiheiten möglich.
Am 23. April haben bereits über 350 Präsidentinnen und Präsidenten von Hochschulen sowie einige Leitungskräfte wissenschaftlicher Gesellschaften die Erklärung unterschrieben.
Harvard lehnte Trump-Forderungen ab
Zuvor hatte die Harvard-Leitung die Forderungen der US-Regierung zurückgewiesen. "Keine Regierung – unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist – sollte vorschreiben, was private Universitäten lehren dürfen, wen sie zulassen und einstellen dürfen und welchen Studien- und Forschungsbereichen sie nachgehen dürfen", heißt es in einem Schreiben des Uni-Präsidenten Alan Garber. Die Universität werde ihre Unabhängigkeit und ihre verfassungsmäßigen Rechte nicht aufgeben.
Die Freiheit des Denkens und der Forschung sowie die langjährige Verpflichtung der Regierung, diese zu respektieren und zu schützen, hätten es Universitäten überhaupt erst ermöglicht, auf entscheidende Weise zu einer freien Gesellschaft beizutragen. Mit Blick auf den angeblich unzureichenden Einsatz gegen Antisemitismus erwiderte Garber, das Schreiben mache deutlich, dass gar nicht die Absicht bestehe, mit der Universität zusammenzuarbeiten, um Antisemitismus "auf kooperative und konstruktive Weise" zu bekämpfen.
Konflikt spitzt sich zu
Am 15. April habe Trump der Harvard University auf seinem Onlinedienst Truth Social überdies mit dem Entzug von Steuervorteilen gedroht, berichtet Tagesspiegel Online. Eine Steuerbefreiung sei nur bei Institutionen gerechtfertigt, die im öffentlichen Interesse handelten. Laut Bericht habe der US-Präsident in Frage gestellt, ob die Universität nicht eher wie eine politische Einrichtung zu besteuern sei, "wenn sie weiterhin politisch, ideologisch und terroristisch inspirierte/unterstützende 'Krankheit' vorantreibt?"
US-Regierung geht gegen Universitäten vor
Trumps Regierung geht mit harten Bandagen gegen Kritik und unliebsame Meinungen oder Wertevorstellungen vor, die sie im linksliberalen Spektrum verortet. Auch Universitäten sind ins Visier geraten – etwa wegen Diversitätsprogrammen, die historisch bedingter Diskriminierung von Schwarzen, Frauen und anderen benachteiligten Gruppen entgegenwirken sollen. Auch die im Zuge des Gaza-Kriegs gehäuften propalästinensischen Proteste an Universitäten des Landes im vergangenen Jahr erregten den Unmut des Trump-Lagers.
Andere Elite-Hochschulen wie die New Yorker Columbia-Universität haben nach Drohungen aus Washington bereits Zugeständnisse gemacht – und sich damit ebenfalls Kritik eingehandelt. So forderte der frühere US-Präsident Barack Obama jüngst, Universitäten sollten lieber ihre Stiftungsgelder einsetzen oder Kosten einsparen, anstatt den Wegfall von Fördermitteln zu verhindern, indem sie Trumps Forderungen erfüllen.
Als reichste Universität der Welt könne sich Harvard den Widerstand leisten – anders würde es bei den vielen kleineren Hochschulen aussehen, heißt es im Tagesspiegel. Als private Hochschule sei Harvard zwar nicht staatlich grundfinanziert, profitiere aber von Steuererleichterungen und erhalte Fördergelder aus der öffentlichen Hand. Harvard finanziere sich vorwiegend über Studiengebühren, Spenden und Erträge aus dem Stiftungsvermögen, welches selbst unangetastet bleibe. Trotz seines Vermögens bedrohe die aktuelle US-Politik aber Harvards Handlungsmöglichkeiten. Wie andere Hochschulen auch habe Harvard schon im März einen Einstellungsstopp beschlossen.
zum dritten Mal aktualisiert am 24.04.2025 um 11 Uhr [Ergänzung öffentliche Erklärung AACU]. Zuvor aktualisiert am 22.04.2025 [mit Informationen zur Autorisierung des Briefs der Regierung und zur Klage] und am 16.04.2025 [mit Tagesspiegel-Informationen]; zuerst veröffentlicht am 15.04.2025
hes/cva/dpa