"Geschlossen wegen Coronavirus-Pandemie" steht auf einem Schild am Eingang der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar.
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Infektionsschutzgesetz
Hochschulen verärgert über Corona-Notbremse

Das neue Infektionsschutzgesetz verbietet die Präsenzlehre an Hochschulen bei hohen Infektionszahlen. Die HRK fordert Nachbesserungen.

23.04.2021

Das neue Infektionsschutzgesetz für bundeseinheitliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie tritt an diesem Freitag in Kraft. Die Hochschulen, allen voran die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), widersprachen dem Entwurf zur sogenannten Bundes-Notbremse vorab. Kern der Kritik: Für Hochschulen sollen undifferenziert dieselben Regeln wie für Schulen gelten. Die Forderungen der HRK nach "sachgerechten Lösungen" wurde enttäuscht: Die Aspekte im Gesetz, die die Hochschulen betreffen, wurden nicht überarbeitet.

Am Freitag forderten die Hochschulen von der Bundesregierung schnelle Klarstellungen. Man hoffe auf zügige Klärung durch die angekündigten Rechtsverordnungen, sagte der HRK-Präsident Professor Peter-André Alt der Deutschen Presse-Agentur. Über diese könnte die Bundesregierung mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat "Präzisierungen, Erleichterungen oder Ausnahmen" von den Notbremse-Regeln erlassen.

Das forderten auch die Wissenschaftsminister der Bundesländer in einem Brief an Bundesbildungsministerin Anja Karliczek und Gesundheitsminister Jens Spahn und erklärten, dass sie "Forschungstätigkeiten, Tätigkeiten in Laboren und ähnlichen Einrichtungen sowie alle praktischen Ausbildungsabschnitte und -bestandteile im Studium" aufrechterhalten wollen. "Die Diskussion wird noch geführt und ich denke, da wird es noch die eine oder andere Änderung geben", sagte Karliczek der dpa.

Das Gesetz sieht derzeit vor, dass im Bildungssektor ab einem Inzidenz-Schwellenwert von 100 auf Wechselunterricht umgestellt werden muss, so dass weniger Unterricht in Präsenz stattfindet. Ab einem Inzidenzwert von 165 sind Präsenzformate gänzlich verboten. Das gilt für Schulen und Hochschulen gleichermaßen und damit auch für Ausnahmebereiche der universitären Lehre, die bislang noch in Präsenz stattfinden. Darunter fallen praktische Lehrformate, zum Beispiel Laborunterricht, künstlerische Übungen und Prüfungen sowie der Zugang zu den Hochschulbibliotheken. Alle anderen Lehrveranstaltungen laufen an Hochschulen seit der ersten Corona-Welle im März 2020 in der Regel digital ab.

Verzögerungen in praktischen Studienfächern erwartet

"Die HRK fordert den Erhalt der bisherigen, ohnehin minimalen Praxismöglichkeiten in Lehre und Studium" auch bei höheren Inzidenzwerten, sagte Alt am Dienstag. Die Hochschulen hätten kontinuierlich bewiesen, dass diese auch in der Pandemie verantwortungsvoll durchführbar seien. Das Gesetz ignoriere "Spezifika, Anforderungen und Möglichkeiten der Hochschullehre in der Pandemie und gefährdet die bisherigen Leistungen der Hochschulen", so Alt. Die neuen Regelungen für den Studienbetrieb seien pauschal und untauglich. Sie würden "eine erhebliche Zahl an Studierenden unmittelbar schädigen", besonders in den Fächern Medizin, Sport, Kunst und Musik.

"Das Notbremsengesetz bedeutet ein 'Nichtsemester' für viele Studierende in den naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen sowie der Medizin, und wird zu verzögerten Studienabschlüssen führen", erklärte auch Professor Stephan Dabbert, Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg am Mittwoch. Die Bundes-Notbremse werfe "zahllose neue Fragen zur Organisation der Lehre" auf, warnte zudem Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow.

Am Mittwoch hatte das Gesetz den Bundestag passiert. Am Donnerstag hat das Gesetz den Bundesrat passiert und der Bundespräsident hat es unterzeichnet. Einzelregelungen für die Hochschulen müssen im Rahmen eigener Rechtsverordnungen nachverhandelt werden. Sollten Defizite des neuen Gesetzes in der Praxis zutage treten, gebe es auf Länderebene noch die Möglichkeit "nachzuarbeiten", sagte am Dienstag die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar. Dabbert erhofft sich vom Land Baden-Württemberg, dass es das Gesetz so auslegt, dass "der Betrieb dieser Studiengänge weiter möglich ist". Wissenschaftsministerin Theresia Bauer kündigte am Donnerstag an, entsprechend nachzujustieren.

zuletzt aktualisiert am 23.04.2021 um 16:58 Uhr, zuerst veröffentlich am 22.04.2021 um 11:40 Uhr

ckr/dpa

1 Kommentar

  • Snezana Stamenkovic Eine Adjustierung ist bitter nötig! Niemand hat überlegt wie „gefährlich“ Einzelunterricht an einer Musikhochschule ist? Man hat mehr als ein Jahr lang 0€ in Prävention investiert, man vergisst dass ein Musiker oder ein Tänzer genau das gleiche Problem haben wie die Leistungssportler. Es ist unverantwortlich einfach alles online zu senden ohne einen Moment über Alternativen nachgedacht zu haben, in Luftreiniger, Tests und Impfung investiert zu haben. Es gibt Musikhochschulen die selbst viel Geld in die Präventive investiert haben- dieses Geld ist somit weggeschmissen gemeinsam mit der Zukunft manches Musik-Studierenden.....
    Ein Jahr! Ein Jahr hat man gehabt um in Prävention zu investieren. Ist nicht passiert.