Horizon Europe
Baldige Assoziierung des Vereinigten Königreichs möglich

Eine Einigung über das Handelsregime für Nordirland birgt Hoffnungen für die Wissenschaft. Mit ihrer Umsetzung könnte die Horizon-Assoziierung kommen.

28.02.2023

Forschende in Großbritannien atmen auf: Der britische Premierminister Rishi Sunak und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen haben sich am Montag über das Nordirland-Protokoll geeinigt. Diese "Windsor-Rahmenabkommen" genannte Abstimmung birgt auch Perspektiven für die Assoziierung des Vereinigten Königreichs mit dem europäischen Forschungsförderprogramm "Horizon Europe". Dies würde die seit Dezember 2020 währende unklare Zukunft der britischen Forscherinnen und Forscher in "Horizon Europe" beenden.

Von der Leyen kündigte laut verschiedenen Medienberichten an, dass die Arbeit an der Assoziierung Großbritanniens unmittelbar nach Umsetzung der am Montag erreichten Einigung beginnen könnte. Das Windsor-Abkommen sei eine gute Nachricht für alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der EU und im Vereinigten Königreich.

Reaktionen britischer Forschungsorganisationen

Adrian Smith, Präsident der britischen Royal Society, begrüßte von der Leyens Bereitschaft gegenüber "Science Business": Mit der Lösung der Blockade durch das Nordirland-Protokoll müsste der Zugang zu den europäischen Forschungsprogrammen nun schnell erreicht werden.

Die Geschäftsführerin von Universities UK, Vivienne Stern, drückte gegenüber "University World News" ebenfalls ihre Erleichterung über das Windsor-Abkommen aus. Sie betonte, dass die volle Assoziierung mit "Horizon Europe" das beste Ergebnis für das Vereinigte Königreich und Forschungspartner in Europa darstelle.

Am Mittwoch veröffentlichten Wissenschafts- und Forschungsorganisationen aus dem Vereinigten Königreich und Europa ein gemeinsames Statement, in dem sie auf eine schnellstmögliche Assoziierung Großbritanniens drängen. EU und UK müssten nun erneut in einen konstruktiven Dialog treten, um die Spitzenforschung zu stützen. "Wir sind uns einig, dass die volle Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in EU-Programmen, einschließlich Horizon Europe, Copernicus und Euratom, das beste Ergebnis für Forschung und Innovation bleibt", heißt es darin. Unterzeichnet haben das von der Russell Group forschungsintensiver britischer Universitäten initiierte Statement unter anderem der europäische Hochschulverbund Leru (League of European Research Universities) sowie die beiden britischen Hochschulverbünde University Alliance und Universities UK.

Was hinter dem Nordirland-Protokoll steckt

Zwischen dem "Windsor-Rahmenabkommen" und seiner Umsetzung steht laut Medienberichten nun eine Abstimmung im britischen Parlament, die laut Sunak zu "gegebener Zeit" erfolge, wenn sich alle Parteien mit den Inhalten auseinandergesetzt hätten. Der Vorsitzende der Labour-Opposition, Kier Starmer, habe seine Unterstützung der Einigung mit Brüssel bereits angekündigt. Allerdings seien in Sunaks eigener Partei Unterstützer des früheren Premierministers Boris Johnson vertreten, die jegliche Kompromisse mit der EU ablehnen könnten. Auch in Nordirland sei demnach Widerstand zu erwarten, das das ursprüngliche Nordirland-Protokoll ablehne.

Trotz der prinzipiellen Einigung über die Assoziierung Großbritanniens im Rahmen des Brexits 2020 wurde diese wegen des Streits zwischen der EU und Großbritannien über das Handelsregime für Nordirland bislang nicht umgesetzt. Das Nordirland-Protokoll sollte im Anschluss an den Brexit eine harte Warengrenze zwischen der Republik Irland und Nordirland vermeiden, aus Sorge, dass dies den Nordirlandkonflikt wieder aufleben lassen könnte. Nordirland sollte entsprechend weiterhin Zugang zum europäischen Binnenmarkt für Güter haben. Dies machte allerdings Zollkontrollen zwischen der britischen Insel und dem zum Königreich gehörenden Nordirland nötig.

Windsor-Abkommen enthält Zugeständnisse der EU

Das "Windsor-Rahmenabkommen" beinhaltet nun laut "Neue Zürcher Zeitung" einige Zugeständnisse Brüssels gegenüber dem Vereinigten Königreich, die Sunaks Vorgängern noch verwehrt worden seien. Die Zollgrenze zwischen Nordirland und der Republik Irland werde erstens aufgeweicht: Britische Exporte nach Irland sollen demnach weiter streng kontrolliert werden. Waren, die in Nordirland verblieben, könnten mit nur wenig Formalitäten von der britischen Insel eingeführt werden. Auch solle Nordirland künftig dem britischen statt dem europäischen Mehrwertsteuersystem folgen. In Nordirland werde zweitens weiterhin EU-Recht gelten, allerdings nur noch ein Minimum an Regeln, die nötig seien, um eine harte Grenze zur Republik Irland zu vermeiden. Drittens erhielt das nordirische Regionalparlament in Belfast die Möglichkeit, der Einführung neuer EU-Gesetze zu widersprechen, was ein Veto der Zentralregierung in London auslösen solle.

Auch auf Seiten der EU seien noch Zustimmungen zum Windsor-Abkommen nötig, bevor es rechtlich bindend wird. Darunter fallen auch Änderungen an der EU-Rechtsprechung – einige benötigten die Zustimmung der 27 EU-Mitgliedsstaaten, andere würden im Europäischen Parlament verhandelt, was laut Medienberichten einige Monate dauern könne.

Durch die bisher fehlende Assoziierung konnten Forschende an zentralen Teilen von "Horizon Europe" nicht teilnehmen, bekamen keine Fördergelder über das Programm und konnten keine Konsortien leiten. Die britische Regierung hatte den Forschenden im Königreich allerdings ermöglicht, an über "Horizon Europe" geförderten Forschungsgruppen teilzunehmen, indem sie ihre Finanzierung übernahm.

aktualisiert am 02.03.2023, zuerst veröffentlicht am 28.02.2023

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