Mit Kameraperspektive über die Schulter einer sitzenden Frau hinweg werden Visaunterlagen über einen Schreibtisch weitergereicht.
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Make it in Germany
Hürden für internationale Forschende und Studierende

Deutschland ist auf den Zustrom von Fachkräften aus dem Ausland angewiesen. Stoßen sie auf transparente und effiziente Visavergabeverfahren?

Von Christine Vallbracht 07.10.2025

Ist der Zugang für internationale Forschende und Studierende eventuell zu kompliziert und langwierig? Eine vergleichende Berechnung durchschnittlicher Wartezeiten einzelner Antragstellergruppen erfolgt ebenso wenig wie die Erfassung durchschnittlicher Bearbeitungszeiten für einen Visumantrag. Mit diesen Aussagen reagierte die Bundesregierung vor wenigen Tagen auf eine Kleine Anfrage der Grünen von Anfang September. 

Die Antwort der Bundesregierung liegt Forschung & Lehre vorab vor und wird diese Woche auf der Website des Deutschen Bundestages veröffentlicht. Demnach erfasst die Bundesregierung auch nicht die Zahl der Fälle, in denen Studien- oder Forschungsaufenthalte in Deutschland aufgrund fehlender oder verspäteter Visa nicht angetreten werden konnten. "Wer Probleme nicht misst, kann sie nicht lösen", kritisiert Ayse Asar, Sprecherin für Forschung, Technologie und Raumfahrt der Bundestagsfraktion Die Grünen, gegenüber Forschung & Lehre. Die Bundesregierung erfasse nicht, wie viele Talente an bürokratischen Hürden scheiterten. 

"Wer Probleme nicht misst, kann sie nicht lösen."
Ayse Asar, wissenschaftspolitische Sprecherin, Die Grünen

Inhaltliche Schwerpunkte setzte die Anfrage der Grünen bei den Verfahren rund um Visabeantragung und bei der Anerkennung von akademischen und beruflichen Abschlüssen im Rahmen der Einwanderung. "So behindern unnötige Wartezeiten, komplexe Zuständigkeitsfragen und komplizierte Anerkennungsverfahren internationale Kooperationen und Einreisen", heißt es in der Anfrage. Es bestünden weiterhin strukturelle Hürden, die die Mobilität von Studierenden, Forschenden und Fachkräften begrenzten. 

Erste erfolgreiche Schritte für leichteren Zugang getan 

Die Grünen beziehen sich in ihrer Anfrage auf Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft, wonach im Jahr 2028 bundesweit 768.000 Fachkräfte fehlen werden: "Angesichts dieser Entwicklung spielen internationale Studierende, Promovierende und Forschende eine zentrale Rolle als Zielgruppen für eine nachhaltige Zuwanderung", schlussfolgert die Partei. 

Als erste erfolgreiche Schritte in Richtung Flexibilisierung und Förderung dieser Zuwanderung sehen die Grünen das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung (FEG, 2023), die Erweiterung der Blauen Karte EU, die neue Chancenkarte (2024), Anerkennungspartnerschaften, die Einführung des Portals zur Anerkennung und Bewertung ausländischer Bildungsnachweise (ANABIN) in 2022 sowie den Visaaktionsplan des Auswärtigen Amts (AA). Seit Anfang des Jahres umfasst das sogenannte Auslandsportal laut AA alle 167 Visastellen weltweit und ermöglicht die digitale Antragstellung im nationalen Visumverfahren, um Wartezeiten zu verkürzen. 

Die Bundesregierung bewertet in ihrer Antwort unter anderem die Digitalisierung des nationalen Visumverfahrens durch das AA als "sehr positiv". So seien bereits über 63.000 Visumanträge online bearbeitet worden. Zudem sei die bis zum 1. Juni 2024 regelmäßig erforderliche Beteiligung der Ausländerbehörden in Visumverfahren von Studierenden abgeschafft worden, "wodurch das Verfahren deutlich beschleunigt worden ist". Die verbindliche Festlegung und Bekanntgabe eines Mindestbetrags von derzeit rund 11.000 Euro für die Lebensunterhaltssicherung von internationalen Studierenden in Deutschland verteidigt die Bundesregierung als notwendige Voraussetzung, "die vermeiden soll, dass der öffentlichen Hand infolge des Zuzugs drittstaatsangehöriger Ausländer Belastungen entstehen". 

Mit der Initiative Research in Germany werbe die Bundesregierung weltweit für den Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland, heißt es in der Antwort weiter. Die Bundesregierung erkenne die Bedeutung von Visaverfahren für die Durchführung internationaler Kooperationsprojekte deutscher Hochschulen und Forschungseinrichtungen an. Zur Vereinfachung der Visavergabe für Fachkräfte aus der Wissenschaft werde die im Koalitionsvertrag genannte Work-and-Stay-Agentur einen wichtigen Beitrag leisten. Deren Ausgestaltung und Aufgaben befindet sich der Bundesregierung zufolge jedoch noch in der Abstimmung. 

Die Bundesregierung habe "keinen Plan für eine zentrale Anlaufstelle", kritisiert Asar gegenüber Forschung & Lehre. Während andere Länder digitale One-Stop-Lösungen bieten, "versinkt Deutschland im Zuständigkeitschaos: Bund und 16 Bundesländer, über 1.500 Anerkennungsstellen, niemand hat den Überblick", so Asar weiter. Ungewissheit und monatelange Wartezeiten seien innovationsfeindlich. 

Zahlen und Fakten zu Visa für Forschung und Studium 

Im ersten Halbjahr 2025 wurden insgesamt rund 3.500 Visa für Forschungs- und Studienaufenthalte gemäß Aufenthaltsgesetz erteilt und 160 abgelehnt, wie das Auswärtige Amt auf Anfrage von Forschung & Lehre informiert. Im Vorjahr waren es insgesamt 8.500 bei 230 Ablehnungen. Im vergangenen Jahr waren die Top-3-Herkunftsländer China (3.000), Indien (1.300) und die Türkei (450). Im aktuellen ersten Halbjahr hat Iran (240) den dritten Platz nach China (970) und Indien (540) eingenommen. Das AA äußerte auf Anfrage der Zeitung Handelsblatt zudem, dass im ersten Halbjahr 2025 etwa 220 Deutschland-Visa an Forschende in den USA vergeben wurden. 

Die Blaue Karte EU ist ein besonderer Aufenthaltstitel für ausländische Akademikerinnen und Akademiker oder Personen mit vergleichbarem Qualifikationsniveau, die in Deutschland eine qualifizierte Beschäftigung aufnehmen wollen. Voraussetzung ist ein konkretes Jobangebot in Deutschland samt einem Jahresbruttogehalt von derzeit mindestens 48.000 Euro. Für Akademikerinnen und Akademiker, deren Hochschulabschluss weniger als zwei Jahre zurückliegt, sowie für sogenannte Mangelberufe gilt ein geringeres verpflichtendes Entgelt. Dazu gehören beispielsweise akademische Fachkräfte im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) oder in der Architektur, Raum- und Verkehrsplanung sowie medizinisches Personal und Lehrkräfte. 

"Die Erteilung oder Ablehnung eines Visumantrags ist sehr individuell und von verschiedenen Faktoren abhängig."
Sprecherin des Auswärtigen Amtes

Im vergangenen Jahr erhielten laut AA etwa 14.500 Personen eine Blaue Karte EU als Aufenthaltstitel für Deutschland. 600 Anträge wurden abgelehnt. Im ersten Halbjahr 2025 konnten 5.200 positive Bescheide ins Ausland gehen, während 550 Personen eine Ablehnung erhielten. "2024 wurden rund 900 Blaue Karten EU für Mangelberufe erteilt, im ersten Halbjahr 2025 waren es rund 350", führt eine AA-Sprecherin gegenüber Forschung & Lehre näher aus. "Die Erteilung oder Ablehnung eines Visumantrags ist sehr individuell und von verschiedenen Faktoren abhängig, wie zum Beispiel Vollständigkeit des Antrags, Beteiligung einer inländischen Behörde, Beantragung in der richtigen Kategorie.“ 

Das größte Interesse an diesem EU-Aufenthaltstitel für Forschende und Studierende zeigten laut AA im letzten Jahr Personen aus Indien (3.300), gefolgt von der Türkei (2.400) und Russland (1.100). Im ersten Halbjahr 2025 hat nach Indien (1.000) und der Türkei (800) China den dritten Platz eingenommen (400). Erteilungs- beziehungsweise Ablehnungsquoten, die sich auf Staatsangehörigkeit und Herkunftsland beziehen, werden laut Sprecherin nicht erfasst. 

Mehrheit der Professorinnen und Professoren aus Österreich 

Die Bundesrepublik ist nach den USA das zweitwichtigste Gastland für internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Dies geht aus der Ende 2024 veröffentlichten Publikation "Wissenschaft weltoffen" des Deutsche Akademischen Austauschdienstes hervor. Über 75.000 internationale Forscherinnen und Forscher arbeiten demnach in Deutschland. Zudem waren im Wintersemester 2023/24 rund 380.000 internationale Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrieben – ein neuer Höchststand. Internationale Studierende machen somit knapp 13 Prozent der gesamten Studierendenschaft aus. 

Knapp 80 Prozent der internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten laut DAAD in Deutschland an den Hochschulen – darunter etwa 4.000 Professorinnen und Professoren. Rund 20 Prozent sind an außeruniversitären Forschungseinrichtungen angestellt. Die meisten internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kamen dabei aus Indien (6.700), China (5.900) und Italien (5.800). Bei den internationalen Professorinnen und Professoren ist Österreich mit großem Abstand das wichtigste Herkunftsland, gefolgt von Italien, der Schweiz, den USA und den Niederlanden.