Wissenschaftszeitvertragsgesetz
Keine konkreten Ergebnisse bei BMBF-Diskussionsrunde
Transparente Karrierewege, ein flexibles Wissenschaftssystem und der Erhalt der Attraktivität des Wissenschaftsstandorts Deutschland – das waren die Ziele, auf die sich alle einigen konnten, die am Donnerstag an der Diskussionsrunde des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) teilnahmen. Nach Kritik an den Inhalten seines Reformvorschlags für das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) von vor fast zwei Wochen hatte das Ministerium Stakeholder der Wissenschaft zum Austausch nach Berlin geladen. Dabei seien viele Spannungsfelder deutlich geworden, wie der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Jens Brandenburg abschließend bemerkte. Das BMBF wolle nach dem Gespräch die Reformpläne weiter überarbeiten. Konkrete Ergebnisse hatte die Diskussion nicht.
Gemeinsamer Kritikpunkt der 13 Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner war – wie bereits im Vorfeld der Veranstaltung öffentlich diskutiert – die geplante Kürzung der Höchstbefristungsdauer von Postdoc-Stellen auf drei Jahre. Wie die Postdoc-Phase allerdings stattdessen ausgestaltet sein und ob sie als Qualifizierungs- oder Orientierungsphase betrachtet werden sollte, sahen die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner unterschiedlich. Vor allem die Fragen, ob und wann es eine dauerhafte Anschlusszusage für die Beschäftigten geben sollte und welche Konsequenzen die vermehrte Schaffung von unbefristeten Stellen in der Wissenschaft haben würde, wurden kontrovers und damit ohne Ergebnis diskutiert.
Wie sollte die Postdoc-Phase gestaltet sein?
Die Geschäftsführerin des Deutschen Hochschulverbands (DHV), Dr. Yvonne Dorf, etwa hielt es aus Perspektive des DHV für vertretbar, dass eine frühe Postdoc-Phase von drei Jahren als eine Bewährungsphase in eine verbindliche individuelle Entscheidung münden sollte, ob und in welcher Form eine dauerhafte Karriere in der Wissenschaft fortgesetzt werden kann.
Professor Robert Kretschmer von der Jungen Akademie betonte die Wichtigkeit der Unterscheidung der frühen (R2) und späteren (R3) Postdoc-Phase. Der Jungen Akademie zufolge sollte für die R2-Phase keine allgemeine Dauer festgelegt werden, sondern es sollten je nach Disziplin durch die Fachkommissionen Regelzeiten bestimmt werden, nach denen Kandidatinnen und Kandidaten in transparenten und fairen Verfahren für die R3-Phase ausgewählt würden. Die R3-Phase sollte dann unterschiedliche Karrierewege ermöglichen und nicht ausschließlich in einer Professur münden.
Gegen die Auftrennung der Postdoc-Phase brachte Dr. Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den Einwand vor, dass Fragmentierungen dieser Art weitere Ausschlussprozesse in Gang setzten, da an jedem Übergang benachteiligte Personengruppen rausfielen. Für die GEW sollte nach einem oder zwei Jahren als Postdoc jede weitere Befristung mit der Perspektive auf eine Entfristung verbunden sein.
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), vertreten von Vizepräsidentin Professorin Anja Steinbeck, der Sprecherin der Universitäten in der HRK, unterbreitete den Vorschlag einer einheitlichen Qualifizierungszeit für alle Fächer von zehn Jahren nach dem Master, die für die Promotion und die Postdoc-Phase verwendet und individuell aufgeteilt werden kann.
Reform des WissZeitVG reicht nicht aus
Zahlreiche Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner betonten im Verlauf der Veranstaltung, dass die Reform des WissZeitVG nicht alleine stehen dürfe. Sie forderten eine enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern, um das Wissenschaftssystem in Deutschland allgemein zu reformieren und nicht nur das Gesetz. Auch an anderen Stellschrauben müsse gedreht werden: Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Professor Wolfgang Wick, etwa betonte das problematische Verhältnisse von Drittmittel- und Grundfinanzierung, zu der der Wissenschaftsrat im Januar ein Positionspapier veröffentlicht hat.
Brandenburg verwies darauf, dass die Reform des Gesetzes nicht das einzige Bemühen des BMBF sei, das Wissenschaftssystem zu transformieren und die Karrieren junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler planbarer zu machen. So habe die Regierung sich Ende 2022 auf die Dynamisierung des Zukunftsvertrags geeinigt, was zu einer Schaffung von 20.000 Dauerstellen an den Hochschulen führen soll, auch im Mittelbau.
Postdoktoranden-Netzwerke nicht unter Teilnehmenden
Neben den genannten Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren ebenfalls beteiligt die Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professorin Katja Becker, der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Professor Martin Stratmann, der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, Professor Otmar Wiestler, sowie Juniorprofessorin Amrei Bahr von der Initiative "#ichbinHanna". Eine internationale Perspektive trug Professor Rüdiger Bachmann von der University of Notre Dame bei. Außerdem waren Vertreterinnen und Vertreter des Netzwerks für Gute Arbeit in der Wissenschaft, von "#ProfsfürHanna" und der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen eingeladen.
Nicht vertreten waren die deutschen Postdoktoranden-Netzwerke, die sich am Mittwoch in einer gemeinsamen Stellungnahme zu den Plänen des BMBF zur Reform des WissZeitVG äußerten und ihren Unmut ausdrückten, dass "keines der großen deutschen Postdoktorandennetzwerke vom BMBF zu diesem Thema konsultiert wurde, obwohl uns dieses Gesetz direkt betreffen wird". Die Debatte würde vordergründig auf Deutsch geführt und berücksichtige nicht die zahlreichen internationalen Postdocs an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die Perspektive der Postdoktorandinnen und Postdoktoranden der Max-Planck-Gesellschaft wurde durch Stratmann zumindest stellvertretend immer wieder in die Diskussion eingebracht, auch mit dem Verweis auf ihre mehrheitlich internationalen Hintergründe.
Das WissZeitVG ist seit über 20 Jahren in Kraft. Die letzte Novelle wurde im Dezember 2015 beschlossen, damals bereits mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu verbessern und unsachgemäße Kurzbefristungen zu unterbinden. Bis Mai 2022 wurde es über zwei Jahre lang im Auftrag des BMBF evaluiert; dabei stellte sich heraus, dass die Vertragslaufzeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses seit der Novelle nur leicht gestiegen sind. Schon Ende November 2021 vereinbarte die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag die Reform des Gesetzes. Das BMBF hat im Sommer 2022 Gespräche mit den verschiedenen Akteuren der Wissenschaft begonnen, Wissenschaftsorganisationen und weitere Stakeholder haben eigene Vorschläge zu der Gesetzesreform gemacht. Der am 17. März vom BMBF veröffentliche Reformvorschlag ist das erste Ergebnis dieser monatelangen Gespräche und Vorarbeiten.
cpy