

US-Wahlen
Knappe, folgenreiche Wahl für Forschende
Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt, doch nach derzeitigen Hochrechnungen wird Donald Trump der neue US-Präsident. Welchen Einfluss der finale Ausgang der Wahl auf die US-amerikanische Bildung und Wissenschaft und deren internationale Kooperationen haben wird, bewerten Forschende sehr unterschiedlich. Mehr als 80 Nobelpreis-Prämierte hielten es kürzlich für angemessen, sich im Namen der Wissenschaft Amerikas in einem offenen Brief für die Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris auszusprechen. Weitere 23 Trägerinnen und Träger des außerordentlichen Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften warnten öffentlich vor den Folgen einer Donald-Trump-Regierung für die Wirtschaft aus wissenschaftlicher Sicht.
Gleichzeitig gibt es Stimmen aus der Wissenschaft, die den tatsächlichen Einfluss des höchsten Amts der USA auf Bildung und Wissenschaft als weniger gravierend einschätzen. So zum Beispiel Professor Michael Dobbins von der Universität Konstanz, der in seinem Gastbeitrag für die aktuelle Ausgabe von "Forschung & Lehre" argumentiert, dass am ehesten indirekte Maßnahmen zu erwarten seien: "Auch wenn es äußerst unwahrscheinlich ist, dass der nächste Präsident erheblich an den Grundpfeilern des Systems rütteln wird, wird er oder sie zweifelsohne 'durch die Hintertür' – das heißt durch finanzielle Förderprogramme, die strategische Besetzung von Richterämtern und hohen Posten im Department of Education sowie weitere symbolische Proklamationen und Maßnahmen – versuchen, langfristig wirksame bildungspolitische Akzente zu setzen."
Mögliche Einflussnahmen auf (internationale) Wissenschaft
Der Wirtschafts-Nobelpreisträger Professor Joseph Stiglitz sagte gegenüber dem "Tagesspiegel" bezüglich einer möglichen Trump-Präsidentschaft: "Wie in seiner letzten Amtszeit würde er wieder versuchen, die Mittel für Forschung und Entwicklung extrem zu kürzen. Das wäre für die USA fatal." Der Erfolg der US-amerikanischen Wirtschaft würde vor allem auf Innovationen und Kompetenzen gründen, die genau diese wissenschaftlich forschenden Einrichtungen hervorgebracht hätten, erläutert Stiglitz im Interview. Gemäß des vom "Tagesspiegel" befragten US-amerikanischen Politikwissenschaftlers Professor Francis Fukuyama geht es um nichts Geringeres als das Ende der Demokratie: "Trump geht es erklärtermaßen um die Zerstörung der Selbstkorrektur-Mechanismen, der Checks and Balances also, die die amerikanische Demokratie groß gemacht haben und die auch die Basis des ökonomischen Erfolgs waren."
Aus dem offenen Brief der über 80 Nobelpreis-Ausgezeichneten geht hervor, dass sie eine angemessene Unterstützung von Wissenschaft und Bildung nur Harris zugeschreiben: "Die enormen Verbesserungen des Lebensstandards und der Lebenserwartung in den letzten zwei Jahrhunderten sind größtenteils das Ergebnis wissenschaftlicher und technologischer Fortschritte. Kamala Harris ist sich dessen bewusst und weiß, dass die Aufrechterhaltung der amerikanischen Führungsrolle in diesen Bereichen finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung, unabhängige Universitäten und internationale Zusammenarbeit erfordert." Sollte Donald Trump die Präsidentschaftswahl gewinnen, würde er laut des offenen Briefs der Nobelpreis-Gruppe die zukünftige Führungsrolle der USA an diesen und anderen Fronten untergraben, jede Verbesserung des Lebensstandards gefährden, den Fortschritt von Wissenschaft und Technologie verlangsamen und die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den Klimawandel behindern.
Die Trump-Regierung hat "regelmäßig wissenschaftliche Forschungsergebnisse unterdrückt, heruntergespielt oder einfach ignoriert". Das geht aus einer Analyse von Auswirkungen der Trump-Amtszeit auf die Wissenschaft in den Bereichen "Gesundheit" und "Klima" hervor, die von der Professorin Romany M. Webb und Dr. Lauren Kurtz 2022 veröffentlicht wurde. Basis dieser Behauptung ist der "Silencing Science Tracker", einer Online-Datenbank, die wissenschaftsfeindliche Aktionen von Bundes-, Landes- und Kommunalregierungen aufzeichne wie staatliche Zensur, Haushaltskürzungen oder sonstige Forschungshindernisse.
Ein aktueller Bericht des "Tagesspiegels" geht davon aus, dass Harris die unabhängige Forschung voraussichtlich nicht in Frage stellen und ihre Finanzierung nicht angreifen werde, während Trump diverse Forschungseinrichtungen wie die Umweltschutzbehörde EPA oder auch die NASA in seinem Sinne umgestalten würde. "Auch den meist als eher liberal geltenden Universitäten hat Trump den Kampf angesagt", schreibt die Zeitung. So solle beispielsweise das Unterrichten von Themen wie der Bürgerrechtsbewegung und der Geschichte der Sklaverei oder zu Gender-Fragen eingeschränkt werden.
Die Politikwissenschaftlerin Professorin Susanne Pickel und der Religionssoziologe Professor Gert Pickel gehen in ihrem aktuellen Magazinbeitrag für "Forschung & Lehre" darüber hinaus davon aus, dass die Universitäten eine Art Stellvertretungs-Schauplatz für ideologische Wettkämpfe darstellen: "Gerade an Universitäten finden die Auseinandersetzungen und Diskurse über Rassismus, Sexismus, Antifeminismus und Transfeindlichkeit statt. So ist es dann weniger die Bildungspolitik selbst als das, was Universitäten repräsentieren, was die unterschiedlichen Positionen in der Politik von Kamala Harris und Donald Trump ausmacht."
Der US-China-Experte und ehemalige Bundeskanzler-Stipendiat Michael Laha sieht im Interview mit der Alexander von Humboldt-Stiftung Einschränkungen bei internationalen Kooperationen sowohl bei Harris, als auch bei Trump: "Egal, wer die Wahlen gewinnt, die Auseinandersetzung zwischen den USA und China wird sich ausweiten und noch mehr Technologiefelder mit sich reißen." Über die letzten Jahre hätte sich gezeigt, wie sich in den Bereichen Halbleiter, Künstliche Intelligenz, Quantentechnologien aber auch E-Mobilität Fronten entwickelt hätten. Die Biotechnologie werde noch hinzukommen. Für den Fall eines Siegs der republikanischen Partei bei der Präsidentschaft sieht Laha auch potenzielle Vorteile: "In einer bizarren Weise könnte eine zweite Trump-Administration für Europa ein Gewinn sein. Denn dann wird Europa immer attraktiver für globale Talente, auch chinesische Forschende, die mittlerweile so gut sind, dass sie sich eigentlich aussuchen können, wo sie arbeiten."
Mögliche Einflussnahmen auf (internationale) Studierende
Dem Gastbeitrag von Susanne Pickel und Gert Pickel zufolge habe Trump während des Wahlkampfs mehrfach angekündigt, "das Department of Education schließen zu wollen und damit Bildung wieder komplett in die Hoheit der Bundesstaaten zu geben". Diese Schließung würde nach Einschätzung des Autorenteams insbesondere die Abschaffung von Programmen zur Unterstützung von einkommensschwachen Familien und von Menschen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen bedeuten. Und während Kamala Harris den Schuldenerlass von Studiengebühren befürworte, werde dieser von der republikanischen Partei vehement abgelehnt.
Internationalen Studierenden ist in der bisherigen Amtszeit Trumps der Besuch einer amerikanischen Universität durch striktere Visa-Vergaben erheblich erschwert worden, so dass die Anzahl der Bewerbungen bereits im ersten Regierungsjahr eingebrochen sind. John Aubrey Douglass betont in seiner Analyse für die "University World News", dass erneute Visabeschränkungen nicht nur die Diversifizierung der Hochschuleinrichtungen unterbinden würden, sondern auch ihre Einnahmen verringern würden.
Politischer Ausblick für die (internationale) Wissenschaft
Neben der Präsidentschaftswahl sind aktuell auch ein Drittel des US-Senats sowie alle 435 Mitglieder des US-Kongresses neu gewählt worden. Die Chancen auf eine republikanische Mehrheit sind in beiden Gremien extrem hoch. Etliche, teils gescheiterte Gesetzesvorhaben unterstreichen die Agenda der republikanischen Partei für die Hochschulbildung und ihre Pläne, mehr Kontrolle über die Universitäten auszuüben, wenn sie die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses und im Weißen Haus erlangen. Dies entspricht auch der Überzeugung der Mehrheit der republikanischen Wählerschaft: Laut des Berichts von Douglass für "University World News" seien fast zwei Drittel der republikanischen Wähler der Meinung, dass die Universitäten einen negativen Einfluss auf das Land hätten.
Bisher hatte die demokratische Partei eine knappe Mehrheit im Senat und so in der Vergangenheit einige vom Kongress eingebrachte Gesetze verhindert. Beispielsweise den im September von der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus verabschiedeten "End Woke Higher Education Act", durch welchen unter anderem Bundesmittel als finanzielle Unterstützung zurückgehalten werden sollten, wenn eine öffentlich finanzierte Universität oder ein College als anstößig angesehene Kurse anbiete. Ein weiterer Passus im Gesetz sollte hochschulinterne Akkreditierungs-Richtlinien in Bezug auf Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion unterbinden. Die Verhinderung eines ähnlichen Gesetzes wird nicht mehr ohne Weiteres möglich sein, da der Senat nach aktuellen Medienberichten nun ebenfalls mehrheitlich republikanisch besetzt ist.