Gruppenbild von Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken bei der Pressekonferenz von CDU, CSU und SPD zur Vorstellung des gemeinsamen Koalitionsvertrages
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Koalitionsvertrag
Koalition verspricht Fokus auf Wissenschaft und Innovation

Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Es soll mehr Raum für Innovation entstehen.

10.04.2025

Die Koalitionsparteien Union und SPD haben sich am Mittwoch auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag geeinigt. Die Pläne in der Wissenschaft klingen entschlossen: Die Koalitionsparteien wiederholen den Beschluss der Verhandlungsgruppe, "massiv" investieren und Deutschland durch einen höheren Stellenwert von Bildung, Forschung und Innovation "fit" für die Zukunft machen zu wollen.  

Wie viel davon umgesetzt wird, zeigt sich in den kommenden Wochen und Monaten. Auch stehen alle "Maßnahmen des Koalitionsvertrags" unter "Finanzierungsvorbehalt", wie dieser vermerkt. Schon jetzt steht fest: Das bisherige Bundesministerium für Bildung und Forschung wird nach etlichen Jahren künftig Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt heißen und an die CSU gehen. Das Ressort Bildung wird in der neuen Legislaturperiode im Familienministerium angesiedelt sein.

Der Deutsche Hochschulverband (DHV) begrüßte den Inhalt des Koalitionsvertrags prinzipiell: "Die grundsätzliche Bereitschaft, trotz knapper Kassen in der kommenden Legislaturperiode weiterhin in die Zukunft investieren zu wollen, ist in dem vorgelegten Papier erkennbar", erklärte DHV-Präsident Professor Lambert T. Koch am Donnerstag.

Zur neuen Ausgestaltung des Ministeriums zeigte er sich gespalten: "So richtig es ist, Forschung und Innovationen stärker zusammenzudenken und zu verzahnen, so wenig kann die angedachte ministerielle Aufspaltung von Bildung und Wissenschaft aus Sicht der Hochschulen überzeugen", sagt er. "Forschung und Lehre bauen aufeinander auf. Sie sind gerade für Universitäten konstitutiv und damit zwei Seiten einer Medaille." Es komme jetzt auf die enge Abstimmung zwischen den Ministerien an, um Reibungsverluste zu vermeiden.

3,5 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung

Bis 2030 wollen Union und SPD mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung investieren. Das ist kein neues Ziel: Auch der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition hatte dies schon als bis zum Jahr 2025 zu realisierende Absicht enthalten – wenn auch nicht erreicht. Die Programmpauschale der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) soll laut dem neuen Papier auf 30 Prozent angehoben werden. In der EU wollen sich die Koalitionsparteien für ein stärkeres eigenständiges EU-Forschungsrahmenprogramm einsetzen.

Das bereits angekündigte 1000-Köpfe-Programm zur Gewinnung von Forscherinnen und Forschern aus dem Ausland soll kommen. Hochschulen und Klinika sollen durch eine zeitlich befristete Schnellbauinitiative saniert, modernisiert und digitalisiert, sowie Karrierewege besser und verlässlicher werden.

Initiativen, die DHV-Präsident Koch begrüßte: "Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brauchen dringend verlässlichere und attraktivere Karrierewege", sagte er mit Blick auf die geplante Stärkung von Tenure Track und Professorinnenprogramm. Er stehe bereit, um mit nach tragfähigen Lösungen für die "längst überfällige Novellierung der relevanten Gesetzeslage" zu suchen.

Für entscheidend hält er die personelle Besetzung der Ressorts. "An der Spitze sollten gut vernetzte politische Persönlichkeiten stehen, denen es dank Sachkenntnis und Kommunikationsstärke gelingt, das durch die nervenaufreibende Fördermittelaffäre belastete Vertrauen zwischen Politik und Scientific Community wiederherzustellen", bilanzierte Koch.  

Die personelle Besetzung der Ressorts erfolgt durch die Parteien. Für das neue Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt ist laut Medienberichten die CSU-Politikerin Dorothee Bär im Gespräch. Vor einer Entscheidung müssen die Parteien dem Vertrag zustimmen. Die CSU hat bereits am Donnerstag über den Koalitionsvertrag beraten und ihn einstimmig gebilligt. Der Beschluss sei in einer Schalte von Parteivorstand, CSU-Bundes- und Landtagsabgeordneten gefallen, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa) unter Bezug auf Teilnehmerkreise.. Die CDU stimmt laut Medienberichten am 28. April darüber ab. Bei der SPD läuft die Entscheidung über ein Mitgliedervotum, das für die Zeit vom 15. bis 29. April vorgesehen ist.

Lob von Universitäten und Wissenschaftsorganisationen

Der Zusammenschluss forschungsstarker deutscher Universitäten, die German U15, begrüßt den Koalitionsvertrag laut Mitteilung vom Donnerstag. Viele Forderungen der forschungsstarken Universitäten seien aufgegriffen worden und der Vertrag böte große Chancen für den Wissenschaftsstandort Deutschland. "Besonders erfreulich ist, dass mit der gezielten Stärkung internationaler Wissenschaftskooperationen, der Bau- und Sanierungsoffensive sowie den geplanten Investitionen in digitale Infrastruktur zentrale Weichen für einen zukunftsfesten Wissenschaftsstandort gestellt werden", sagte Professor Michael Hoch, Vorstandsvorsitzender der German U15 und Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Zu den Plänen für die Exzellenzstrategie heißt es in der Mitteilung, dass die German U15 deren Weiterentwicklung begrüße, die Strategie an sich aber unbedingt fortgesetzt werden müsse. Bei der Innovationsförderung müssten die geplanten Maßnahmen "zwingend auch forschungsstarke Universitäten adressieren". Entscheidend am Koalitionsvertrag sei, so Hoch, "dass die Vorhaben mit auskömmlicher Finanzierung, klaren Zuständigkeiten und zügiger Umsetzung untersetzt werden". 

Professor Walter Rosenthal, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), hat den Koalitionsvertrag ebenfalls kommentiert. Die HRK begrüße, dass Hochschulen "in all ihren Leistungsdimensionen in Lehre, Forschung und Transfer und in ihrem europäischen und internationalen Wirken anerkannt und mit vielen zukunftsweisenden Vorhaben abgebildet" sind.

Den Neuzuschnitt des Ministeriums kommentierte die HRK, insofern, dass sie davon ausgehe, dass "auch die Hochschulbildung in der Verantwortung des Ministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt liegen" werde. "Die angekündigte Stärkung und Beschleunigung des Transfers von der Wissenschaft in Wirtschaft und Gesellschaft" sei wichtig, und werde "durch eine Unterstützung aller Hochschulen bei Ausgründungen konkret", heißt es in der Mitteilung. 

Auch die Allianz der Wissenschaftsorganisationen hat sich positiv zum Koalitionsvertrag geäußert. In einer Mitteilung vom 14. April begrüßt sie besonders den Bürokratieabbau, die Bündelung von Forschungsförderungen sowie die Absicht, in die Forschungsinfrastruktur zu investieren. Es komme nun darauf an, die im Koalitionsvertrag aufgeführten Pläne "mit wirkungsvollen, hinreichend ausfinanzierten und ressortübergreifend abgestimmten Maßnahmen – im vertrauensvollen Dialog zwischen Wissenschaft und Politik – zeitnah umzusetzen". Zur Allianz der Wissenschaftsorganisationen gehören die Alexander von Humboldt-Stiftung, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Hochschulrektorenkonferenz, die Leibniz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Wissenschaftsrat. 

Weitere geplante Vorhaben im Überblick:

  • Die Koalitionsparteien wollen das Wissenschaftszeitvertragsgesetz bis Mitte 2026 novellieren und eine Mittelbaustrategie aufsetzen. Sie wollen Anreize für Departmentstrukturen geben und neue Stellenprofile schaffen.
  • Der "Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken" soll über 2028 hinaus verlängert und die Stiftung "Innovation in der Hochschullehre" weiterentwickelt werden.
  • Die Exzellenzstrategie soll grundlegend evaluiert werden, dann solle über eine mögliche Förderperiode ab 2030 entschieden werden. Eine Studie war zuletzt zu dem Ergebnis gekommen, dass die Strategie ihre beabsichtigten Ziele nicht erfüllt und vor allem große Fächer mit vielen Professuren und einer hohen Drittmittelfinanzierung profitiert hatten.
  • Im Rahmen der Forschungs- und Innovationsförderung setzen die Koalitionsparteien insbesondere auf die als Schlüsseltechnologien identifizierten Forschungsbereiche Künstliche Intelligenz, Quantentechnologie, Mikroelektronik, Biotechnologie, Fusion und klimaneutrale Energieerzeugung sowie klimaneutrale Mobilität. Diese sollen durch eine neue High-Tech-Agenda "unter Einbeziehung von universitären und außeruniversitären Akteuren, Industrie und Start-ups" weiter vorangebracht werden. In definierten Missionen sollen "technologieoffene Innovationsökosysteme und Forschungsfelder" organisiert werden.  
  • Gesundheitsforschung, Meeres-, Klima- und Nachhaltigkeitsforschung, die Geistes- und Sozialwissenschaften, Sicherheits- und Verteidigungsforschung sowie Dual Use und Luft- und Raumfahrt werden im Koalitionsvertrag als strategische Forschungsfelder bezeichnet.
  • Die Visa-Vergabe für Fachkräfte aus der Wissenschaft und für Studierende soll vereinfacht und Erasmus+ verlängert werden. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) und die Max Werber Stiftung sollen mehr Geld bekommen. Zuletzt hatten Mittelkürzungen viele Wissenschaftsorganisationen hart getroffen.
  • Ein Knackpunkt zur Erreichung aller angedachten Ziele seien reibungslose Abläufe, so der Koalitionsvertrag. Dafür wollen die Koalitionsparteien die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern weiter verbessern und bürokratische Hürden überwinden. Prozesse sollen von Grund auf neu gedacht werden, um besser voranzukommen.
  • Zuletzt bezieht sich der Koalitionsvertrag auf den Aspekt der Resilienz des Wissenschaftssystems. Die Forschungssicherheit soll gestärkt, die Forschung zu Desinformationen ausgebaut sowie ein Kompetenznetzwerk für unabhängige Chinawissenschaften gegründet werden. Details lässt der Koalitionsvertrag auch in diesem Punkt vorerst offen.

aktualisiert am 15.04.2025 um 13.13 Uhr, zuerst veröffentlicht um 13.58 Uhr

kas, cpy