Ukraine-Krieg
Krieg führt an deutschen Hochschulen zu Spannungen

Hochschulen sind keine politikfreien Räume. Der Krieg in der Ukraine schlägt sich auch in den Seminarräumen in Deutschland nieder.

10.04.2022

Wegen des Krieges in der Ukraine gibt es an den Hochschulen im Südwesten Spannungen zwischen russischen und ukrainischen Studierenden. Peter Abelmann, Vorsitzender der Studierendenschaft der Universität Heidelberg, bezeichnet die Stimmung zwischen den 85 Studierenden aus der Ukraine und den mehr als 100 aus Russland an seiner Uni als gereizt. Die Ukrainer seien sehr aufgewühlt und ließen ihre russischen Kommilitonen dies auch merken. "Es kommt zu verbaler Aggression und Beleidigungen."

Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben russische Studierende von verbalen Angriffen berichtet. Die Einrichtung fürchtet um das Wohlergehen der 48 ukrainischen Studierenden. Aus Sorge um ihre Angehörigen in der Heimat könnten sie sich oft kaum auf ihr Studium konzentrieren, sagt KIT-Sprecherin Margarete Lehné.

Auch andere Hochschulen wie die Universität Mannheim verzeichnen Spannungen. "Aber wir versuchen, an der Universität ein Klima zu schaffen, das diese Spannungen nicht verstärkt", sagt Sprecherin Katja Bauer. "Wir betonen zum Beispiel in unserer Kommunikation, dass beide Gruppen an unserer Universität weiterhin willkommen sind und man niemanden in 'Sippenhaft' nehmen sollte." Es würden beide Gruppen – 40 Russen und 19 Ukrainer – aufgerufen, im Austausch zu bleiben.

Russische und ukrainische Studierende in Baden-Württemberg

Etwa 750 Studierende aus der Russischen Föderation sowie 460 junge Ukrainer sind im Südwesten eingeschrieben. Und das Interesse von geflüchteten Ukrainern, ein Studium etwa in Freiburg aufzunehmen, ist groß. Bislang wurden in der Stadt im Breisgau 300 Anfragen gezählt, in Heidelberg sogar mehr als 750. In Mannheim gibt es Sprachkurse zur Studienvorbereitung. Da bereits alle Plätze belegt sind, hat die Hochschule zusätzliche Mittel beim Deutschen Akademischen Austauschdienst beantragt.

Für viele Studierende aus dem kriegsgebeutelten Land ist auch ihre finanzielle Situation ein Problem. Deshalb hat die Baden-Württemberg Stiftung ein Soforthilfeprogramm ins Leben gerufen, aus dem die Universitäten Stipendien bereitstellen können. In Freiburg gibt einen eigens eingerichteten Nothilfe-Fonds Ukraine sowie einen allgemeinen Notfallfonds. Zudem bietet das Studierendenwerk Freiburg eine Finanzberatung an.

Das Land kommt den bereits immatrikulierten und den geflüchteten ukrainischen jungen Leuten mit Studienwunsch entgegen, indem es sie von den sonst für ausländische Studierende verlangten Gebühren von 1.500 Euro im Semester befreit. Unklar ist noch, ob auch Studierende aus Drittstaaten, die in der Ukraine studiert haben, hier Plätze und dasselbe Privileg erhalten. Nach Auskunft der Landesstudierendenschaft handelt es sich vorwiegend um indische Studierende, die gleichgestellt werden müssten. Doktoranden, die eine gesetzliche Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz genießen, können jetzt über die Hochschulen Mittel aus dem Überbrückungsfonds erhalten.

Offener Brief an der Uni Heidelberg

Studierendenvertreter Abelmann plädiert angesichts der kriegsbedingten Konflikte hierzulande dafür, eher das Einende als das Trennende zu suchen. Die meisten der mehr als 100 Russen an der Uni in Heidelberg seien gegen Putin und erklärten dies auch im Internet – wohlwissend, was das für ihre Zukunft in Russland bedeuten könnte. Risiken gehen auch jene Russen an der Uni Heidelberg ein, die sich in einem offenen Brief mit ihren ukrainischen Kommilitonen solidarisieren: "Uns ist klar, dass das ukrainische Volk nicht nur für seine eigene Freiheit, sondern auch für die Freiheit der Russen kämpft. Wir sind gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine."

Abelmann resümiert: "Beide Gruppen verbindet die Angst, für längere Zeit nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren zu können, und die Sehnsucht nach Frieden."

dpa/cpy