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Das Verbot der Genderstudies an ungarischen Hochschulen durch die Regierung Orban hat Protest hervorgerufen. Müsst dieser nicht vehementer sein?

Von Felix Grigat 23.10.2018

Ungarn ist weit, Gender-Studies sind nicht mein Fach, ausserdem umstritten, und die Freiheit der Wissenschaft an unserer Hochschule nicht gefährdet. Leicht könnte man also das, was seit Monaten in Ungarn geschieht, beiseite schieben und zum Tagesgeschäft übergehen. Und bleibt die Rede von der “bedrohten Wissenschaftsfreiheit” nicht sehr abstrakt, solange das eigenes Gärtchen in der Sonne liegt?

Ein dezidiertes sed contra: Ist eine Disziplin durch politische Einflussnahme bedroht, sind es alle. Unter Stalin wurde die Quantentheorie abgelehnt, weil sie der materialistischen Staatsideologie widersprach. Gleiches galt für die Geschichtswissenschaft und die Genetik. Der derzeitigen rechts-konservativen ungarischen Regierung passen die Gender-Studies nicht ins Weltbild. Dabei bedient sie sich auch noch eines Vorwandes: Geschlechterforschung lohne sich wirtschaftlich nicht und die Absolventen würden keine Jobs finden. Welche Disziplin aber wird es morgen sein? Wäre der Protest auch in Deutschland größer, wenn Orban Physik oder Politikwissenschaft verboten hätte?

Es geht nicht um ein einzelnes Fach. Es geht um das, was jedem Wissenschaftler am Herzen liegt: die Freiheit von Forschung und Lehre. Über alle verfügbaren Kanäle von Wissenschaft, Politik und Diplomatie muss man hier Einspruch erheben. Gut, dass es die deutschen Soziologen getan haben. Wunderbar, dass die Junge Akademie ihr jährliches Herbstplenum Ende Oktober an der CEU in Budapest abhalten will. Mehr davon.