Gebäude der Universität Toronto
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Kanada
Mehr Geld und Freiheiten für die Wissenschaft

Der kanadische Premier Justin Trudeau setzt die Ausgaben für Forschung auf ein Rekordhoch – als Zeichen in Richtung USA?

Von Katrin Schmermund 26.03.2018

Knapp vier Milliarden Kanadische Dollar zusätzlich (etwa 2,5 Milliarden Euro) will der kanadische Premier Justin Trudeau in den kommenden fünf Jahren in Wissenschaft und Forschung investieren. Davon sollen rund 925 Millionen (634 Millionen Euro) in die drei großen Förderorganisationen des Landes fließen: jeweils rund 355 Millionen in die "Canadian Institutes of Health Research" und den "Natural Sciences and Engineering Research Council", 215,5 Millionen Dollar in das "Social Sciences and Humanities Research Council". Das berichtete die Zeitschrift "Nature".

Weitere 275 Millionen Dollar sind speziell für "internationale, interdisziplinäre, bahnbrechende und risikoreiche" Forschung der drei Organisationen geplant. Vergleichbar seien deren Aufgaben mit denen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Deutschland, sagt Dr. Alexandra Gerstner, die das Informationszentrum Toronto des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) leitet.

Abgrenzung zu Vorgängerregierung

Die Ausgaben gelten als "historisch" für Kanada. Sie werden auch als Zeichen an Donald Trump interpretiert, der die Ausgaben für Bildung und Forschung zuletzt in zahlreichen Bereichen massiv gekürzt hatte. Während Trump bis heute keinen "Science Advisor" ernannt hat, haben in Kanada sowohl die Wissenschaftsministerin (Dr. Kirsty Duncan) als auch die wissenschaftliche Beraterin (Dr. Mona Nemer) einen wissenschaftlichen Hintergrund.

Mehr Freiheiten für Grundlagenforschung

"Die Regierung unter Premier Trudeau legt tatsächlich viel Wert auf die Wissenschaft", sagt auch Dr. Alexandra Gerstner vom DAAD. Doch setze diese Entwicklung nicht erst bei der Wahl Donald Trumps zum Präsident der USA an. Premier Trudeau wolle sich vielmehr von seiner konservativen  Vorgängerregierung abgrenzen, die Ausgaben in der Wissenschaft massiv gekürzt hatte.

Die aktuelle sozialdemokratische Regierung hat daher 2016 zunächst das Budget für die wissenschaftliche Infrastruktur und die Forschungsförderung erhöht. 2017 lag ein Fokus auf den sogenannten "Superclusters", die auf anwendungsorientierte Forschung zielte. 2018 steht die Grundlagenforschung im Mittelpunkt.



"Die Grundlagenforschung war gegenüber der angewandten Forschung in Kanada in den Hintergrund gerückt", sagt Gerstner. Hier hat sich mit der neuen Regierung unter Trudeau seit 2015 der Kurs geändert. "Die kanadische Regierung hat gemerkt, dass sie im internationalen Wettbewerb nicht ohne stärkere Investitionen in der Grundlagenforschung aufholen kann." Auch stecke sie mehr Vertrauen in das Urteil der Wissenschaftler. "Die Finanzierung von Projekten in der Grundlagenforschung ist künftig kaum an bestimmte Themen gebunden", sagt Gerstner. "Stattdessen liegt es in der Hand der Wissenschaftler, relevante Themen zu definieren."

Bessere Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs

Auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs will sich Trudeau einsetzen, sagt Gerstner. Zwar seien Befristungen nicht ein so großes Problem wie in Deutschland, weil ähnlich wie in den USA auch hier das Tenure-Track-System weit verbreitet ist. Doch gebe es zu wenige dieser Stellen. "Das liegt auch an der demografischen Entwicklung", sagt Gerstner. "Vor circa zehn bis fünfzehn Jahren wurden sehr viele der Stellen mit damals recht jungen Wissenschaftlern besetzt. Gleichzeitig wurde die Festlegung aufgehoben, mit 65 Jahren in den Ruhestand zu gehen."

Zudem wurden Förderprogramme angepasst, um Nachwuchswissenschaftler zu unterstützen, zum Beispiel die "Canada Research Chairs". Davon hätten vorher meist erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler profitiert. Nun seien 250 neue Stellen geschaffen worden, die vor allem an Nachwuchswissenschaftler vergeben werden sollen.

Diversität sei dabei immer ein Kriterium. "Ganz wichtig ist der Regierung die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Ein feministischer Faden zieht sich durch alle Politikbereiche. Aber auch die indigene Bevölkerung und andere Minderheiten sollen bessere Chancen in Kanada bekommen."

Wissenschaftler mobil, Studierende bleiben in Kanada

Das Interesse an einem wissenschaftlichen Austausch zwischen Kanada und Deutschland sei unter Wissenschaftlern insgesamt sehr groß und nehme weiter zu, sagt Gerstner. Anders sehe es bei den Studierenden aus. "Das liegt aber vor allem daran, dass kanadische Studierende
grundsätzlich nicht oft ins Ausland gehen. Tun sie es doch, ist Deutschland eines der Hauptziele."