Das Foto zeigt ein Porträt der bayerischen Wissenschaftsministerin Marion Kiechle.
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Bayern
Ministerin Kiechle verschwieg möglichen Interessenkonflikt

Wissenschaftsministerin Kiechle hat als Professorin ihre Verbindungen zu einer Pharmafirma nicht angegeben - und ein Produkt beworben.

27.07.2018

Die bayerische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Marion Kiechle, hat in ihrer Zeit als Professorin an der TU München für ein Produkt in der Krebsmedizin geworben. Dabei hat sie nicht erwähnt, dass sie Gesellschafterin der Pharmafirma ist, die das Produkt mitentwickelt hat.

Lediglich am Ende der Pressemitteilung der Pharmafirma, die das Produkt herstellt, finde sich ein schmaler Hinweis darauf, dass die Firma Therawis auch von Wissenschaftlern der TU München mitgegründet worden sei. Kiechles konkrete Rolle in dem ganzen bleibe unerwähnt. Das berichten die Süddeutsche Zeitung (SZ) und der Bayerische Rundfunk. Recherchen dieser Medien sowie des NDR und des WDR zeigen aber, dass Marion Kiechle im Februar bereits etwa zehn Prozent der Anteile an der Pharmafirma ("Therawis Diagnostics") hielt. Auf Anfrage der Medien räumt Kiechle ein: "In der Tat wäre es besser gewesen, an dieser Stelle meine Firmenbeteiligung noch deutlicher darzustellen."

Die Recherchen zeigen laut Berichten weiter, dass Kiechle auch bei mehreren Publikationen zum Thema in wissenschaftlichen Journalen ihren Interessenkonflikt nicht angab. Das sei zwar nicht illegal, aber keineswegs "gute wissenschaftliche Praxis". Ein Forscher muss in der Regel kenntlich machen, ob er finanzielle Verstrickungen oder Anteile an der Firma hat, für die er ein Produkt erforscht, untersucht oder entwickelt.

Kiechle erklärte auf Anfrage der SZ, es habe sich bei den Veröffentlichungen "um andere Krebsarten und um ein Review" gehandelt, daher habe sie ihre Gesellschaftsanteile nicht explizit angegeben. Dieser Ansicht widerspricht laut Zeitungsbericht die Medizinerin Christiane Fischer vom Deutschen Ethikrat: "Auch in einem Review und in anderen Artikeln sollten Interessenkonflikte, auch von Marion Kiechle, angegeben werden." Günther Steger, Brustkrebsexperte der Medizinischen Universitäten Wien, wird mit den Worten zitiert: "Wenn ich Beteiligungen verschweige, gebe ich ein falsches Bild ab. Ich muss den Interessenkonflikt angeben, warum auch nicht?".

Kiechle sagt laut Medienbericht, sie habe aufgrund ihrer Position als Staatsministerin alle wissenschaftlichen Aktivitäten eingestellt, die möglicherweise einer Firma zu Gute kommen könnten, an denen sie als Gesellschafterin beteiligt ist. Ihre Aussage in der Pressemitteilung sei keine Empfehlung für das Medizinprodukt gewesen.

Unterdessen wurde bekannt, dass Ministerin Kiechle die Berichte über einen möglichen Interessenkonflikt aus ihrer Zeit als Gynäkologie-Professorin rechtlich prüfen lassen will. "Tatsachen werden mit Fehlinterpretationen und Falschbehauptungen vermengt; das schadet meiner wissenschaftlichen Reputation", sagte die 58-Jährige am Freitag in München. "Ich lasse nun alles rechtlich abklären und behalte mir juristische Schritte vor."

Ministerpräsident Markus Söder nahm sein Kabinettsmitglied unterdessen in Schutz. Kiechle habe alle Fragen beantwortet, sagte er am Freitag am Rande eines Termins einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge. "Ich habe keine Zweifel an der Darstellung", zitierte ihn die Zeitung. Selbstverständlich bleibe sie im Kabinett, habe Söder bekräftigt. Sprecher der Grünen- und der SPD-Landtagsfraktionen kritisierten Kiechle dagegen scharf.

Für die Technische Universität München (TUM), an der Kiechle Professorin war, erklärte deren Präsident Wolfgang Herrmann, der Bericht lasse jedes Augenmaß vermissen. "Die Zeitungs- und Fernsehberichte müssen sich den Vorwurf des Belastungseifers gefallen lassen, der an der exzellenten wissenschaftlichen und klinischen Arbeit der Gynäkologin grob vorbeigeht", so Herrmann.


aktualisiert: 27.07.2018, 13:27 Uhr und am 28.07.2018 um 10.22 Uhr.

dpa/gri