Personen am Eingang einer Universität
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Ländervergleich
OECD legt Bildungsbericht 2020 vor

Deutschland erhält im Bildungsvergleich ein durchmischtes Zeugnis. Am besten schneidet die berufliche Bildung ab, Abstriche treffen Studierende.

08.09.2020

Die Zahl der tertiären Bildungsabschlüsse hat in Deutschland weiter leicht zugenommen. Der OECD-Bildungsbericht kommt auf eine Quote von 33 Prozent bei den 25- bis 34-Jährigen im Jahr 2019. Das sind ein Prozentpunkt mehr als im Vorjahr und acht Prozentpunkte mehr als 2009. Das geht aus dem aktuellen Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, der am Dienstag vorgestellt wurde. Zwischen Frauen (34 Prozent) und Männern (32 Prozent) gibt es dabei kaum einen Unterschied. Im internationalen Durchschnitt liegt die Quote der Personen mit einem tertiären Abschluss bei 41 Prozent.

Grund für den Unterschied ist auch die vergleichsweise gute Berufsausbildung in Deutschland. Dieser stellt die OECD ein rundum positives Zeugnis aus. Die allgemeinbildenden Schulen als Grundlage für anschließende Qualifikationen schnitten schlechter ab. 46 Prozent der aller Schülerinnen und Schüler der oberen Klassenstufen in Deutschland entschieden sich dem Bericht zufolge für einen berufsbildenden Weg, knapp 90 Prozent von ihnen wählten dabei eine duale Variante. Die Autorinnen und Autoren der Studie gehen davon aus, dass die berufliche Bildung eine Schlüsselrolle dabei spielen wird, die Wirtschaft in Deutschland nach den Einschnitten durch die Corona-Pandemie wieder zu stärken.

Sowohl die berufliche Bildung als auch die tertiäre Bildung gehen in Deutschland mit einer hohen Beschäftigungsquote von 88 Prozent einher. Das Gehalt unterscheidet sich jedoch weiterhin deutlich. Erwachsene mit einem Abschluss im Tertiärbereich verdienen laut Bericht im Schnitt rund zwei Drittel mehr als Arbeitskräfte mit einem Abschluss im Sekundarbereich II. Darüber hinaus hat mit 52 Prozent etwas mehr als die Hälfte der Erwachsenen das Gefühl, in Deutschland mit einem tertiären Abschluss gesellschaftlich mehr zu sagen zu haben.

Deutschland investiert vergleichsweise wenig in Studierende

Zu den beliebtesten Fachrichtungen in Deutschland gehören die MINT-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. 35 Prozent der Absolventinnen und Absolventen eines tertiären Bildungsabschlusses haben zum Bemessungszeitraum 2018 eines der Fächer absolviert. Davon entfielen die meisten Abschlüsse (21 Prozent) auf das Ingenieurwesen. Hinter den MINT-Fächern folgten mit 19 Prozent teriäre Abschlüsse in Kunst und Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften, Journalismus und Informationswesen.

Die Bildungsausgaben in Deutschland liegen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) unter dem OECD-Schnitt. 2017 gab die Bundesrepublik dem Bericht zufolge 4,2 Prozent des BIP dafür aus. Im OECD-Schnitt waren es 4,9 Prozent. Auch der Anteil der öffentlichen Ausgaben für Bildung an den öffentlichen Gesamtausgaben liegt mit neun Prozent unter dem OECD-Schnitt von elf Prozent. In vielen Industrieländern betrage der Anteil sogar zwischen zwölf und 14 Prozent, darunter die Schweiz, Dänemark, Großbritannien und Norwegen.

Die Pro-Kopf-Ausgaben für Bildungsteilnehmende sind in Deutschland insgesamt höher als in den meisten anderen Ländern. Für jeden Vollzeit-Bildungsteilnehmenden wurden im Schnitt pro Jahr rund 13.500 US-Dollar ausgegeben. Das entspricht aktuell ungefähr 11.400 Euro. Der OECD-Schnitt liegt laut Bericht bei rund 11.200 US-Dollar und damit 9.500 Euro. Die Höhe der Ausgaben liege laut OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher "fast ausschließlich" an dem Geld aus der Wirtschaft für die berufliche Bildung.

Die OECD bemängelt, dass am Anfang der Bildungskette damit deutlich weniger Geld ist als für ältere Auszubildende. Umgerechnet würden rund 8.100 Euro pro Kopf in Grundschulkinder investiert. Das trifft allerdings auch auf Studierende zu: Pro Kopf gibt es in Deutschland umgerechnet rund 8.800 Euro. Damit liegt Deutschland 700 Euro unter dem OECD-Schnitt. Zudem seien die Ausgaben pro Kopf in diesem Bereich seit 2012 um fast zehn Prozent gesunken. "Das stellt die Nachhaltigkeit des gesamten Systems infrage", zitiert das "Handelsblatt" den OECD-Bildungsdirektor.

Mangel an Lehrkräften verschärft sich

Lehrerinnen und Lehrer verdienen in Deutschland vergleichsweise viel und haben eine niedrigere Lehrverpflichtung als in anderen Ländern. Das Gehalt liegt zwischen 69 Prozent und 77 Prozent über dem OECD-Schnitt und steigt wie in anderen Ländern unter anderem mit der Höhe des zu unterrichtenden Bildungsbericht. Im Sekundarbereich II liegen die tatsächlichen Gehälter in Deutschland zum Beispiel bei umgerechnet rund 74.600 Euro (87.800 US-Dollar).

Gearbeitet wird im Sekundarbereich II pro Lehrkraft laut Bericht 622 Stunden, im internationalen Durchschnitt sind es 680 Stunden. 37 Prozent der Zeit entfällt in Deutschland auf den Unterricht. In der übrigen Zeit erledigen Lehrerinnen und Lehrer Aufgaben wie Unterrichtsplanung, Prüfungsbewertung oder Elterngespräche. Im OECD-Schnitt scheinen diese Aufgaben weniger umfangreich zu sein als in Deutschland: Es bleiben 44 Prozent der Zeit für den Unterricht.

Das Problem: 41 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer war 2018 laut Bericht im Primar- und Sekundarbereich über 50 Jahre und nur sieben Prozent unter 30. Damit werden viele Lehrkräfte in den kommenden zehn Jahren das Ruhestandalter erreichen. Die OECD warnt davor, dass sich der bereits bestehende Mangel an Lehrkräften weiter verschärfen könnte.

Weltalphabetisierungstag am 8. September

In Deutschland können mehr als sechs Millionen Erwachsene nicht richtig lesen und schreiben. Mit dem Weltalphabetisierungstag macht die UNESCO jedes Jahr am 8. September auf das Problem des Analphabetismus aufmerksam. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek sagte anlässlich dessen: "Es darf nicht sein, dass im Jahr 2020 Erwachsene in Deutschland nicht richtig lesen und schreiben können!"

Auch müsse digitale Chancengerechtigkeit in Deutschland das Ziel sein. "Die vergangenen Monate der Corona-Pandemie haben uns die Bedeutung von Digitalisierung besonders klar vor Augen geführt: Es wurde von zu Hause aus digital gelernt und gearbeitet, Menschen haben vermehrt den Online-Handel genutzt. Diejenigen mit geringen Digitalkompetenzen waren hierbei sicherlich stark eingeschränkt. Dazu gehören häufig Personen, die nicht gut lesen und schreiben können."

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördere daher Angebote, die Alphabetisierung mit der Vermittlung von Medienkompetenz kombinieren. Beispielhaft nannte Karliczek die Kampagne "Mein Schlüssel zur Welt" der Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung (AlphaDekade).

Bildung schwächelt während Corona-Pandemie

In einer Sonderauswertung hat die OECD die Folgen der Corona-Pandemie genauer unter die Lupe genommen. "Die Kosten von Schulschließungen für die Einzelnen und die Gesellschaft sind sehr hoch", betonen die Bildungsforscherinnen und Bildungsforscher. Für Deutschland zeigt der Bericht, dass die Schulen 17 Wochen geschlossen waren. Das sind drei Wochen mehr als im internationalen Durchschnitt. In Präsenzstunden kommt die OECD auf 323 ausgefallene Stunden bei Grundschulkindern und 408 Stunden bei Jugendlichen in der Sekundarstufe I.

Der Umstieg auf die digitale Lehre sei in Deutschland schwerer gefallen als anderen Ländern, heißt es im Bericht. Nur ein Drittel der Schulleitungen habe der Aussage zugestimmt, dass sie eine effektive Online-Plattform zur Lernunterstützung hätten bereitstellen können. Im OECD-Schnitt sagten das 54 Prozent, in Dänemark und Singapur sogar über 90 Prozent. Eine weitere kürzlich erschienene Studie hatte ähnliche Schwächen bei der digitalen Bildung ergeben.

Insgesamt warnt die OECD mit Blick auf die Corona-Pandemie davor, trotz der "brutalen Rezension" an der Bildung zu sparen. Es dürfe laut Bericht des "Handelsblatts" über die Vorstellung des Berichts nicht sein, dass der globale Einbruch der Wirtschaft zu substanziellen Sparmaßnahmen an Schulen und Hochschulen führe.

Der OECD-Bildungsbericht 2020 ist insgesamt 584 Seiten stark. Untersucht wurden die Investitionen in Bildung und ihre Qualität in 48 Staaten und Regionen weltweit. Im vergangenen Jahr gab es für Deutschland Lob bei den Investitionen in frühkindliche Bildung und die vergleichsweise hohe Anzahl an Absolventinnen und Absolventen in naturwissenschaftlichen Fächern. Kritik gab es an der Finanzierung der Grundschulen.

aktualisiert: 09.09.20, 11:50 Uhr

kas