Das Foto zeigt Horst Seehofer, Angela Merkel und Martin Schulz bei einer Pressekonferenz nach den Koalitionsverhandlungen
dpa

Koalitionsvertrag
Perspektiven für Hochschulen und Wissenschaft

Nach langen Verhandlungen haben CDU, CSU und SPD einen Koalitionsvertrag beschlossen. Die wichtigsten Ergebnisse für die Wissenschaft.

07.02.2018

CDU, CSU und SPD wollen im Falle der Regierungsbildung das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern modifizieren, einen Nationalen Bildungsrat nach dem Vorbild des Wissenschaftsrates einrichten, die Fachhochschulen stärken und eine nationale Open-Access-Strategie entwickeln. Auch soll der Pakt für Forschung und Innovation (PFI) ab dem Jahr 2021 mit einem jährlichen Aufwuchs von mindestens drei Prozent auf Basis der Bund-Länder-Schlüssel fortgeführt werden. Insgesamt sollen elf Milliarden Euro in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen investiert werden. Das geht aus dem am 7. Februar beschlossenen Koalitionsvertrag hervor. Die wichtigsten Ergebnisse für Hochschulen und Wissenschaft:

Nationaler Bildungsrat und Kooperationsverbot

Der Nationale Bildungsrat soll auf "Grundlage der empirischen Bildungs- und Wissenschaftsforschung Vorschläge für mehr Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit im Bildungswesen" vorlegen. Auch soll er dazu beitragen, sich über die "zukünftigen Ziele und Entwicklungen im Bildungswesen zu verständigen". Über die Mandatierung, Zusammensetzung, institutionelle Ausstattung des Nationalen Bildungsrates sollen Bund und Länder gemeinsam entscheiden.

Weiter wollen die Koalitionäre die Bundesmittel auf Grundlage des neu geschaffenen Art. 91b Grundgesetz ("Kooperationsverbot") "dauerhaft verstetigen". Die konkreten Förderkriterien sollen alle sieben Jahre periodisch mit den Ländern und Hochschulen verhandelt werden. Der Qualitätspakt Lehre soll verstetigt und in Anlehnung an die Empfehlungen des Wissenschaftsrates weiterentwickelt werden. Die Programmpauschalen sollen nach 2020 fortgeführt und zur Administrierung dem Grundhaushalt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zugewiesen werden. Dabei bliebe bis 2025 der bisherige für Programmpauschalen geltende Finanzierungsschlüssel erhalten. Die Finanzierungsanteile von Bund und Ländern sollen für die Zeit nach 2025 neu verhandelt werden. Perspektivisch strebe man eine Erhöhung der Programmpauschalen auf 30 Prozent an.

Stärkung der Fachhochschulen und Open-Access-Strategie

CDU, CSU und SPD wollen die Fachhochschulen stärken. So soll die Projektförderung des Bundes für Forschung an Fachhochschulen ausgebaut werden. Gemeinsam mit den Ländern soll eine Initiative gestartet werden, um Karrierewege bis zur Fachhochschulprofessur aktiv zu gestalten und Fachhochschulen bei deren Rekrutierung zu unterstützen. Das BAföG soll ausgebaut und die Leistungen deutlich verbessert werden.

Die künftige Regierung will eine "nationale Open-Access-Strategie" entwickeln. Offene Kanäle für wissenschaftliche Kommunikation und Publikation sollen gefördert und Empfänger von Fördermitteln im Rahmen der Projektförderung des Bundes "regelhaft" verpflichtet werden, "ihre Publikationen mittels offener Lizenzen frei verfügbar zu machen" und im Rahmen der Projektförderung des Bundesbildungsministeriums die entstehenden Overhead-Kosten in "einem angemessenen Umfang" zu übernehmen.

Die Regelungen im Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz für den Bildungs- und Wissenschaftsbereich sollen umfassend evaluiert und "unter Abwägung aller Interessen" über eine Verstetigung entschieden werden.

Man will die neuen Möglichkeiten des Art. 91b Grundgesetz nutzen, um ausgewählte forschungsstarke und exzellente Institute an Hochschulen bundesseitig mitfördern zu können, "ohne sie aus der Hochschule herauslösen" zu müssen. Die Koalition will die Evaluationsergebnisse der letzten Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes auswerten, um Karrierewege in der Wissenschaft "attraktiv zu halten".

Frauenanteil in der Wissenschaft soll erhöht werden

Die Zugangsvoraussetzungen zum öffentlichen Dienst im Bundesrecht sollen künftig stärker an gewonnenen berufspraktischen Erfahrungen oder besonderen wissenschaftlichen Qualifikationen orientiert werden. So soll der Zugang zum höheren Dienst des Bundes auch für Bachelor-Absolventen mit Promotion oder mehrjähriger beruflicher Erfahrung geöffnet werden.

Frauen sollen vermehrt Führungspositionen in Hochschulen und Forschungseinrichtungen übernehmen. Orientiert am Kaskadenmodell müssten Wissenschaftseinrichtungen auf eine Steigerung des Frauenanteils verpflichtet werden. „Wir werden als Kriterium für die Förderung von wissenschafts- und Forschungseinrichtungen die Vorlage von Gelichstellungs- und Personalentwicklungskonzepten mit verbindlichen Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils sowie die Einhaltung von Gleichstellungsstandards einführen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Einen wichtigen Beitrag hierfür werde das erneuerte Professorinnenprogramm leisten.

Hochschulrektoren begrüssen den Koalitionsvertrag

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) bezeichnete den Koalitionsvertrag als eine "starke Basis für fortschrittliche Hochschulpolitik". "Angesichts des erfreulich hohen Stellenwerts, den die Parteien Bildung und Wissenschaft einräumen wollen, hoffen wir nun auf ein zügiges Zustandekommen der Großen Koalition", sagte HRK-Präsident, Professor Horst Hippler. "Die Vereinbarung wäre grundsätzlich eine spürbar verbesserte, starke Basis für notwendige Fortschritte in der Hochschulpolitik und spiegelt Vieles wider, was die HRK in der Vergangenheit formuliert und vorgeschlagen hat."

Die Bereitschaft, den Bund nun systematisch in die Finanzierung der Hochschulen einzubeziehen, markiere eine wichtige und grundlegende Veränderung in unserem Wissenschaftssystem. Damit würde der 2014 neu geschaffene Artikel 91 b Grundgesetz sinnvoll genutzt, um die Leistungsfähigkeit der Hochschulen nachhaltig zu sichern. Dies betreffe vor allem die Absicht, die Bundesmittel für den Hochschulpakt zu verstetigen – eine unerlässliche Voraussetzung, um ein ausreichendes Angebot an Studienplätzen und die Qualität der Lehre zu sichern. Auch die Initiative zur Stärkung der Fachhochschulprofessur, die Pläne für eine nationale Open-Access-Strategie, die Unterstützung für die Digitalisierung der hochschulischen Infrastrukturen, das Bekenntnis zu den neu zu schaffenden europäischen Hochschulen und der geplanten BAföG-Ausbau sind nach Ansicht der HRK positiv zu bewerten.

Als mögliche Schwachpunkte in der Vereinbarung kritisiert die HRK, dass eine geplante "Verstetigung des Qualitätspaktes Lehre im Wettbewerb" nicht bedeuten dürfe, dass weniger Bundesgeld für die Verstetigung des Hochschulpaktes zur Verfügung stehe oder neue aufwändige Förderstrukturen aufgesetzt würden. Bedauerlich sei auch, dass die Programm-Pauschale für Forschungsprojekte zunächst einmal auf dem jetzigen Niveau von 22 Prozent bleiben solle. Die HRK hoffe, dass die geplante Erhöhung auf 30 Prozent bald verbindlich geregelt werde.

Damit eine Regierung auch tatsächlich zustande kommt, müssen die Mitglieder der SPD mehrheitlich dafür stimmen.

gri