Ein älterer Mann im Anzug reckt vor etlichen US-Fahnen siegessicher den Daumen in die Höhe - es ist der zukünftige US-Präsident Donald Trump.
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US-Wahlen
Präsident Trump und sein Einfluss auf die globale Wissenschaft

Donald Trump ist US-Präsident. Welche Erfahrungen hat die globale Wissenschaft mit ihm gemacht? Einordnende Stimmen und ein Blick in die Zukunft.

Von Christine Vallbracht 08.11.2024

Bereits im Vorfeld der Wahl wurde in der internationalen Wissenschafts-Community vielfältig spekuliert, was der Bildungssektor und der Forschungsbereich von einem erneuten Sieg Donald Trumps zu erwarten hätten. Insbesondere in den USA selbst macht man sich auf unruhige Zeiten gefasst. Das Magazin "Science" habe dafür Mitte Oktober nach eigenen Angaben mehr als zwei Dutzend Personen aus der Wissenschaft befragt, die beispielsweise durch frühere Erfahrungen aus der Trump-Amtszeit und ihrem Einsatz für die Forschungsgemeinschaft besonders sachkundig seien. 

Trumps wissenschaftsfeindliche Rhetorik und Beschlüsse wie den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen während seiner letzten Amtszeit trüben die Hoffnungen vieler Forschender weltweit auf unterstützende vier Jahre. "Das bekannte Trump-Zitat der alternativen Wahrheiten stellt die Relevanz der Wissenschaft grundsätzlich in Frage", schreibt "tagesschau.de". Wenige Tage nach dem Wahlergebnis gehen einige Interessenvertretungen aus der Wissenschaft und einzelne Forschende ins Detail mit ihren Einschätzungen. Gegenüber „Forschung & Lehre“ haben sich beispielsweise die Europäische Universitätsvereinigung (EUA), der Deutsche Hochschulverband (DHV), der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) mit ihren Einschätzungen und Forderungen geäußert. 

US-Forschungsgemeinschaft erwartet Gegenwind 

Gemäß der Umfrage von "Science" könnte Trumps Bestreben, den Regierungsapparat und die Bürokratie abzubauen, ein reduziertes Forschungsbudget bedeuten, soweit er dies durch einen Haushaltsantrag beeinflussen könne. Künstliche Intelligenz, Quanten-Informationstechnologie und andere strategisch wichtige Bereiche würden wahrscheinlich von seinem Versuch profitieren, China einen Schritt voraus zu sein, resümiert das Wissenschaftsmagazin. In seiner ersten Amtszeit habe lediglich der demokratisch dominierte Kongress Trump davon abhalten können, die Finanzierung etlicher Bundesforschungsbehörden und staatlicher Universitäten zu kürzen. Auch internationale Forschungs-Kooperationsprojekte – wie etwa der milliardenschwere experimentelle Fusionsreaktor ITER, der in Frankreich gebaut wird, oder Mega-Teleskope in Chile und Hawai – stünden demnach auf der Kippe. Außerdem befürchte die Wissenschafts-Community, dass Trump seine frühere Politik zur Begrenzung der Einwanderung fortsetzen könne. Sie hoffte, dass er sich kompromissbereit zeigen könnte, um gegenüber dem "US-Rivalen" China die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. 

Trump hat "Science" zufolge außerdem versprochen, den "Inflation Reduction Act" aufzuheben, das wichtigste Klimagesetz der Biden-Regierung, das Milliarden von Dollar in erneuerbare Energien pumpt. Hier sei allerdings noch Abwehr aus dem Kongress möglich. Das erneute Ausscheiden aus dem Pariser Klimaabkommen sei aus Trumps Sicht gesetzt. Laut eines offiziellen Statements von Dan Lashof, US-Direktor des "World Resources Institute", sind allerdings "die meisten Führungskräfte in den Bundesstaaten, auf lokaler Ebene und im privaten Sektor, entschlossen, voranzukommen", obwohl die erneute Präsidentschaft Trumps "die nationalen Bemühungen zur Bewältigung der Klimakrise und zum Schutz der Umwelt zum Stillstand bringen wird". Quasi die gesamte Weltgemeinschaft stünde Lashof zufolge hinter den Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise und würde erkennen, dass man hier nicht nur die Umwelt und Menschenleben retten, sondern auch sehr viel Geld verdienen könne. 

"Vielleicht ist eine meiner größten Sorgen, dass Trump angesichts seiner wissenschaftsfeindlichen Rhetorik ein weiterer Sargnagel für das Vertrauen in die Wissenschaft sein könnte", sagte Lisa Schipper dem Magazin "Nature", eine schwedisch-US-amerikanische Professorin für Geographische Entwicklungsforschung mit Spezialisierung auf Klimafragen. Professor Tulio de Oliveira, renommierter Virologe und Direktor des "Zentrums für Epidemie-Bekämpfung und Innovation" (CERI) der Universität Stellenbosch in Südafrika, warb auf der Plattform "X" direkt nach Bekanntwerden des US-Wahlergebnisses dafür, "angesichts der Veränderungen auf der ganzen Welt" sich doch an einer "der besten Universitäten" zu bewerben und verlinkte auf entsprechende Stellenanzeigen für Postgraduierten- und Postdoktorandenstipendien. 

Manche Forschende erhofften sich von Trump eine Entlastung bezüglich staatlicher bürokratischer Anforderungen im Rahmen staatlich finanzierter Forschung, die der "Science"-Umfrage zufolge rund 44 Prozent der verfügbaren Forschungszeit beanspruche. Laut einer aktuellen Umfrage des Magazins "Nature" haben sich jedoch nur sechs Prozent der Forschenden mit positiven Erwartungen zur Präsidentschaft Trumps geäußert – insbesondere bezüglich wirtschaftlicher Fragen und unter Sicherheitsaspekten. Von Trumps geplanter Erhöhung des Verteidigungshaushalts könnte die DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) und somit auch zu Teilen die akademische Forschung profitieren, prognostizieren die Sachverständigen laut "Science". 

Selbstbewusste Reaktionen aus der deutschen Wissenschaft 

AvH-Präsident Robert Schlögl bezieht sich auf Anfrage von "Forschung & Lehre" auf die Erfahrungen der Stiftung aus der letzten Amtszeit Trumps: "Nach der ersten Wahl von Trump 2017 gab es im Jahr seiner Amtseinführung einen deutlichen Anstieg der weltweiten Bewerberzahlen in unserem Humboldt-Forschungsstipendienprogramm. Wir gehen davon aus, dass damals internationale Forschende unter anderem von Trumps 'Muslim Ban' abgeschreckt wurden und sich in der Folge statt in die USA nach Europa und Deutschland orientiert haben". Trotz aller Herausforderungen gelte, dass die Wissenschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den USA von persönlichen Kontakten zwischen Menschen getragen würden, die Forschungsinteressen teilten und gemeinsame Werte pflegten. "Unsere Botschaft an alle Forschenden in den USA: Wir schätzen die vertrauensvolle Zusammenarbeit, wir werden die Zusammenarbeit weiterhin pflegen", postuliert Schlögl. 

"Unsere Botschaft an alle Forschenden in den USA: Wir schätzen die vertrauensvolle Zusammenarbeit, wir werden die Zusammenarbeit weiterhin pflegen."
AvH-Präsident Robert Schlögl

"Gerade nach den jüngsten Wahlen und damit verbundenen Diskussionen fordert die Berufsvertretung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass Hochschulen und Wissenschaft weiterhin uneingeschränkt international ausgerichtet bleiben müssen", schreibt der DHV in einer aktuellen Meldung. "Wenn europaweit und zuletzt auch in Deutschland Parteien mit fremden- und wissenschaftsfeindlichen Untertönen Wahlerfolge verzeichnen, bereitet das Sorge", erklärte DHV-Präsident Professor Lambert T. Koch. Wissenschaftliche Exzellenz setze Perspektivenvielfalt und vielfältige intellektuelle Anregung voraus und beruhe daher auf ungehinderten grenzüberschreitenden Kooperationen und weltweitem Austausch. Wer die Schwächung oder gar Abschaffung von dem eigenen Weltbild zuwiderlaufenden Forschungsbereichen propagiere und auf mehr nationale Abschottung dränge, gefährde Wissenschaft, die einen erheblichen Beitrag zu wirtschaftlichem Erfolg und gesellschaftlichem Wohlergehen leiste. "Um sich im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe zu behaupten, muss außerdem verstärkt um internationale Talente geworben werden. Das kann nur gelingen, wenn sich diese jeweils vor Ort nicht nur willkommen, sondern auch sicher und gut aufgehoben fühlen. Voraussetzung und Garant dafür ist eine offene Gesellschaft, in der jede und jeder vor Diskriminierung geschützt ist", betonte der DHV-Präsident. 

"Um sich im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe zu behaupten, muss außerdem verstärkt um internationale Talente geworben werden."
DHV-Präsident Professor Lambert T. Koch

Der DAAD förderte 2023 nach eigenen Angaben insgesamt 3.000 deutsche Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Aufenthalten in den USA sowie 1.500 Amerikanerinnen und Amerikaner bei Aufenthalten in Deutschland. Auf Anfrage von "Forschung & Lehre" bestätigt der DAAD, dass die erste Amtszeit Trumps herausfordernd war: "Erhebliche Sorgen lösten in der amerikanischen und deutschen Wissenschaftslandschaft Pläne der Trump-Regierung im Jahr 2020 aus, den Aufenthalt ausländischer Studierender und Forschender restriktiver zu handhaben sowie die Aufenthaltsdauer für Forschungsaufenthalte zu begrenzen und zu reglementieren". Der DAAD habe dies zusammen mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) öffentlich kritisiert. "In der Praxis liefen die transatlantischen Förderprogramme des DAAD in der ersten Amtszeit von Donald Trump ansonsten im bisherigen Umfang weiter, ergänzt der Pressesprecher des Austauschdienstes Michael Flacke. 

"Was sich nun abzeichnet ist, dass die Vergabe öffentlicher Forschungsfördermittel für internationale Kooperationen genauer auf den Prüfstand gestellt werden wird – insbesondere mit Blick auf die Forschungssicherheit, erwartbar aber auch mit Blick auf thematische Schwerpunktsetzung der Republikaner", erläutert Flacke im Hinblick auf die voraussichtlichen Mehrheiten der republikanischen Partei in beiden Kammern des Kongresses. Zu den DAAD-Aufgaben gehöre der Beitrag dazu, dass Kontaktpflege, Projektanbahnung und Verdichtung der Beziehungen bei US-Partnerinstitutionen auf dem Tableau blieben und Möglichkeiten zum Ausbau von Forschungskooperationen und akademischem Austausch zu sondieren. "Auch wenn möglicherweise außenpolitisch anspruchsvolle Zeiten in den transatlantischen Beziehungen auf uns zukommen, so gilt es hervorzuheben, dass die Hochschulen in den USA weiterhin sehr starke und unabhängig agierende Partner für uns bleiben werden", bestätigt DAAD-Präsident Professor Joybrato Mukherjee den Willen zu möglichst stabilen Austausch- und Wissenschaftsbeziehungen. "Wir werden unsere besondere Verbindung zu den USA im kommenden Jahr anlässlich des 100-jährigen Bestehens des DAAD angemessen würdigen", so der DAAD-Präsident weiter. 

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Kai Gehring, erläutert auf seiner Website: "Mit Donald Trump hat die USA einen Präsidenten gewählt, der eine skeptische bis ablehnende Haltung gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen und Institutionen zeigt. Er hat sich wiederholt gegen die Finanzierung einzelner wissenschaftlicher Programme ausgesprochen". Er sieht das Vertrauen in die Wissenschaft durch Trump gefährdet. Das Ziel müsse bleiben, dass die EU und Deutschland in schwierigen Zeiten entschlossen und gemeinsam handeln würden, um für den Schutz der Wissenschaftsfreiheit einzutreten und Investitionen in Forschung und innovative Technologien zu verstärken. "Für den globalen Klimaschutz gilt: Europa muss internationaler Vorreiter bleiben", fordert Gehring. Im Rahmen der aktuellen Wissenschaftskonferenz "Falling Walls Science Summit" sagte Ralf Beste vom Auswärtigen Amt: "Wir konzentrieren uns darauf, die Kooperationen bestenfalls so stark zu machen, dass die Regierung keinen so großen Einfluss hat". Es sei ein Interesse von Deutschland, gute Beziehungen mit den USA zu haben und im Austausch zu bleiben.

Die europäische Wissenschafts-Community will zusammenrücken 

"Aus europäischer Sicht ist das Ergebnis der US-Wahl ein weiteres starkes Signal, dass wir innerhalb Europas in wichtigen strategischen Fragen viel enger zusammenarbeiten müssen", sagt die stellvertretende EUA-Direktorin für politische Koordinierung Anna-Lena Claeys-Kulik gegenüber "Forschung & Lehre". Dazu müssten Forschung, Innovation, Bildung und strategische Schlüsseltechnologien gehören. Bezüglich der internationalen Zusammenarbeit müsse man voreilige Schlüsse vermeiden. "Für die europäischen Universitäten sind ihre US-amerikanischen Kollegen wichtige Partner, und auf beiden Seiten des Atlantiks ist es wichtig, dass die universitären Werte der akademischen Freiheit und der institutionellen Autonomie gewahrt bleiben", konstatiert Claeys-Kulik. Die Universitäten müssten Orte des offenen, faktenbasierten Austauschs und der Diskussion im Dienste demokratischer und friedlicher Gesellschaften bleiben. 

"Für die europäischen Universitäten sind ihre US-amerikanischen Kollegen wichtige Partner."
Anna-Lena Claeys-Kulik, stellvertretende EUA-Direktorin für politische Koordinierung 

Durch gezielte Förderprogramme und enge Partnerschaften müsse Europa nun gemeinsam an einem inklusiven Forschungsraum weiterarbeiten, sagt Katja Becker, Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf Anfrage von Table.Briefings. "Daher plädieren wir gemeinsam mit dem Wissenschaftsrat auch für eine europäische Exzellenzstrategie, die von den Erfahrungen des Exzellenzwettbewerbs in Deutschland profitiert", führt Becker aus. 

"In dieser geopolitischen Lage muss die europäische Wissenschaft sich ihren eigenen Weg bahnen", schreibt der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft Patrick Cramer in seinem Gastbeitrag auf "msn.com". Man müsse die Zusammenarbeit mit den USA weiterführen, mit China kooperieren und dabei Risiken vermeiden, die Kooperation im europäischen Forschungsraum proaktiv stärken und dazu die Nicht-EU-Staaten Großbritannien, Schweiz und Israel einbeziehen. Der Trumpismus mit seinen "alternativen Fakten" verstärke Cramers Meinung nach einen Kulturkampf, der der demokratischen Debatte genauso schade wie dem akademischen Diskurs. 

Der Informatikprofessor Michael Resch, Leiter des Höchstleistungsrechenzentrums in Stuttgart, äußerte gegenüber "tagesschau.de", dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den USA und im Rest der Welt noch deutlicher und offener kommunizieren sollten und versuchen müssten, mit der Bevölkerung häufiger ins Gespräch zu kommen, um ihre Informationen weiterzugeben.