Zwei Personen reichen sich die Hand zu einem Vertragsabschluss
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Spanien
Reform gegen Befristungen stößt auf Kritik

In Spanien diskutiert die Wissenschaft über Dauerstellen und Befristungen. Die jüngste Reform genügt den Ansprüchen der Forschenden nicht.

22.02.2022

Die spanische Regierung hat Ende Dezember eine Reform des Arbeitsrechts verabschiedet, wonach öffentlich Angestellte das Recht haben, am Ende ihres befristeten Arbeitsvertrags eine Festanstellung zu beantragen. Bestimmte befristete Verträge dürfen ab März nicht mehr unterzeichnet werden, wie unter anderem "Times Higher Education" (THE) berichtete. Ziel war es, mehr Sicherheit für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schaffen, etwa im Tourismus, der Landwirtschaft, dem Baugewerbe oder dem Gesundheitswesen. Das Gesetz gilt aber auch für die Forschung.

Im Ergebnis schade es der Wissenschaft in Spanien, kritisierte Professor Julián Garde, Leiter für Forschung und Innovation der Rektorenkonferenz der spanischen Universitäten (CRUE). Garde bemängelte vergangene Woche in einem parlamentarischen Ausschuss, dass sich die Gesetzesnovelle "sehr negativ" auf die Fähigkeit der Universitäten auswirke, Personal für zeitlich begrenzte Projekte einzustellen.

60 Prozent der Verträge in Spanien befristet

Schon vor der Arbeitsmarktreform haben die Rektorenkonferenz sowie Gewerkschaften und akademische Gesellschaften sinnvolle Ausnahmen für die Wissenschaft vom Entfristungsgebot gefordert, sollte dieses beschlossen werden. Bis zu 25.000 Forscherinnen und Forscher wüssten sonst nicht, ob sie künftig einen Vertrag erhalten könnten, berichteten auch diverse spanische Medien. Denn für Dauerstellen fehle die Finanzierung, kritisierte laut THE Professor José Torralba, Vizepräsident der Konföderation der wissenschaftlichen Gesellschaften Spaniens. In der spanischen Wissenschaft seien rund 60 Prozent der Verträge befristet.

Nach der Novelle berechtigen nur kurze, sechsmonatige Verträge laut Bericht nicht zu einer Dauerstelle. Einige Institutionen seien daher dazu übergegangen, wissenschaftliches Personal nur noch für sechs Monate einzustellen, erklärte Torralba. Die Lage der Forschenden sei daher nach der Reform prekärer als zuvor.

Andere Hochschulen, wie die Universität Pompeu Fabra (UPF) in Barcelona, entscheiden laut Bericht derzeit im Einzelfall über die auslaufenden Verträge der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einige könnten übergangsweise über andere befristete Vertragstypen weiterbeschäftigt werden, beispielsweise jene, die aus Pandemie-Geldern der EU bezahlt würden. Ein Teil des wissenschaftlichen Personals würde mit anderen Aufgaben über neue Verträge weiterbeschäftigt.

Etikettenschwindel soll Reform des Arbeitsrechts umgehen

Wissenschaftsvertreter forderten laut Bericht von der Regierung, über eine Novelle des Wissenschaftsgesetzes alternative Anstellungsformate zu schaffen, die Befristungen wieder erlauben. Ein entsprechender, vergangenen Freitag verabschiedeter Gesetzentwurf sehe tatsächlich projektbezogene, zeitlich befristete Verträge vor, deklariere sie jedoch als dauerhaft. Professor Torralba zufolge generiere dieser Etikettenschwindel effektiv dieselbe Situation wie vor der Änderung der Gesetze.

Wie das spanische Online-Magazin "El Diario" Ende Januar berichtete, verlängert sich mit der Novelle die Laufzeit der Verträge im Forschungssystem: Bislang betrug sie üblicherweise zwischen einem und fünf Jahren, mit der Reform sollte sie auf mindestens drei und höchstens sechs Jahre erhöht werden.

In Deutschland entfachte im Herbst die Novelle des Berliner Hochschulgesetztes eine andauernde Debatte über die Möglichkeiten und Grenzen, mehr Dauerstellen in der Wissenschaft zu generieren. Kritiker bemängelten auch in diesem Fall, dass die Finanzierung der vorgesehenen Dauerstellen fehle und einmal entfristet besetzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachfolgenden Jahrgängen den Zugang zu Stellen in Wissenschaft und Forschung versperrten.

ckr