Studierende an einem Sommertag auf dem Campusgelände der Harvard University.
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USA
Regierung entzieht Harvard Zugang zu Studiengebühren

Das Heimatschutzministerium untersagt der Universität die Aufnahme internationaler Studierender. Dies sei "eine Warnung an alle anderen".

23.05.2025

Im andauernden Streit mit der Harvard-Universität will die Regierung von Präsident Donald Trump diese an der Aufnahme internationaler Studierender hindern. Heimatschutzministerin Kristi Noem habe entsprechende Schritte eingeleitet, teilte ihr Ministerium mit. Künftig dürfe Harvard im Rahmen eines eigens dafür vorgesehenen Bundesprogramms keine neuen Studierenden aus dem Ausland mehr aufnehmen. Bereits eingeschriebene internationale Studierende müssten sich demnach nach anderen Hochschulen umsehen – sonst verlören sie ihren Aufenthaltsstatus in den USA. 

Ein Sprecher der Universität im Bundesstaat Massachusetts bezeichnete das Vorgehen der Regierung in einer E-Mail laut Deutscher Presse-Agentur als "rechtswidrig". Es war von einer "Vergeltungsmaßnahme" die Rede, die Harvard und den Vereinigten Staaten "ernsthaften Schaden" zufüge und den akademischen Auftrag der Hochschule sowie ihre Forschung untergrabe. "Wir setzen alles daran, Harvards Fähigkeit zu bewahren, internationale Studierende und Wissenschaftler aus mehr als 140 Ländern aufzunehmen", hieß es darin weiter. 

Zertifizierung für internationale Studierende als Druckmittel 

Für viele US-Universitäten sind die Einnahmen durch internationale Studierende ein bedeutender Teil des Budgets, weil sie oft deutlich höhere Studiengebühren zahlen als inländische Studierende. Nach Angaben der Hochschule sind derzeit rund 6.800 internationale Studierende an Harvard eingeschrieben. Das entspricht etwa 27 Prozent der gesamten Studierendenschaft. 

Damit Hochschulen in den USA internationale Studierende aufnehmen dürfen, benötigen sie eine Zertifizierung im Rahmen des sogenannten Student and Exchange Visitor Program (SEVP), das vom Heimatschutzministerium verwaltet wird. Diese Zertifizierung will das Ministerium Harvard nun entziehen. Ob und in welchem Umfang die Maßnahme rechtlich Bestand haben wird, ist offen. 

Dem Schritt war Mitte April ein Schreiben von Heimatschutzministerin Noem vorausgegangen. Darin forderte sie Harvard auf, bis Ende April detaillierte Informationen zu ausländischen Studierenden vorzulegen – unter anderem zu möglichen illegalen Aktivitäten, Protestbeteiligungen oder Verstößen gegen Visa-Vorgaben. In einem weiteren Schreiben erklärte Noem nun, Harvard sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen – deshalb werde die Zertifizierung entzogen. Sie gab der Hochschule 72 Stunden Zeit, um ihre Forderungen doch noch zu erfüllen. 

Heimatschutzministerin Noem: Warnung für andere Universitäten 

Beim Sender Fox News verteidigte Noem das Vorgehen der Regierung gegen Harvard. Die Hochschule habe "mehrfach die Gelegenheit" gehabt, Informationen über kriminelle Aktivitäten ausländischer Studierender zu übermitteln, sich jedoch geweigert. "Studierende aus dem Ausland, die (...) nicht an diesen kriminellen Aktivitäten beteiligt sind, werden sich eine andere Universität suchen müssen", sagte Noem und warf Harvard vor, nicht nur Proteste, sondern auch "gewalttätige Proteste" auf dem Campus zugelassen zu haben. 

Auf der Social-Media-Plattform X hatte sie die Universitätsverwaltung beschuldigt, Gewalt und Antisemitismus zu dulden sowie eine "Kooperation mit der Kommunistischen Partei Chinas" auf dem Campus begünstigt zu haben. Die neue Maßnahme sei "eine Warnung an alle anderen Universitäten, endlich für Ordnung zu sorgen", so Noem. 

Proteste als Begründung – oder Vorwand? 

Die Trump-Regierung begründet ihr Vorgehen mit propalästinensischen Protesten an US-Universitäten. Hochschulen wie Harvard wirft sie vor, nicht entschieden genug dagegen vorzugehen und antisemitische Vorfälle auf dem Campus zu dulden. Kritikerinnen und Kritiker beschuldigen die Regierung, die Proteste lediglich als Vorwand zu nutzen, um politisch unliebsame Institutionen unter Druck zu setzen. Insbesondere als links geltende Universitäten würden demnach zunehmend ins Visier geraten – etwa wegen Programmen zur Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit, die auf den Abbau historischer Benachteiligung von Schwarzen, Frauen und anderen marginalisierten Gruppen abzielen. 

Besonders im Fokus der Trump-Regierung stehen ausländische Studierende, denen eine Beteiligung an den propalästinensischen Protesten vorgeworfen wird. In mehreren Fällen wurden Abschiebeverfahren eingeleitet – etwa gegen einen Absolventen der Columbia University in New York, der seit Anfang März im Bundesstaat Louisiana in Abschiebehaft sitzt, während sich Gerichte mit seinem Fall beschäftigen. Die rechtliche Grundlage für solche Festnahmen ist stark umstritten.

Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Forschungspolitik sind bestürzt

Der von der US-Regierung angekündigte Ausschluss ausländischer Studierender von der Elite-Universität sorgt auch in Deutschland für Diskussionen. Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) bezeichnete die Entscheidung aus Washington laut den Berichten verschiedener Medien als "fatal": Besonders für die junge Generation sei dies eine dramatische Entwicklung, so Bär. Sie hoffe, dass die US-Regierung die Entscheidung rückgängig mache, berichtet die Tagesschau.

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sprach gegenüber dpa von einem "schweren Schlag" und erklärte: "Der uneingeschränkte internationale Austausch gehört zum Wesenskern der Kunstfreiheit und des Fortschritts in Kunst und Kultur. Ohne ihn droht eine geistige Verzwergung, die uns alle ärmer macht." Die Bundesregierung setze weiter auf Austausch und Diskurs.

Auch das Auswärtige Amt in Berlin kündigte Gespräche mit den USA darüber an, welche Auswirkungen die angekündigte Maßnahme für deutsche Studierende haben werde, berichtet die dpa.

Der neue Leiter des Forschungsausschuss des Bundestags und ehemalige Harvard-Absolvent Karl Lauterbach (SPD), kritisierte die Entscheidung der US-Regierung gegenüber der Zeitung Rheinische Post: "Wenn ausgerechnet die wichtigsten und leistungsstärksten Universitäten absichtlich geschwächt werden, legt man die Axt an bei einem der bedeutendsten Pfeiler für die amerikanische Wirtschaft." Viele internationale Harvard-Absolventen blieben nach dem Studium im Land, so dass die USA von dem gesammelten Wissen profitierten.

Ein Verlust für den akademischen Austausch

Laut Angaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) sind in Harvard aktuell 550 deutsche Studierende eingeschrieben, davon knapp 30 DAAD-Stipendiatinnen und Stipendiaten im gerade zu Ende gehenden akademischen Jahr. Für das kommende Wintersemester ab September stünden aktuell rund 35 Stipendiatinnen und Stipendiaten vor der Ausreise.

"Das Vorgehen gegen internationale Studierende an der Harvard University zeigt erneut, in welchem Maße die US-Regierung bereit ist, gegen die eigenen Hochschulen vorzugehen", sagte DAAD-Pressesprecher Michael Flacke auf Anfrage von Forschung & Lehre. Der DAAD warte die 72-Stundenfrist der US-Regierung ab, in der Hoffnung, dass eine Einigung erzielt wird und die internationalen Studierenden Universität bleiben können. "Sollte es anders kommen, wäre dies ein massiver Einschnitt und ein Verlust für den akademischen Austausch und die weltweite Wissenschaftsgemeinschaft", so Flacke.

Traurige Zuspitzung in Sachen Wissenschaftsfeindschaft

Auch der Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Professor Lambert T. Koch kommentierte die Geschehnisse gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Versuch, Harvard daran zu hindern, internationale Studierende aufzunehmen, sei nach allen bisherigen "wissenschaftsfeindlichen Attacken" der Trump-Regierung eine weitere "traurige Zuspitzung".

Die internationale Studierendenmobilität sei ein Kernmerkmal freier Wissenschaft und wer sie infrage stelle, mache sich zu ihrem Feind. Es sei nun besonders wichtig, den Betroffenen beizustehen: "Europa und Deutschland müssen internationalen Talenten, die durch die wissenschaftsfeindliche Politik der Trump-Administration den USA den Rücken kehren müssen oder wollen, eine attraktive akademische Heimat bieten."

Universität Harvard verklagt US-Regierung

Die Universität Harvard klagt inzwischen wegen des Immatrikulationsverbots für ausländische Studierende gegen die US-Regierung, wie verschiedene Medien am Freitagnachmittag berichteten. Die angekündigte Maßnahme der Regierung sei verfassungswidrig und werde "sofortige verheerende Folgen für die Hochschule und mehr als 7.000 Visumsinhaberinnen und Visumsinhaber" haben, heißt es in der Klageschrift. Ohne ihre internationalen Studierenden sei die Universität Harvard nicht sie selbst.

Die Universität habe auch einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen die Maßnahmen der Regierung eingereicht, um deren Umsetzung zu verhindern, berichtet die New York Times.

Der Vorwurf der Regierung, die Hochschule habe nicht kooperiert und angeforderte Informationen zu den internationalen Studierenden zurückgehalten, sei falsch, teilte Harvard-Präsident Alan M. Garber ebenfalls am Freitag in einem Brief an die Hochschulgemeinschaft mit. Informationen seien im gesetzlich erforderlichen Umfang an die Regierung übermittelt worden.

aktualisiert am 23.05.2025 um 17.30 Uhr, zuerst veröffentlich um 10.23 Uhr [Ergänzung durch die Abschnitte "Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Forschungspolitik sind bestürzt", "Ein Verlust für den akademischen Austausch", "Traurige Zuspitzung in Sachen Wissenschaftsfeindschaft" und "Universität Harvard verklagt US-Regierung"]

dpa/cva/cpy