Das Bild zeigt die Moskauer Staatliche Lomonossow-Universität aus der Luft.
picture alliance / Dmitry Serebryakov/TASS/dpa | Dmitry Serebryakov

Science at Risk
Russland verfehlt europäische Wissenschafts-Standards

Science at Risk dokumentiert das Ausmaß der politischen Einflussnahme auf die russische Wissenschaft. Der Report wurde gestern vorgestellt.

10.12.2024

Rund 1.000 Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stellte Science at Risk am gestrigen Montag in Berlin seinen Monitoring Report zur Situation der Wissenschaft in Russland vor. Es gebe dort keine akademische Freiheit und keine wissenschaftliche Tätigkeit nach europäischen Standards mehr, heißt es im Vorwort von Dr. Philipp Christoph Schmädeke, dem Direktor des Science at Risk Emergency Office. Die von Dr. Ekaterina Trubnikova, Professor Dmitry Dubrovskiy und Yegor Albitskii durchgeführte Studie wurde vom Auswärtigen Amt finanziert.

Alle wissenschaftlichen Beziehungen zu Europa seien abgebrochen, liberale Universitäten und Bildungseinrichtungen geschlossen oder auf Linie gebracht worden. Russische Forschende hätten sich dem Regime angeschlossen, das Land verlassen oder sich ins innere Exil zurückgezogen, resümiert Schmädeke weiter. Die Studie wolle das Zustandekommen der derzeitigen Situation erläutern und einen Einblick in das russische Bildungssystem liefern.

Kontrolle und Militarisierung der Hochschulen

Der 1. März 2022 wird im Bericht als Beginn der Militarisierung der russischen Universitäten ausgemacht: An diesem Tag hätten 184 Hochschulleitungen eine Erklärung zur Unterstützung der "speziellen Militäroperation" unterzeichnet. Seitdem seien ideologische Kurse in die Lehrpläne aufgenommen, andere Studienbereiche wie Menschenrechte, Gender- oder Queer Studies dagegen eingeschränkt worden. Studierende und Forschende seien Überwachung und Repressionen ausgesetzt. Für Kritik an der russischen Kriegspolitik drohten bis zu 15 Jahre Haft – mehr als zu Sowjetzeiten. Heute gehöre Russland zu den 20 Prozent der Länder mit dem niedrigsten Academic Freedom Index.

Außerdem beschreibt die Studie die bereits länger zurückreichende Entglobalisierung des russischen Hochschulsektors. Im Sommer 2022 schaffte Russland das Bologna-Modell ab. Internationale Kooperationen und Austauschprogramme sowie die Zusammenarbeit mit Verlagen wie Elsevier und Springer seien gestoppt, mit EU-Mitteln finanzierte Projekte ausgesetzt worden. Als herausragendes Beispiel wird das europäische Kernforschungszentrum Cern benannt, das kürzlich seine Zusammenarbeit mit Russland einstellte.

Hilfe für russische Forschende im Exil

Die Liste der Institutionen und Personen, die als unerwünschte Organisationen und ausländische Agenten eingestuft werden, sei seit Februar 2022 beträchtlich angewachsen. Forschende mit diesem Status würden entlassen und dürften nicht mehr lehren. Vor diesem Hintergrund hätten wenigstens 2.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Russland seitdem verlassen. Sie würden sich vor allem in Ländern begeben, für die keine Visa-Beschränkungen bestünden, nämlich Kasachstan, Georgien, Armenien, Türkei, Serbien und Montenegro. Hier ließe sich eine wissenschaftliche Karriere aber kaum fortsetzen.

Trotz aller Hindernisse würden sich russische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Ausland um die Gründung alternativer Bildungs- und Forschungsinitiativen bemühen und für eine bessere Zukunft einsetzen. Um ihnen die Integration in die Gastländer zu erleichtern, schlägt der Bericht unter anderem Visa-Vereinfachungen, verlängerte Aufenthaltsprogramme und Sprachkurse vor. Erst kürzlich hatte Science at Risk einen Monitoring Report zur Lage in der Ukraine vorlegt: Hier zeichnete sich ein massiver "Brain Drain" ab.

 

 

hes