Schülerinnen und Schüler einer Highschool in Los Angeles protestieren vor dem Rathaus mit Plakaten wie "School is for education not deportation" im Februar 2025 tagelang gegen die Abschiebung von Einwanderern durch die Trump-Regierung.
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USA
Selbstzensur nach Trump-Dekreten

Die ersten Beschlüsse von Präsident Donald Trump sind gravierend. Die nominierte Bildungsministerin will mit dem Kongress kooperieren.

Von Christine Vallbracht 14.02.2025

McMahons Ansprache vor dem Senat 

Update vom 14. Februar 

Am Donnerstag hat die nominierte Bildungsministerin Linda McMahon vor dem Bildungsausschuss des Senats (Senate Health, Education, Labor, and Pensions Committee, HELP) gesprochen, um ihre Amtsbestätigung zu erhalten. Ein zentrales Diskussionsthema bei McMahons Anhörung war Trumps bevorstehende Exekutivverordnung, die das Bildungsministerium (ED) möglicherweise auflösen könnte. McMahon bestätigte, dass für eine solche Schließung die Zusammenarbeit mit dem Kongress notwendig sei. 

Eine Schließung des Bildungsministeriums mit seinen 4.000 Mitarbeitenden und einem Budget von 80 Milliarden Dollar hätte weitreichende Folgen für die Hochschulbildung, berichtet "Inside Higher Ed"

  • Zum Beispiel autorisiere das Bildungsministerium Akkreditierungsagenturen, die dann wiederum die Hochschulen bewerten und bestätigen würden, dass diese die geforderten Standards erfüllen, um für staatliche Programme und Förderungen in Frage zu kommen.
  • Mehr als 5.000 Colleges und Universitäten seien für staatliche Studienhilfe berechtigt, deren Vergabe durch das Büro für Bundesstudienhilfe ("Office of Federal Student Aid", FSA) des Ministeriums verwaltet wird.
  • Das Büro für Bürgerrechte ("Office for Civil Rights", OCR) des Ministeriums sorge dafür, dass Studierende vor Diskriminierung auf dem Campus geschützt würden. Das Büro habe allein im Haushaltsjahr 2024 insgesamt knapp 23.000 Beschwerden erhalten.
  • Das nationale Zentrum für Bildungsdaten ("National Center for Education Statistics", NCES) des Ministeriums hält für Forschende und die politische Entscheidungsebene staatliche Datenbanken über Anmeldezahlen, Abschlussquoten und Einkommensverhältnisse der Studierenden bereit. 

McMahon betonte in ihrer Anhörung auf Anfrage des Senats, dass es nicht das Ziel sei, dem Pell Grant-Programm – die finanzielle Unterstützung von derzeit mehr als sieben Millionen einkommensschwachen Studierenden – die Finanzierung zu entziehen. Man wolle dieses und andere Bildungsprogramme lediglich effizienter gestalten. 

Trump habe "Inside Higher Ed" zufolge Spekulationen über die Schließung durch eine Äußerung am 11. Februar verstärkt, als er gegenüber der Presse erklärte, dass er von seiner nominierten Bildungsministerin erwarte, sich selbst ihren Job zu entziehen. Kurz zuvor habe er damit gedroht, sämtliche staatlichen Zuschüsse und Kredite für Studierende und Hochschulen einzufrieren. 

****Stand vom 10. Februar**** 

Wohin führen Trumps Beschlüsse die US-Wissenschaft?

Forschungsprojekte, Stiftungen und Wissenschaftsorganisationen reagieren in den USA mit Selbstüberprüfung und Entlassungen auf die ersten politischen Maßnahmen des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Bereits bei seinem Amtsantritt vor drei Wochen hat Trump nicht nur Dutzende neue präsidiale Verfügungen erlassen, sondern auch sehr viele Maßnahmen seines Vorgängers Joe Biden zurückgenommen. Die Folge sind unter anderem Kürzungen von Forschungsgeldern und das Einfrieren von Forschungsprogrammen. 

Enormer Einfluss auf diese ersten Beschlüsse wird laut "New York Times" dem America First Policy Institute (A.F.P.I.) zugeschrieben. Es wurde während Trumps erster Amtszeit von seiner designierten Bildungsministerin Linda McMahon und zwei weiteren Unternehmern gegründet mit dem ausgewiesenen Ziel, Trump erneut in die Regierung zu bringen. Das A.F.P.I. beschuldigt "liberale" Akademikerinnen und Akademiker auf seiner Website zum Beispiel, "Identitätspolitik, Spaltung und Unterwerfung" zu propagieren. 

Hinzu kommen Veröffentlichungen wie "Project 2025" der rechtskonservativen Heritage Foundation. Das Autorenteam setzte sich laut BBC-News aus zahlreichen ehemaligen Trump-Mitarbeitenden zusammen. Der Projektbericht entwirft eine radikale Zukunftsvision mit autokratischen Zügen, welche in internationalen Medien als Trumps Masterplan, Trumps Think Tank oder auch politische Wunschliste betitelt wird. Im Kapitel über Bildung wird unter anderem die Abschaffung des Bildungsministeriums gefordert. "Anstatt weiterhin eine Hochschuleinrichtung zu stützen, die von woken 'Diversikraten' und einem De-facto-Monopol, durchgesetzt vom Bundesakkreditierungskartell , beherrscht wird, sollte die Bundespolitik im Bereich der postsekundären Bildung die Studierenden auf Arbeitsplätze in der dynamischen Wirtschaft vorbereiten", heißt es beispielsweise zur Hochschulbildung. 

DEIA: Überprüfungen und Selbstzensur 

Als besonders folgenreich für die Wissenschaft zeichnet sich der Erlass "Beendigung radikaler und verschwenderischer DEI-Programme und Bevorzugung durch die Regierung" ab, in welchem es um das Einfrieren von Fördermitteln für Diversität, Gleichberechtigung, Inklusion und freien Zugang (DEIA) sowie Umweltmaßnahmen ("Environmental Justice") geht. Das Dekret bescheinigt diesen Programmen "immensen Verschwendungsaufwand und beschämende Diskriminierung" und verpflichtet die verantwortlichen Behördenmitarbeitenden, innerhalb von sechzig Tagen sämtliche Aktivitäten in diesen Bereichen zu beenden. 

"Die Behörden sind verpflichtet, alle Programme zur finanziellen Unterstützung – darunter auch Forschungsstipendien und Verträge – zu überprüfen und bis zum 10. Februar eine Liste verdächtiger Aktivitäten an das Office of Management and Budget (OMB) zu übermitteln", heißt es dazu im Wissenschaftsmagazin "Science". Einige Universitäten würden Forschenden derzeit dazu raten, Reiseaktivitäten und Ausgaben für laufende Förderprojekte und Stipendien auszusetzen. "Dieses Memo ist ein übermäßig weit gefasster Erlass, der unnötig und schädlich ist", warnt Mark Becker, Präsident der Association of Public and Land-grant Universities, gegenüber "Science". Das Magazin erläutert, dass nach US-Gesetz Forschungsstipendien eine Erstattung für bereits angefallene Kosten sind. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würden zunächst Forschungsmaterialien bereitstellen, Doktorandinnen und Doktoranden bezahlen oder Laborgeräte kaufen – erst dann beantrage die Universität die Rückerstattung der Mittel. 

Die National Science Foundation (NSF) hat "Science" zufolge als einzige Behörde bereits einen komplexen, mehrstufigen Prozess entwickelt, um bereits bewilligte Stipendien und Förderungen gemäß Trumps Anti-DEI-Anordnung zu überprüfen. Dazu seien Mitarbeitende damit beauftragt worden, die bewilligten Anträge anhand einer Liste von Schlüsselwörtern zu überprüfen, darunter "Diversität", "Inklusion", "Trauma", "Frauen" und "Rasse". Diese erste Prüfung habe rund 1.200 Stipendien ergeben, die zwei oder mehr potenzielle Warnbegriffe enthalten hätten. Einige dieser Projekte müssten möglicherweise angepasst werden, damit die Forschenden ihre Arbeit fortsetzen können, ohne gegen die Exekutivanordnung zu verstoßen. Die Vergabe neuer Förderungen sei seit Trumps Amtseinführung eingestellt worden. Die NSF hat dem "Tagesspiegel" zufolge zwischenzeitlich Zahlungen an Forschende gestoppt mit der Begründung, sie müsse prüfen, wie ihre Zuschüsse mit den Anordnungen von Präsident Trump übereinstimmten. Projekte zu Umweltthemen seien bislang noch von der Prüfung ausgeschlossen. 

Auch die US-Gesundheitsbehörde (Centers for Disease Control and Prevention, CDC) folge der neuen Linie und habe wissenschaftliche Arbeiten von CDC-Forschenden zurückgezogen, berichtet der "Tagesspiegel". Zudem seien wichtige Datensätze von der CDC-Webseite verschwunden, darunter Statistiken zum Humanen Immundefizienz-Virus (HIV), zu sexuell übertragbaren Krankheiten und zur Wasserqualität. Die Behörde erklärt auf ihrer Homepage: "Die Website der CDC wird derzeit geändert, um den Anordnungen von Präsident Trump zu entsprechen." Dem Fachmagazin "Nature" zufolge, zog auch die mit 37.000 Mitgliedern sehr große amerikanische Gesellschaft für Mikrobiologie (ASM) einige Artikel teils zeitweise, teils längerfristig von ihrer Website zurück. Andere Gesellschaften wiederum hätten Stellungnahmen zu den Themen Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion veröffentlicht. 

"Wir waren einfach nicht darauf vorbereitet, wie schnell es umgesetzt werden würde", zitiert "Die Zeit" Neil Gross, Soziologieprofessor am Colby College in Maine. Er vergleicht das Vorgehen mit der militärischen Taktik "shock and awe", bei welchem der Gegner durch massive Schläge gelähmt werden soll. In der Wochenzeitung kommt auch Literaturwissenschaftler Christoph Irmscher, Professor an der Indiana University Bloomington, mit seinen Befürchtungen zu Wort, dass neue Pflichten, welche durch die republikanische Regierung in Indiana bereits bestünden, nun auch bundesweit eingeführt werden könnten. Dazu zähle, dass Professorinnen und Professoren konservative Positionen in den Lehrplan einbeziehen müssten und dies auch regelmäßig überprüft werde. Ähnlich wie in Florida, Ohio oder Oklahoma spüre man hier bereits, wie die republikanische 180-Grad-Wende aussehen könnte.

Wissenschaftsfreiheit

Wie steht es um die akademische Freiheit? Ausgewählte Artikel über Entwicklungen und Diskussionen zum gesetzlich verankerten Recht finden Sie in unserem Themenschwerpunkt Wissenschaftsfreiheit.

Rigide Migrationspolitik gefährdet Studierende und Forschende 

Rund 400.000 Studierende ohne Papiere müssten laut Trump-Erlass mithilfe der Universitäten abgeschoben werden, schätzt "Die Zeit". Das Heimatschutzministerium Homeland Security gibt auf seiner Website bekannt, "Kriminelle werden sich nicht mehr in Amerikas Schulen und Kirchen verstecken können, um einer Verhaftung zu entgehen". Einer Anordnung Trumps folgend sind auch Universitäten nicht länger Refugien für Menschen ohne staatlich dokumentierte Aufenthaltsgenehmigung, berichtet "University Business". 

Schon zu Beginn des Jahres hatte die präsidiale Allianz für Hochschulbildung und Einwanderung (Presidents' Alliance on Higher Education and Immigration) laut "University Business" ein Webinar für Hochschulleitungen angeboten, um mehr über die Rechte von Studierenden und Mitarbeitenden, den Schutz ihrer Daten, Rechtshilfe und Abschiebungsschutz zu erfahren. Begleitend wurde ein Zehn-Punkte-Plan veröffentlicht, wie Hochschulleitungen die Daten ihrer Studierenden über ihren Einwanderungsstatus vor dem Zugriff der Behörden schützen können – unter anderem mittels eigener Hochschul-Policies gemäß dem Beispiel der University of California. 

Miriam Feldblum, Geschäftsführerin der präsidialen Hochschulallianz, betonte in einer Pressemitteilung kurz nach Trumps Amtseinführung die Bedeutung von Menschen mit Migrationshintergrund – ob mit oder ohne Papiere – für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes: "Die USA stehen vor einem immensen Talentbedarf, um unsere globale wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten, Innovationen voranzutreiben, Arbeitskräftemangel zu beheben und ausgebildete und engagierte Arbeitskräfte zu produzieren. Hochschuleinrichtungen und Maßnahmen, die es Studenten ohne Papiere, internationalen Studenten und Flüchtlingen ermöglichen, in diesem Land zu studieren und erfolgreich zu sein, sind wesentliche Bestandteile, um unserer Nation zu helfen, diese Chancen zu nutzen." Man hoffe auf Präsident Trump Willen, weiterhin H-1B-Visa und globale Talente teils mit speziellen Greencards zu unterstützen, so dass auch die als Minderjährige illegal eingewanderten "Dreamers" bleiben und erfolgreich sein könnten, so Feldblum. 

Schutzversuche für die Wissenschaft aus dem Parlament 

Am 7. Februar hat eine parteiübergreifende Gruppe von Abgeordneten das Scientific-Integrity (SI)-Gesetz im Kongress eingebracht, das die Wissenschaft auf Bundesebene vor politischer Einmischung schützen könnte. Demnach sollen Bundesbehörden, die wissenschaftliche Forschung finanzieren, durchführen oder beaufsichtigen, zu Schutzmaßnahmen verpflichtet werden, um die Unterdrückung oder Veränderung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu politischen oder finanziellen Zwecken zu verhindern. 

Eine prüfende Aufsichtsinstitution solle demzufolge das Büro für Wissenschafts- und Technologiepolitik (OSTP) der US-Regierung sein, das regulär bundesstaatliche Wissenschaftspolitik samt ihrer Finanzierung koordiniert. 

Dr. Jennifer Jones, Direktorin des Zentrums für Wissenschaft und Demokratie der Union of Concerned Scientists (UCS), begrüßt in einer aktuellen Stellungnahme diese parlamentarische Initiative: "Der Scientific Integrity Act war noch nie so dringend notwendig wie heute. In den ersten Wochen seiner Amtszeit hat Präsident Trump eine eklatante Missachtung der Wissenschaft und des Fachwissens der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Tag gelegt." Das Gesetz zur wissenschaftlichen Integrität würde sicherstellen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse die Entscheidungsfindung auf Bundesebene bestimmen. "Wir fordern den Kongress auf, den Scientific Integrity Act rasch zu verabschieden", schließt Jones an. Die Öffentlichkeit verdiene eine Politik zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, Sicherheit und Umwelt, die auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhe. 

Ausblick: Auswandern nach Deutschland als Option für Forschende 

Die Max-Planck-Gesellschaft meldet laut Medienberichten vom 8. Februar zunehmende Anfragen von Forschenden aus den USA. Für ihren Präsidenten Professor Patrick Cramer ist demnach auch das aktive Werben um die klugen Köpfe aus den Staaten kein Tabu. Seiner Ansicht nach wäre die Max-Planck-Gesellschaft ohne internationale Fachkräfte nicht arbeitsfähig, so dass für ihn auch die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft attraktiv erscheint, "um Topleute hier zu halten".

 

aktualisiert am 14. Februar, erstmals veröffentlicht am 10. Februar 2025

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