Flaggen der Länder Dänemark, Schweden, Norwegen
mauritius images / Volker Pape / Alamy / Alamy Stock Photos

Sicherheitsrelevante Forschung
Sicherheits-Management in Skandinavien

Skandinavische Länder versuchen, Risiken in internationalen Forschungskooperationen zu reduzieren. Zuletzt hat Dänemark Empfehlungen veröffentlicht.

07.06.2022

Ein dänisches Komitee hat Ende Mai neue Richtlinien veröffentlicht, die die internationale Forschungszusammenarbeit sicherer gestalten sollen. So soll etwa die Nutzung von Forschungsergebnissen durch das Militär im Partnerland verhindert werden, wie das Onlinemagazin "University World News" berichtet.

Das Komitee für Richtlinien in internationaler Forschung und Innovations-Kollaborationen (URIS) bezieht seine Empfehlungen zwar nicht auf bestimmte Länder oder Regionen, allerdings stellt das dänische Forschungsministerium in einer Pressemitteilung einen Bezug zu China her. URIS ist dem Ministerium unterstellt und wird von Leitungen dänischer Universitäten und Förderinstitutionen unter dem Vorsitz eines Mitgliedes des Forschungsministeriums gebildet.

Der URIS-Report empfiehlt laut Mitteilung des Ministeriums ein verstärktes Bewusstsein der Institutionen für ethische und wirtschaftliche Risiken sowie Sicherheitsbedenken, einen organisatorischen Rahmen für das Risikomanagement und eine bessere Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Regierungseinrichtungen und Forschungsinstitutionen in Dänemark. Als konkrete Handlungsempfehlung mahnt der Report zu Aufmerksamkeit: Forschende müssten potenziell problematische Forschung erkennen, sich über ihre Projektpartner informieren und hinterfragen, warum es zu der Kooperation kommt. Sie sollten sich, ihre Forschung, Institution, Mitarbeitende und Studierende schützen und über die Kontrollvorschriften zum Export von Forschungsinhalten informiert sein.  

Sicherheit in internationalen Forschungskooperation in Skandinavien

Laut "University World News" stehen die dänischen Bemühungen im Kontext der Aktivitäten der übrigen skandinavischen Länder, die ebenfalls internationale Forschungskooperationen sicherer gestalten möchten. So habe Schweden 2020 einen eigenen Report zum Thema veröffentlicht, der jedoch keine Richtlinien angibt. In Finnland habe das Bildungs- und Kulturministerium im Dezember vergangenen Jahres Handlungsempfehlungen für die Forschungskooperation mit China veröffentlicht, die auf Erkenntnissen des finnischen Geheimdienstes beruhen. In Norwegen ist eine Regelung noch in Planung: Die Regierung hat laut Bericht vorgeschlagen, dass sich Universitäten um eine Exportlizenz bewerben müssten, wenn sie in Norwegen produziertes Wissen in andere Länder exportieren möchten. Bis Ende Juni 2022 werden demnach Reaktionen auf diesen Vorschlag gesammelt. Es sei dabei noch unklar, welche Länder die Regelung betreffen könnte.

Einige Hochschulmitglieder haben sich allerdings bereits kritisch zu den Regelungen geäußert. Professor Ole Petter Ottersen, Präsident des Karolinska Instituts in Schweden, wird von "University World News" mit einer Warnung zitiert: Der dänische Report drücke ein Misstrauen gegenüber den Universitäten aus. Er stelle ihre Fähigkeit, verantwortungsbewusst zu internationalisieren, in Frage. Aus Misstrauen entstünden zudem schnell Einschränkungen der Forschungsfreiheit.   

Sicherheitsmanagement in der deutschen Forschung

Auch hierzulande werden chinesische Institutionen als Kooperationspartner kritisch betrachtet. Deutsche Wissenschaftsorganisationen haben in den vergangenen Jahren Empfehlungen für die internationale Forschungskooperation ausgesprochen, die nebeneinander existieren – sowohl allgemeiner Natur, als auch konkret zu China. Vorschriften, wie sie etwa in Norwegen diskutiert werden, sind allerdings aufgrund des hohen Stellenwerts der Wissenschaftsfreiheit nicht denkbar. Die Empfehlungen der deutschen Organisationen betonen, dass die verantwortliche Beurteilung der Sicherheit der Forschungskooperationen bei den einzelnen Hochschulen und Forschenden liegt.

So haben die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Nationale Akademie der Wissenschaften – Leopoldina 2022 als "Gemeinsamer Ausschuss zum Umgang mit Sicherheitsrelevanter Forschung" eine Handreichung erstellt, die die Gefahren des Missbrauchs von Forschungsergebnissen zu schädigenden Zwecken beschreibt. Darin empfehlen sie die Beratung und Bewertung entsprechender Forschungsvorhaben durch lokale Kommissionen für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung. Auch müssten Studierende frühzeitig für sicherheitsrelevante Aspekte der Forschung sensibilisiert werden.

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) bietet über sein 2018 gegründetes Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi) Beratung zu möglichen Risiken an. Mit dessen Publikation "Keine rote Linien" von 2020 sollen Hochschulen eine eigenständige Risiko- und Chancenabwägung in internationalen Kooperationen erlernen, die unterschiedliche Faktoren berücksichtigt: die Sicherheitslage, die allgemeinpolitische Gebotenheit der Kooperation, etwa das Verhältnis des Partnerlandes zur EU und zu Deutschland und etwaige Sanktionen, den rechtsstaatlichen und gesellschaftspolitischen Rahmen und die Chancen und Risiken des jeweiligen Wissenschaftssystems.

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat ebenfalls 2020 Standards für internationale Hochschulkooperationen beschlossen, sowie gesonderte Leitlinien für Kooperationen mit China, die Hochschulangehörige für besondere Aspekte in der Wissenschaftskooperation mit Forschenden in der Volksrepublik sensibilisieren sollen. Darunter finden sich auch Hinweise zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung, wie Risikoanalyse und Risikominimierung und Compliance. Die kürzlich veröffentlichten Recherche-Ergebnisse der "China Science Investigation" zeigen allerdings, dass die Leitlinien der deutschen Forschungsorganisationen nicht ausreichen: Ergebnisse aus Forschungskooperationen zwischen deutschen und chinesischen Forschungsinstitutionen werden in gewichtiger Zahl in China für militärische Zwecke genutzt.

cpy