Einige Protestierende mit Pro-Science-Plakaten.
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Wissenschaftsfreiheit USA
Solidarität und Widerstand gegen Angriffe auf die Wissenschaft

WR und HRK zeigen sich solidarisch mit den unter Druck geratenen US-Forschenden. In den USA formieren besorgte Forschende und Gerichte die Gegenwehr.

09.04.2025

Die wissenschaftsfeindliche Politik der Regierung Trump ist eine ernsthafte Bedrohung für die amerikanische und internationale Wissenschaftsgemeinschaft. So formulieren es der Wissenschaftsrat (WR) und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in einer gemeinsamen Presseerklärung am Mittwoch. Sie kritisieren Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit und erklären ihre Solidarität mit US-amerikanischen Einrichtungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Wissenschaftsfreiheit gehöre zum Kern jeder freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. 

Die beiden Wissenschaftsorganisationen warnen vor den schwerwiegenden Folgen der populistischen und weitreichenden Angriffe auf die Freiheit der Wissenschaft. Die massive Kürzung von Mitteln sowie die Entlassung zahlreicher Mitarbeitenden bedrohe eine große Zahl akademischer Einrichtungen und Disziplinen in ihrem Bestand. Davon betroffen seien aktuell insbesondere die Gesundheits- und Klimaforschung sowie Teile der Geistes- und Sozialwissenschaften. Aber auch jedes andere Forschungsgebiet sei potentiell bedroht. Die Angst vor negativen beruflichen und persönlichen Folgen führe zu einem Klima der Einschüchterung und der Selbstzensur. 

Wissenschaft ist international, heißt es in der Solidaritätsbekundung weiter. Die USA seien seit Dekaden ein wichtiger Partner Deutschlands und zahlreicher anderer Forschungsnationen weltweit. Ihre Einrichtungen und ihre Infrastruktur sind WR und HRK zufolge essenziell für die globale wissenschaftliche Zusammenarbeit. Der Angriff darauf und der damit verbundene Vertrauensverlust gefährdeten den wissenschaftlichen Fortschritt und die Lösung globaler Herausforderungen. "Ein Angriff auf die Wissenschaft in einem Land ist immer ein Angriff auf die globale Wissenschaftsgemeinschaft", formulieren die beiden Institutionen. 

Neueste Einschränkungen für Hochschulen und Studierende 

Zuletzt hat die Trump-Regierung Zuschüsse der Cornell Universität in Höhe von einer Milliarde Dollar und der Northwestern Universität in Höhe von 790 Millionen Dollar ausgesetzt, berichten verschiedene Medien. Damit reihen sich die beiden Universitäten in eine wachsende Liste von Hochschulen ein, deren Finanzierung ausgesetzt oder gestrichen wurde. Vor kurzem seien unter anderem der Princeton Universität 210 Millionen Dollar "wegen ihres Umgangs mit Antisemitismus auf dem Campus" entzogen worden. 

Die Trump-Regierung hat außerdem die Harvard Universität aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um weiterhin Bundesmittel zu erhalten, meldet Inside Higher Education. Dazu gehöre die Pflicht, notwendige Änderungen an Studiengängen vorzunehmen, die "antisemitisches Verhalten schüren". Das solle dazu dienen, "Vorurteile zu beseitigen, die Vielfalt der Standpunkte zu verbessern und die ideologische Vereinnahmung zu beenden". Obwohl keine konkreten Programme genannt worden seien, habe die Hochschule direkt reagiert: Die Leitung des Center for Middle Eastern Studies sei ausgetauscht, zwei weitere Nahost-Programme gestoppt und eine Partnerschaft mit der palästinensischen Birzeit-Universität nicht verlängert worden. Ein Sprecher der Universität erklärte gegenüber Inside Higher Education, man wolle sicherstellen, dass mehr Stimmen in der Erforschung des Nahen Ostens gehören würden. 

Die Maßnahmen und Forderungen hätten Times Higher Education zufolge zu großer Besorgnis in der akademischen Welt geführt. Aslı Bâli, Präsidentin der Middle East Studies Association, habe von einem Klima der Einschüchterung und Angst gesprochen. Auch an der Columbia Universität stehe das Institut im Fokus, das sich mit dem Nahen Osten, Südasien und Afrika beschäftigt (Middle Eastern, South Asian, and African Studies, MESAAS). Nach Kürzungen von 400 Millionen Dollar an Bundesmitteln sollte MESAAS unter akademische Zwangsverwaltung gestellt werden. Die Columbia Universität kündigte stattdessen eine interne Überprüfung an. 

Widerstand besorgter US-Forschender 

Die US-amerikanische Vereinigung besorgter Forschender (Union of Concerned Scientists, UCS) zeigt sich seit Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump im Einsatz für die Wissenschaft – zunächst mit der Kampagne "Save Science, Save Lives". Zudem waren sie im März an der "Stand Up for Science"-Kundgebung mit landesweite Protestaktionen beteiligt. Aktuell stellt die UCS vorformulierte Protestbriefe an Abgeordnete des Kongresses als Online-Formular zur Verfügung. Die neuesten Varianten wenden sich gezielt gegen Trump und seinen Berater Elon Musk. Im Visier stehen dabei die umstrittenen Aktivitäten im neu geschaffenen Department of Government Efficiency (DOGE), einer Behörde für Regierungseffizienz. 

Trump habe "einen nicht gewählten Milliardär und Spender in die Lage versetzt, die Kontrolle über wichtige Regierungsfunktionen zu übernehmen und gleichzeitig die öffentliche Transparenz und Rechenschaftspflicht zu eliminieren", heißt es seitens UCS. Der Präsident habe hierfür die DOGE-Aktivitäten außerhalb der Reichweite des Informationsfreiheitsgesetzes (Freedom of Information Act, FOIA) gestellt. Dieses Gesetz gewährt Bürgerinnen und Bürgern das Recht, Unterlagen und Informationen der Bundesregierung einzusehen und ist mit dem deutschen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) vergleichbar, welches in der sogenannten Fördergeldaffäre häufig zur Herstellung von Transparenz in Anspruch genommen wurde. 

Die von UCS formulierten Vorwürfe: Forschungsprojekte und Zuschüsse seien abrupt gestoppt worden. Es seien Mittel betroffen, "die der Kongress bereits bewilligt hat, um sie an lokale Krankenhäuser, Universitäten und Forschungseinrichtungen für grundlegende Wissenschaft, Forschung und Programme zu übergeben". Unabhängig von der jeweiligen Parteizugehörigkeit sollen die Kongressangehörigen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, "um den illegalen und verfassungswidrigen Versuch zu stoppen, vom Kongress genehmigte Gelder zurückzuhalten", so fordert es die UCS. 

Juristischer Gegenwind bei Festnahmen von Studierenden 

Auch im Fall des inhaftierten Studenten Mahmoud Khalil gibt es Versuche, der Politik Trumps auf dem Gesetzesweg Einhalt zu gebieten. Richterin Jamee Comans hat der Trump-Regierung gerichtlich ein Ultimatum gesetzt: Bis zum Nachmittag des 9. Aprils seien Beweise vorzulegen, warum Mahmoud Khalil, Greencard-Inhaber und Absolvent der Columbia Universität, abgeschoben werden müsse, meldet The Guardian. Khalil gilt laut Medienberichten als einer der Anführer der pro-palästinensischen Proteste an der Columbia Universität im vergangenen Jahr. Er sei am 8. März von Mitarbeitenden der Einwanderungsbehörde (Department of Homeland Security, DHS) festgenommen worden mit der Begründung, dass seine Anwesenheit negative außenpolitische Folgen habe. 

Khalils Anwalt Mark Van Der Hout sagte The Guardian zufolge, er hätte vor mehr als zwei Wochen Beweise des DHS für die Anschuldigungen verlangt und keine Antwort erhalten. Er und sein Mandant könnten kein Plädoyer der Verteidigung formulieren, bis ihnen die spezifischen Anschuldigungen bekannt seien. Die Richterin habe klar gemacht, dass sie am Freitag über Khalils Freilassung aus der Einwanderungshaft entscheiden werde, wenn die Beweise bis Mittwochnachmittag nicht vorlägen. 

Das öffentliche Interesse am Fall sei groß: Fast 600 Personen hätten an dem gerichtlichen Video-Call teilgenommen und noch mehr hätten Interesse daran gehabt. Weiteren etwa 300 internationalen Studierenden sei bundesweit innerhalb der letzten Tage das Aufenthaltsrecht entzogen worden, so berichtet The Chronicle of Higher Education unter Bezug auf Campus-Mitteilungen und Medienberichte.

cva