Fördergeld-Affäre
Stark-Watzinger hält Affäre für aufgeklärt
*** Update vom 16. September: ***
Neue Teile aus Wire-Kommunikation publik geworden
- Die Staatssekretärin a.D. Professorin Sabine Döring verlangt in einer Mail an das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zwei Tage nach der Sondersitzung des Bildungsausschusses zur sogenannten Fördergeld-Affäre die Veraktung von entscheidungsrelevanten Vorgängen, deren Aufnahme in die Aktenführung sie bereits am 19. Juli eingefordert habe. So berichteten am Wochenende die Tagesschau und andere Medien. Döring beziehe sich in ihrer Mail auf eine Aussage von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger während der Sondersitzung, dass die Kommunikation über Messenger dann zu verakten sei, falls sich daraus etwas dienstlich ableite. Döring argumentiere, die Kommunikation sei relevant für ihren eigenen Fall.
- Döring habe in ihrer Mail vom 12. September ans BMBF explizit Bezug genommen auf Passagen aus der Chat-Kommunikation zwischen dem 9. Mai und dem 14. Juni, welche sie über bisherige Ergebnisvermerke hinaus als Screenshots an die Mail angehängt habe.
- Im Rahmen der Messenger-Kommunikation spekulieren mehrere Personen der Leitungsebene über die Auslegung des Begriffs "Wissenschaftsfreiheit" und die Möglichkeiten, "offensiv" gegen "offenkundige Probleme" vorzugehen – dies geht aus Chat-Zitaten hervor, die am 15. September unter anderem in der FAZ veröffentlicht worden sind.
- Darüber hinaus gibt es der Tagesschau und anderen Medien zufolge deutliche Hinweise darauf, dass die Entschuldigungs-Mail Dörings, welche schließlich zu ihrer Entlassung geführt hatte, maßgeblich durch die Leitungsebene inhaltlich formuliert worden ist. Dazu gehöre die Umformulierung von "verfassungsrechtlicher Prüfung" in "rechtliche Prüfung".
*** Stand vom 12. September: ***
In einer Sondersitzung am 10. September hat der Bildungsausschuss des Bundestags Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger erneut zur sogenannten Fördergeld-Affäre befragt. Neue Fakten traten bei der Befragung nicht zu Tage.
In ihrer einleitenden Stellungnahme wiederholte Stark-Watzinger ihre Einschätzung, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bereits "umfassend Transparenz hergestellt" habe. "Zwischenzeitlich wurde aber auch sehr viel gemutmaßt und es gab Unterstellungen", führte die Ministerin weiter aus. Es handele sich dabei um Spekulationen und unbelegte Falschinformationen, die sie gerne zurückweisen möchte.
"Zwischenzeitlich wurde aber auch sehr viel gemutmaßt und es gab Unterstellungen."
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger
Zu Beginn der Sitzung erläuterte der Ausschussvorsitzende Kai Gehring die Entscheidung der Obleute, die BMBF-Staatssekretärin a.D., Professorin Sabine Döring, nicht für eine Aussage eingeladen zu haben. Zum einen besitze ein Fachausschuss nicht die Befugnisse eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, zum anderen wiege die beamtliche Verschwiegenheitspflicht schwer. Döring war gleichwohl als Besucherin bei der heutigen Sitzung anwesend.
Im Ausschuss ging es nach wie vor um die Frage, ob und wie die Ministerin in Vorgänge in ihrem Haus im Zusammenhang mit einem Protestbrief von Berliner Dozentinnen und Dozenten, die die Räumung eines propalästinensischen Camps an der FU Berlin kritisiert hatten, eingebunden war und wer an hoher Stelle im Hause um Prüfung gebeten hatte, inwieweit Aussagen im Protestbrief strafrechtlich relevant seien und ob das Ministerium als Konsequenz Fördermittel streichen könnte.
Die Chronologie der Geschehnisse gemäß Stark-Watzinger
Stark-Watzinger skizzierte die Chronologie der Fördergeld-Affäre aus ihrer Sicht. Demnach sei der von Döring am 13. Mai getätigte Telefonanruf mit Prüfauftrag Anlass für die Missverständnisse rund um eine förderrechtliche Prüfung gewesen. Sie selbst habe nur um eine allgemeine rechtliche Einschätzung des Offenen Briefes gebeten. Auch bei der vom BMBF-Abteilungsleiter "Hochschulen- und Wissenschaftssystem; Bildungsfinanzierung" angeforderten Liste von Unterzeichnenden des Offenen Briefs, die staatliche Förderung beziehen, sei es lediglich darum gegangen, auf mögliche Anfragen in der anberaumten Pressekonferenz reagieren zu können.
"Ich halte fest: Eine potenzielle förderrechtliche Prüfung war weder von mir beauftragt, noch von mir gewollt. Das ist die belegte Faktenlage", resümierte Stark-Watzinger in ihrer Stellungnahme. Eine zweite wichtige Feststellung sei, dass die förderrechtliche Prüfung auf einen missverständlich erteilten Prüfauftrag zurückgegangen sei, welcher allerdings noch am selben Tag gestoppt worden sei.
"Eine potenzielle förderrechtliche Prüfung war weder von mir beauftragt, noch von mir gewollt. Das ist die belegte Faktenlage."
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger
Abschließend betonte die Ministerin, dass es "nichts Neues in der Sache" gebe, sie aber dennoch für Fragen im Rahmen parlamentarischer Auskunftsrechte zur Verfügung stehe. Fördermittel würden stets nach wissenschaftlicher Exzellenz vergeben und nicht nach politischer Weltanschauung. Sie machte ihre Position deutlich, dass es wichtigere Themen gebe als die erneute Beleuchtung dieser bereits aufgeklärten Sachverhalte. Beispiele hierfür seien Antisemitismus in der Gesellschaft und an Hochschulen. "Natürlich sind Hochschulen Orte von freien Debatten. Freies Denken und freier Diskurs – dazu mag sogar auch der Streit gehören – aber in der Sache und nicht gegen Personen", konstatierte sie. Es seien klar Grenzen überschritten worden bei den propalästinensischen Protestcamps.
Kritische Nachfragen aus dem Ausschuss
Oliver Kaczmarek, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, startete die Fragerunde mit der Feststellung, dass es bei der Sondersitzung um nichts Geringeres gehe als klarzustellen, dass keine förderrelevante Bewertung von Meinungen Forschender seitens des BMBF stattfinden würde. Er wollte von der Ministerin unter anderem wissen, welche Konsequenzen die Forschenden zu erwarten gehabt hätten, wäre die rechtliche Prüfung des Offenen Briefes positiv ausgefallen. Stark-Watzinger betonte, "dass förderrechtliche Konsequenzen für lediglich kritische Meinungsäußerungen nicht in Frage kommen". Das wisse jeder im BMBF. Die Prüfung habe lediglich den Zweck gehabt, sprechfähig in der öffentlichen Debatte zum Offenen Brief zu sein. Die SPD schlug vor, die Akten vollumfänglich einsehbar und ohne Schwärzungen in der Geheimschutzstelle des Bundestages auszulegen.
Unionspolitiker Thomas Jarzombek stellte als wesentliche Fragestellung heraus, warum es auf Forderung des Leiters der Abteilung "Hochschulen- und Wissenschaftssystem; Bildungsfinanzierung" im BMBF (Dr. Jochen Zachgo, Anm. der Red.) eine Liste von "möglicherweise zu sanktionierenden" Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gegeben habe. "Offenkundig sind Vorgänge hier nicht veraktet. Das finde ich extrem problematisch", ergänzte er. Die Bildungsministerin warf ihm daraufhin vor, Vorgänge miteinander zu vermischen. Die Übersicht sei rein dafür beauftragt worden, um innerhalb der Abteilung einen Informationsstand zu haben. Seine Frage sei somit hinfällig. Der CDU-Abgeordnete Stephan Albani erklärte, dass man "Zweifel an den Äußerungen der Ministerin" habe. Beide Unionspolitiker forderten die Offenlegung der internen Chatverläufe, da sie dienstliche und damit sachrelevante Inhalte umfassten. Stark-Watzinger stellte daraufhin fest: "Alles, was relevant ist für die dienstlichen Zwecke, wird veraktet. Ich kommentiere private Nachrichten nicht." Sie wiederholte ihren Vorwurf der Falschbehauptungen.
"Offenkundig sind Vorgänge hier nicht veraktet. Das finde ich extrem problematisch."
Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU
Für Bündnis 90/Die Grünen betonte Laura Kraft die Notwendigkeit, den entstandenen Vertrauensverlust auszuräumen: "Welche Schritte haben Sie eingeleitet, um das Vertrauen in der Wissenschaftscommunity aufzubauen?", fragte sie die Ministerin. Diese gab ihrem Willen Ausdruck, im Vertrauen mit der Wissenschaft die großen Herausforderungen im persönlichen Dialog zu besprechen.
"Welche Schritte haben Sie eingeleitet, um das Vertrauen in der Wissenschaftscommunity aufzubauen?"
Laura Kraft, Bündnis 90/Die Grünen
Im Namen der FDP begrüßte Stephan Seiter die rechtliche Prüfung des Offenen Briefes explizit: "Denn es ist ganz klar: Auch an unseren Hochschulen muss der Rechtsstaat gelten." Zudem befürworte man, dass Personalfragen nicht im öffentlichen Raum besprochen würden. Fragen an die Ministerin hatte er keine. Seine Parteikollegin Ria Schröder hob hervor, dass Frau Döring sich bereits in der Öffentlichkeit in Widersprüche verstrickt habe und "es auch dem Schutz von Frau Döring dient, dass sie hier nicht spricht". Die Verschwiegenheitspflicht schütze sie vor beamtenrechtlichen Konsequenzen.
Die AfD-Abgeordnete Nicole Höchst und Clara Bünger von der Linken kritisierten vor allem, dass Stark-Watzinger die ehemalige Staatsekretärin nicht von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden habe. Bünger wollte darüber hinaus wissen, wer den förderrechtlichen Prüfauftrag initiiert habe, da Döring dies laut aktuellen Medienberichten von sich weise. Die Bildungsministerin räumte ein, dass sie die letzten öffentlichen Aussagen von Frau Döring nicht kenne, aber erneut deutlich machen wolle, dass es bei Dörings Telefonat ein Missverständnis bezüglich des Prüfauftrags gegeben habe.
Döring bewertet eigene Rolle nach Gerichtsurteil neu
Nachdem das Verwaltungsgericht Minden einen Eilantrag der ehemaligen Staatssekretärin gegen Aufhebung ihrer Verschwiegenheitspflicht zurückgewiesen hatte, äußerte sich Döring diese Woche in einer Stellungnahme, die "Forschung & Lehre" vorliegt: "Kaum noch jemand aus Wissenschaft und Fachpresse glaubt, dass ich einen förderrechtlichen Prüfauftrag erteilt hätte. Nun versteht selbst das Verwaltungsgericht Minden die Pressemitteilung des BMBF so, dass ich es nicht war."
"Kaum noch jemand aus Wissenschaft und Fachpresse glaubt, dass ich einen förderrechtlichen Prüfauftrag erteilt hätte."
BMBF-Staatssekretärin a.D., Professorin Sabine Döring
Sie habe sich immer nur mit der Frage beschäftigt, ob der Offene Brief das Gewaltmonopol des Staates in Frage stelle und ob die Wissenschaftsfreiheit auch durch politische Aktivisten eingeschränkt werden könne. Dass es durch ihr Handeln zu einem sogenannten "Missverständnis" gekommen sei, schließe sie aus. Sie habe alle relevanten Vorgänge veraktet. "Das schließt die betreffenden Wire-Chat-Verläufe ein. Wire benutze ich privat nicht", stellte sie heraus.
*** Update vom 12. September: ***
Kritische Bewertungen im Nachklang der Sitzung
Der Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), Professor Lambert T. Koch, hält viele Fragen weiterhin für ungeklärt: "Wer hat was wann beauftragt und warum musste Staatssekretärin Döring überhaupt gehen, wenn der förderrechtliche Prüfauftrag nur auf einem angeblichen Missverständnis beruhte?" Aus seiner Sicht bleibe die Ministerin schlüssige Antworten schuldig und "fährt stattdessen eine ermüdende und Ressourcen verbrennende Hinhaltetour." Darüber hinaus verdonnere sie die in den Ruhestand versetzte Staatssekretärin zum Schweigen. "Sie suggeriert, dass man ihr als Ministerin Unrecht tue, bleibt dafür aber überzeugende Beweise schuldig", bewertet Koch den Aufklärungsstand weiter als ungenügend. "Stark-Watzingers politisches Überleben hängt damit weiterhin am seidenen Faden. Ihre Kreditwürdigkeit in der Wissenschaft verspielt sie unabhängig davon weiter. Das ist fatal."
"Sie suggeriert, dass man ihr als Ministerin Unrecht tue, bleibt dafür aber überzeugende Beweise schuldig."
Professor Lambert T. Koch, DHV-Präsident
Nähere Kenntnisse über einen zeitnahen Austausch in der sogenannten Fördergeld-Affäre mit der Wissenschaft würden dem DHV als fächerübergreifend größter Berufsvertretung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht vorliegen. "Was die Wissenschaft aber gerade in diesen herausfordernden Zeiten benötigt, ist eine unbelastete und dialogbereite Ministerin, die endlich ihre eigentlichen Aufgaben angeht."
In verschiedenen Medienberichten wurde bereits im Vorfeld der Sitzung spekuliert, ob die Union bei unzureichender Beantwortung offener Fragen einen Untersuchungsausschuss anstreben würde. Dem erteilte der bildungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Jarzombek, in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" direkt im Anschluss an die Sondersitzung des Bildungsausschusses eine Absage: "Wenn die Dinge, um die es hier geht, mündlich passiert und nicht in Akten verschriftlicht sind, würden wir auch in einem Untersuchungsausschuss nicht schlauer werden. Da kann man sich die Ressourcen am Ende sparen." Er glaube, dass Stark-Watzinger ihr Vertrauen in der Wissenschaftscommunity verspielt habe.
Dieser Artikel wurde am 16. September um 12 Uhr aktualisiert (Erkenntnisse Messenger-Kommunikation). Erstmals aktualisiert wurde er am 12. September (Ergänzung Stimmen nach Ausschussitzung). Die Erstveröffentlichung war am 10. September.
Hintergründe der sogenannten Fördergeld-Affäre
Kernpunkt der seit dem 11. Juni 2024 anhaltenden Diskussionen um die Person Stark-Watzinger ist die Frage, ob und wie die Bundesbildungsministerin in Vorgänge im Zusammenhang mit einem Protestbrief von Berliner Hochschullehrenden eingebunden war, die die Räumung eines propalästinensischen Camps an der FU Berlin kritisiert hatten.
Stark-Watzinger hatte den im Mai veröffentlichten Brief via "Bild"-Zeitung scharf kritisiert. Später waren Dokumente aus ihrem Ministerium an die Öffentlichkeit gelangt, aus denen hervorging, dass an hoher Stelle im BMBF um Prüfung gebeten worden war, inwieweit Aussagen im Protestbrief strafrechtlich relevant seien und ob das Ministerium als Konsequenz Fördermittel streichen könnte.
cva