Fördergeld-Affäre
Stark-Watzinger allein und unter Druck bei erneuter Befragung
In der sogenannten Fördergeld-Affäre hat Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger einer erneuten Befragung im Bundestagsbildungsausschuss zugestimmt. Sie folge der Einladung zu einer Sondersitzung des Ausschusses am 10. September gern, um nochmals auf die Fragen der Ausschussmitglieder zu antworten, schrieb die FDP-Politikerin an den Ausschussvorsitzenden Kai Gehring (Grüne). Das Bundesbildungsministerium veröffentlichte das entsprechende Schreiben.
Vorwurf des fehlenden Aufklärungswillens
Die Bildungspolitiker der Unionsfraktion, Thomas Jarzombek und Stephan Albani, hatten bei Gehring am 31. Juli schriftlich eine Sondersitzung beantragt und darum gebeten, dass neben Stark-Watzinger auch die von ihr in den einstweiligen Ruhestand geschickte Staatssekretärin Sabine Döring und der für Hochschulen zuständige Abteilungsleiter aus dem Ministerium, Jochen Zachgo, eingeladen werden. Am 25. Juli hatte der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Jens Brandenburg auf eine Anfrage der Unions-Abgeordneten Katrin Staffler die bestehende Schweigepflicht der ehemaligen Staatssekretärin bestätigt: "Staatssekretärin Dr. Sabine Döring unterliegt als Beamtin im einstweiligen Ruhestand der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht, diese wurde nicht aufgehoben".
Die Union wirft Stark-Watzinger einen fehlenden Aufklärungswillen vor. "Nach unserer Wahrnehmung besteht eine mehrheitliche interfraktionelle Einigkeit darüber, dass eine lückenlose Sachverhaltsaufklärung die Voraussetzung dafür ist, verloren gegangenes Vertrauen in das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zurückgewinnen zu können", heißt es in dem Schreiben von Jarzombek und Albani. Man habe mit Sorge zur Kenntnis genommen, dass durch das Verhalten von Bundesministerin Stark-Watzinger der vergangenen Wochen aus einer anfänglichen Affäre im Bereich der Wissenschaftsfreiheit mittlerweile eine Ausweitung auf die Gebiete des Datenschutzes, der Rechtsstaatlichkeit, der Pressefreiheit und des Informationsfreiheitsgesetzes zu beobachten sei.
Zuletzt hatte das Bildungsministerium einen Fragen-Katalog von CDU und CSU nach deren Einschätzung nur ausweichend beantwortet. In einem parallel übermittelten Schreiben direkt an die beiden CDU-Abgeordneten, das Table.Media vorliege, lehne Staatssekretär Jens Brandenburg im Namen des BMBF die ebenfalls eingeforderte Akteneinsicht ab.
Erhöhter Druck: Ausschuss-Sondersitzung muss erhellen
Laut Wiarda haben die zwei Unionspolitiker in einem weiteren Schreiben an den Ausschussvorsitzenden, das dem Blog-Herausgeber exklusiv vorliege, um ein sogenanntes Umlaufverfahren gebeten. Gehring habe daraufhin bei den Fraktionsobleuten im Ausschuss schriftlich angefragt, bis zum 20. August (Dienstschluss) per Fraktionsbeschluss darüber zu entscheiden, ob Döring vom Ausschuss explizit eingeladen werden solle, ob Gehring im Namen des Ausschusses das Ministerium um Aktenübersendung bitten solle und wie das Gespräch mit der Ministerin in der Sondersitzung im September zu gestalten sei.
Gegenüber dem Tagesspiegel erklärte Jarzombek am 20. August darüber hinaus, dass er kein Verständnis dafür habe, warum die Bildungsministerin für die Beantwortung der Großen Anfrage der CDU/CSU (vom 7. Juli) so viele Wochen brauche. Dies lasse darauf schließen, dass es keine ordentliche Aktenführung gebe. In einem Schreiben der Bundesregierung heiße es, die Anfrage werde bis Ende September beantwortet. Jarzombek stellte laut Tagesspiegel in Aussicht, die Große Anfrage im Plenum des Deutschen Bundestages zu beraten, sollte die Sonderausschuss-Sitzung keine zufriedenstellenden Antworten liefern.
Ex-Staatssekretärin und Abteilungsleiter bleiben fern
Döring und der Abteilungsleiter werden dem Schreiben Stark-Watzingers zufolge nicht an der Sitzung teilnehmen. Das BMBF werde im Ausschuss von dessen politischer Leitung vertreten. Die Ministerin verwies bei Döring auf die Verschwiegenheitspflicht für Beamte auch nach Ende ihres Dienstverhältnisses und das verwaltungsgerichtliche Verfahren, das dazu derzeit läuft. Die Ex-Staatssekretärin versucht juristisch durchzusetzen, dass sie sich öffentlich zur Sache äußern darf.
"Auch wenn ihr die Sommerpause samt Olympiade entgegen kam, bleibt es dabei: Die Fördergeld-Affäre kann Bundesministerin Stark-Watzinger nicht aussitzen. Um gegenüber der Wissenschaft verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, wäre ein direktes Gespräch mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich in einem Offenen Brief gegen die Räumung eines propalästinensischen Protestcamps an der FU Berlin ausgesprochen haben, ein überfälliger Schritt", kommentiert Professor Lambert T. Koch, Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), den langwierigen Aufklärungsprozess gegenüber "Forschung & Lehre".
Ein solches Gespräch wäre aber nur glaubhaft, wenn zugleich alle bislang ungeklärten Vorgänge innerhalb des BMBF schonungslos aufgearbeitet und entsprechende Konsequenzen gezogen würden. "Dazu gehört aus Sicht des DHV auch, die in den Ruhestand versetzte Staatssekretärin Döring von ihrer Schweigepflicht zu entbinden. Gerade in einer Affäre, in der es um Meinungsfreiheit geht, ist ein faktischer Maulkorb für leitende Angestellte ein denkbar schlechtes Signal", betont der Verbandsvorsitzende.
Langer Streit um Umgang mit Protestbrief
Hintergrund der sogenannten Fördergeld-Affäre ist ein offener Brief von Hochschullehrenden, der die Räumung eines propalästinensischen Camps an der Freien Universität Berlin kritisiert. Bildungsministerin Stark-Watzinger hatte den Brief gerügt, da er ihrer Meinung nach den Terror der Hamas ausblende. Später wurde bekannt, dass das Ministerium überprüfte, ob der Brief strafrechtlich relevant ist und ob den Unterzeichnenden Fördermittel gestrichen werden könnten. Stark-Watzinger entließ daraufhin Staatssekretärin Döring, die die Prüfung nach Aussagen des BMBF initiiert hatte.
In den Wochen darauf hatte die Kritik an den Vorfällen und an Stark-Watzinger jedoch nicht nachgelassen, so dass sich die Ministerin unter anderem im Bildungsausschuss und im Rahmen einer Regierungserklärung im Bundestag rechtfertigen musste.
Dieser Artikel wurde am 20. August um 9:40 Uhr zum zweiten Mal aktualisiert (Ergänzung Tagesspiegel/Jarzombek). Eine erste Aktualisierung erfolgte am 19. August (Ergänzung Informationen Umlaufverfahren), am 15. August die Erstveröffentlichung.
cva/dpa