

Quantentechnologie
Start des Quantenjahrs in Deutschland
Das Jahr 2025 fällt mit dem 100. Jahrestag der Entwicklung der Methoden der Quantenmechanik zusammen. Mit der nationalen Eröffnungsveranstaltung am 14. Januar läutet die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) den Start der Aktivitäten zum internationalen Quantenjahr in Deutschland ein. Bei der öffentlichen und live übertragenen Veranstaltung in Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin blickt Physik-Nobelpreisträger Professor Wolfgang Ketterle (2001) mit seinem Vortrag auf den gesellschaftlichen Wert der Quantenwissenschaften. Quantentechnologien werden von Politik und Wissenschaft als Schlüsseltechnologie der Zukunft mit enormen Potenzial angesehen.
Quantentechnologie und Quantenwissenschaft beschäftigen sich mit den Prinzipien der Quantenphysik, die das Verhalten winziger Teilchen wie Atome und Licht beschreiben. Diese Teilchen können sich in mehreren Zuständen gleichzeitig befinden und sich verbinden. Das ermöglicht neue Technologien wie superschnelle Computer oder extrem präzise Messgeräte.
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) hat im vergangenen Sommer das Jahr 2025 in einer Resolution zum "Internationalen Jahr der Quantenwissenschaft und Quantentechnologie" erklärt. Die Quantenwissenschaft liefere einmalige Einblicke in das Verhalten der Materie und der Energie auf atomarer und subatomarer Ebene. Die Resolution wirbt bei allen Mitgliedsstaaten darum, das Jahr mit Aktivitäten zur Wissenschaftskommunikation sowie zum internationalen, interdisziplinären wissenschaftlichen Arbeiten zu begehen.
Die Generalversammlung betont in ihrem Beschluss, "dass eine verstärkte globale Zusammenarbeit, Sensibilisierung und Aufklärung im Bereich der Quantenwissenschaft und Quantentechnologie dabei helfen könnte, den Herausforderungen bei der Herbeiführung einer nachhaltigen Entwicklung und der Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung zu begegnen und in Ländern in aller Welt die Lebensqualität zu verbessern". Die Resolution weist nachdrücklich darauf hin, dass Quantenwissenschaft und Quantentechnologie für das wirtschaftliche Fortkommen entscheidend seien.
Quantenjahr 2025
Die offizielle Webseite des Quantenjahres in Deutschland quantum2025.de bündelt alle Veranstaltungen. Die DPG ruft alle interessierten Organisationen auf, eigene Veranstaltungen unter die Dachmarke des Quantenjahrs zu stellen und über das Veranstaltungsformular einzureichen.
Die politische Rolle der Quantentechnologien in Deutschland
Im April 2023 hat die Ampel-Regierung ressortübergreifend ein "Handlungskonzept Quantentechnologien" beschlossen. Sie hat dafür zusammen mit den Wissenschaftsorganisationen bis 2026 rund drei Milliarden Euro bereitgestellt. Es gehe darum, Quantentechnologien in die Anwendung zu bringen, die Entwicklung zielgerichtet voranzutreiben und "exzellente Rahmenbedingungen" zu schaffen, heißt es in einer Regierungsmeldung.
"Quantentechnologien werden vielfältige neue Möglichkeiten eröffnen: Von der Simulation neuer Wirkstoffe über abhörsichere Kommunikation bis hin zu neuartigen Sensoren, die Blindgänger aufspüren oder Navigation ohne Satellitenunterstützung ermöglichen", formuliert die Regierung im Handlungskonzept.
Mit dem Handlungskonzept wolle die Bundesregierung Deutschland in den Quantentechnologien einen Platz an der Weltspitze und die technologische Souveränität sichern, umschreibt die Presseerklärung die Ziele. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat im Dezember zum Thema Verteidigungsfähigkeit die Einschätzung geäußert, die Quantentechnologie liege im wesentlichen nationalen Sicherheitsinteresse Deutschlands und Europas.
Technologieleuchtturm Quantencomputing: Deutschland dabei
Studien zufolge könnte sich die Anwendung des Quantencomputing zuerst bei Optimierungsproblemen in Industrie und Logistik, nachfolgend in der Simulation chemischer Prozesse, in KI-basierter Auswertung großer Datenmengen sowie später in der Quantenkryptografie etablieren, heißt es in der Handlungsempfehlung der Bundesregierung. Die Entwicklung eines praktisch nutzbaren Quantencomputers biete die Chance, frühzeitig industrielle Standards zu setzen und geistige Eigentumsrechte zu sichern. Fachleute würden die eigentliche Wertschöpfung jedoch nicht in der Entwicklung der Hardware, sondern vielmehr in der Anwendung im Rahmen der nächsten Digitalisierungswelle prognostizieren. Die Bundesregierung möchte mit europäischen Hardwarelösungen bis 2032 Quantenvorteile erreichen.
Leistungssprung von Google
Erst im Dezember hatte der deutsche Informatik-Forschungsprofessor Hartmut Neven, Gründer und Leiter des "Quantum Artificial Intelligence Laboratory" des US-Konzerns Google, in der Wissenschaftszeitschrift "Nature" einen Leistungssprung beim Quantencomputing verkündet. Mit ihrem neuen Quantencomputer-Chip "Willow" und innovativen Bit-Bündelungsmethoden hat es sein Forschungsteam geschafft, die Fehleranfälligkeit von Quantenrechnern enorm zu reduzieren und damit ein großes Hindernis für die Anwendbarkeit zu verkleinern.
Sogenannte Qubits (Quantenbits) können 0 und 1 gleichzeitig darstellen underreichen dadurch ein Vielfaches an Rechenleistung. Sie verhalten sich aber enorm fehleranfällig. Neven selbst und etliche weitere Forschende schätzen den Entwicklungsfortschritt noch nicht als so groß ein, dass man die Möglichkeiten klassischer Supercomputer tatsächlich durch einen anwendbaren Quantencomputer überholt hätte.
Europas leistungsfähigster Quantencomputer in Bayern
Anfang Dezember verkündete Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) in Garching bei München entstehe am Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) der leistungsfähigste Quantencomputer Europas namens "Euro-Q-Exa" ("Europäisches Quantencomputing für Exascale-HPC"). Ab diesem Jahr soll der Quantencomputer am Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) "die Quantenforschung in Bayern beflügeln", wie das Wissenschaftsministerium mitteilte. Das LRZ ist nach Ministeriumsangaben der einzige deutsche Standort für die ersten europäischen Quantenrechner – und einer von nur sechs Standorten EU-weit. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 13,5 Millionen Euro gefördert.
Der erste Quantencomputer in Hessen
Fast zeitgleicht ist Mitte Dezember mit "Baby Diamond" der erste Quantencomputer in Hessen offiziell in Betrieb gegangen. An ihm werden Forschende und Studierende der Goethe-Universität Frankfurt unter anderem untersuchen, wie er Spezialaufgaben in großen Superrechnern übernehmen kann, teilt die Universität mit. Dabei gehe es um Anlageportfolios im Finanzbereich, Zeitpläne von Krankenpflegekräften oder Probleme aus der Quantenchemie. In erster Linie diene "Baby Diamond" jedoch der Forschung selber: Forschende und Studierende würden nicht nur Algorithmen für den Quantencomputer entwickeln, sondern könnten auch die Erzeugung der Quantenbits verändern.
Der Computer sei kaum größer als ein normaler Stand-PC, könne bei 20 Grad Celsius betrieben werden und eigne sich daher sehr gut für die Forschung – im Gegensatz zu anderen Quantencomputern, die mit flüssigem Helium auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt gekühlt werden müssten. Kürzlich ist die Goethe-Universität dem „John von Neumann-Institut für Computing“ (NIC) am Forschungszentrum Jülich beigetreten. Der Verbund stellt Supercomputer-Rechenzeit für Forschungsprojekte aus Wissenschaft und Industrie auf den Gebieten der Modellierung und Computersimulation bereit.
Quanten-Meilensteine mit "QSolid" in Jülich
Das mit fast 77 Millionen Euro geförderte Jülicher Verbundsprojekt "Qsolid" plant bis 2026 einen Quantencomputer mit 30 supraleitenden Qubits. Beim Aufbau der supraleitenden Quantenarchitektur habe "QSolid" unter anderem von der Erfahrung von Professor Rami Barends profitiert, der aus dem Forschungsteam von Google ans Forschungszentrum Jülich gewechselt sei, berichtet das Forschungszentrum in einer Mitteilung.
Nach zweieinhalb Jahren Projektarbeit hat das über 160-köpfige Konsortium rund um Projektkoordinator Professor Frank Wilhelm-Mauch vom Forschungszentrum Jülich einen wesentlichen Meilenstein des nationalen Verbundprojekts erreicht. Im November konnte der erste Prototyp für einen Quantencomputer mit optimierter Qubit-Qualität in Betrieb genommen werden. Er bilde die Grundlage für einen zukünftigen, in Deutschland entwickelten Quantencomputer auf Basis supraleitender Qubits mit vervielfachter Leistung. Dieser werde laut Forschungszentrum in der Lage sein, komplexe Berechnungen für Industrie und Forschung durchzuführen. "Wir haben ein kompaktes, aber leistungsstarkes System entwickelt, das nun bereit ist, in die nächste Entwicklungsphase zu gehen", freut sich Wilhelm-Mauch.
In den kommenden Jahren soll das System nun weiter ausgebaut und in die bestehende Jülicher Supercomputer-Umgebung integriert werden, um die Leistungsfähigkeit weiter zu steigern. "QSolid" wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zu 90 Prozent gefördert. Das Projekt, an dem sich 25 Institutionen aus Deutschland beteiligen, ist Teil der deutschen Strategie zur Sicherung der technologischen Souveränität im Bereich der Quantenforschung.
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