Frank-Walter Steinmeier
picture alliance/Joerg Carstensen/dpa

Politikwissenschaft
Steinmeier fordert öffentliches Engagement von Politologen

Bei einer Rede vor Hochschullehrern und Studierenden überraschte Bundespräsident Steinmeier mit einem "Call for papers" jenseits der Wissenschaft.

27.09.2018

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat angehende Politologinnen und Politologen dazu aufgerufen, sich stärker öffentlich zu engagieren.

Bei dem politikwissenschaftlichen Kongress "Grenzen der Demokratie" an der Frankfurter Goethe-Universität, über den der Deutschlandfunk berichtete, sagte Steinmeier am Mittwoch: "Ich weiß, solches Engagement bringt einen in der Karrierelogik des Wissenschaftsbetriebes nicht unbedingt weiter." Und er wisse auch, dass der wissenschaftliche Nachwuchs unter großem Druck stehe, Fachartikel zu publizieren, Projektanträge zu schreiben. Aber gerade in diesen Zeiten, in denen die liberale Demokratie wieder angefochten werde, brauche man Politikwissenschaft nicht nur im Elfenbeinturm, sondern auch als starke Stimme in einer hoffentlich dauerhaft demokratischen Öffentlichkeit.

Der Bundespräsident überraschte die Studierenden mit einem "call for papers", den er im Saal gemeinsam mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung startete. Die angehenden Politologen sollten Artikel zum Thema "Demokratie der Zukunft" schreiben. "Keine fußnotenbeladenen Fachartikel wohlgemerkt, sondern Anregungen für die breite Öffentlichkeit und für die allgemeine Diskussion, die solche Anregungen wirklich nötig hat", sagte der Bundespräsident.

Politikwissenschaft muss Demokratie-Begriff erklären

Populismus auf der einen Seite, eine allzu technokratische Expertenpolitik auf der anderen – darin sieht Steinmeier laut Bericht des Deutschlandradios die größten Gefährdungen der liberalen Demokratie. Die Aufgabe der Politikwissenschaften sei dabei insbesondere, für die Klarheit der Begriffe zu sorgen – so sei etwa die Schärfung des Demokratiebegriffs wieder nötig, sagte der Bundespräsident.

Dazu gehöre auch, deutlich zu machen, dass es keine Demokratie ohne Medienpluralismus, eine unabhängige Justiz und engagierte Parlamentsarbeit gebe: "Populistische und technokratische Ideen fallen doch am Ende hinter die Einsicht zurück, dass es die große Leistung der repräsentativen Demokratie ist, die Interessensgegensätze, die es gibt und immer geben wird, zu integrieren; Interessensgegensätze, die es in jeder Gesellschaft und eben wachsenden modernen Gesellschaften gibt."

Mit der Social-Media-Dauerempörung – Steinmeier sprach von "sozial-moralische Rage" – und der Verächtlichmachung der politischen Ordnung sei jedenfalls kein dauerhaft friedliches Gemeinwesen zu schaffen, so der Bundespräsident laut Senderbericht. Das müssten auch die Politikwissenschaftler als die Experten für Demokratie immer wieder herausarbeiten – und das möglichst in einer allgemein verständlichen Sprache und mit neuen Ideen für die Weiterentwicklung des Gemeinwesens:

"Denn die Demokratie braucht heute nicht nur standfeste Verteidiger. Sie braucht auch kluge neue Ideengeber. Diese Zeit ist eine Bewährungsprobe für die Demokratie und deshalb muss sie auch eine Stunde der Politikwissenschaft sein."

gri